Voller Emotionen und versteckter Botschaften - Agiert wie ein Schulmeister: Kommunikationsprofi entlarvt Scholz-Rede
In seiner jüngsten Entlassungsrede zeigte sich Olaf Scholz von einer neuen Seite. Rhetorik- und Kommunikationsprofi Michael Ehlers sagt, was wirklich gesagt wurde - und warum die Rede bei ihm einen schalen Nachgeschmack hinterlässt.
Wie waren allgemeine Rhetorik und Aufbau der Entlassungsrede von Olaf Scholz aufgebaut?
Olaf Scholz, der zuerst vor die Mikrophone trat und damit den Ton in diesem Fernduell setze, gab sich sehr entschlossen und staatsmännisch. Der Grundton seiner Rede folgte dabei dem Narrativ, dass er zu dem Schritt, Lindner als Finanzminister zu entlassen, trotz allem guten Willen und all der Nachsicht, die er, Scholz, in den letzten Jahren mit Lindner gezeigt habe, nun gezwungen worden sei. Und zwar von Christian Lindner selbst.
Was Führungsstärke und Autorität demonstrieren sollte, hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Die viel zu gut vorbereitete Rede, die Scholz an diesem Abend hielt, war eine Mischung aus Themenvermischung, Schuldzuweisungen und Wahlkampf .
So kam er gleich im ersten Teil seiner Ansprache auf sein Angebot zu sprechen und stellte seine vier Eckpunkte vor. Er verband seine Forderung nach noch mehr Geld, um damit unter anderem die Autoindustrie zu subventionieren, mit dem Schicksal der Ukraine. Das ist aus meiner Sicht einfach unredlich. Lindner habe jedoch seinen Punkten nicht zugestimmt (was er mit Blick auf die Wirksamkeit von Scholz´ Vorschlägen mit vielen Experten gemein hat) und deshalb habe er ihn entlassen müssen.
Natürlich nutze der Bundeskanzler auch die Gelegenheit um mehrfach auf die Wahl von Donald Trump zu verweisen und diesen als politisches Schreckgespenst an die Wand zu malen. Sodann wechselt er wieder in den Wahlkampfmodus und zählt auf, was die Ampelkoalition – und damit meint er sich – trotz der FDP alles erreicht habe.
Dann wird nochmals das ganz große Fass aufgemacht. „Niemals, niemals dürfen wir innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander ausspielen. Das gefährdet unseren Zusammenhalt. Das gefährdet am Ende sogar unsere Demokratie.“ Lindner gefährdet also die Demokratie. Wohingegen Scholz sich gegen den drohenden Untergang (Trump, Russland, China, Änderungen beim Bürgergeld) mit aller Macht stemmen muss. Das ist mir zu dick aufgetragen. Jetzt geht es um alles. Aber man darf dennoch wohl nichts überstürzen: Die Vertrauensfrage möchte er dann doch lieber erst im März stellen.
Wie emotional war die Rede?
Wenn ich die Rede von Olaf Scholz mit „dem Kopf“ analysiere, dann finde ich eine ganze Reihe von Emotionen, die sich wiederum in bestimmten Formulierungen widerspiegeln. Ernste Besorgnis und Enttäuschung drücken sich in Formulierungen aus wie: „„Ich sehe mich zu diesem Schritt gezwungen, um Schaden von diesem Land abzuwenden.“ Und: „Ich muss jedoch abermals feststellen, der Bundesfinanzminister zeigt keinerlei Bereitschaft, dieses Angebot zum Wohle unseres Landes in der Bundesregierung umzusetzen.“
Verärgerung und Frustration ist beispielsweise zu finden in „Ein solches Verhalten will ich unserem Land nicht länger zumuten.“ Mit dem Satz: „Als deutscher Bundeskanzler ist das für mich selbstverständlich, dass ich mit dem künftigen US-Präsidenten gut zusammenarbeiten werde“, will Scholz seine eigene staatsmännische Haltung betonen. Scholz übt auch scharfe Kritik an Lindners Politikvorschlägen, die er als ungerecht und kurzsichtig darstellt.
„Bundesminister Lindner hat ultimativ und öffentlich eine grundlegend andere Politik gefordert: milliardenschwere Steuersenkungen für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzungen für alle Rentnerinnen und Rentner.“ Das ist „nicht anständig, das ist nicht gerecht.“
Am Ende versucht Scholz Optimismus zu zeigen, indem er die Stärke Deutschlands hervorhebt und Lösungen anbietet: „Denn Deutschland ist ein starkes Land. Unter allen großen wirtschaftsstarken Demokratien haben wir mit Abstand die geringste Verschuldung.“ Deshalb gäbe es „Lösungen für einen Haushalt, der innere, äußere und soziale Sicherheit gleichzeitig stärkt.“ Olaf Scholz spielt auf der gesamt Klaviatur der Emotionalität – aber in meinem Bauch kommt es nicht an.
Wie stellte sich die Tonalität der Rede dar und was sagt dies über seine Gefühle aus?
Wie ein Schulmeister, der erklärt, warum der ungezogene Junge von der Schule verwiesen werden muss und warum dieser sich das trotz allen Langmuts selbst zuzuschreiben hat, kanzelt Scholz seinen Minister ab. Er versteigt sich dabei sogar zu der Formulierung, dass Lindner „kleinkariert parteipolitisch taktiert“ habe.
Scholz weiter: „Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen. Sogar die Einigung auf den Haushalt hat er einseitig wieder aufgekündigt, nachdem wir uns nach langen Verhandlungen darauf einstimmig verständigt hatten.“ Das klingt zunächst mal persönlich beleidigt. Es ist das Gegenteil von souveräner Gelassenheit und kühler Professionalität. Es ist ein Nachtreten, das man im geschäftlichen Umfeld in dieser Form niemals in der Öffentlichkeit austragen würde. Und ich glaube es ihm nicht. Dieses"Es tut mir mehr weh als dir"-Narrativ, war schon immer eine Lüge. Genauso wie das sehr verwandte “Schau, zu was du mich gezwungen hast”-Narrativ.
Es ist eine Show, um sich vor allen Beteiligten, in diesem Fall der Öffentlichkeit, zu rechtfertigen. Er muss Lindner als Buhmann aufbauen, muss möglichst große Distanz zu ihm aufbauen, um sich selbst zu retten. Wenn man sich selbst retten möchte, ist das beherrschende Gefühl jedoch kein Zorn oder verletzter Stolz, dann ist die beherrschende Emotion Angst. Angst wiederum lässt uns zu allen Mitteln greifen, lässt uns selbst fies und kleinkariert wirken. Wenn es um unseren eigenen Kopf geht, sind wir bereit “über Leichen” zu gehen. In die Politik übersetzt erleben wir dann genau solche Shows.
Gibt es bestimmte rhetorische Mittel oder Techniken, die Scholz besonders effektiv eingesetzt hat?
Olaf Scholz hat in seiner Rede mehrfach auf Donald Trump verwiesen. Das waren keine positiven oder neutralen Bezüge, sondern er hat die Verweise auf Trumps Wahlsieg als Drohung verwendet. Die Wahl Trumps lasse ihm keine andere Wahl als noch mehr Schulden zu machen - denn genau darum ging es im Kern - ist der Tenor.
Wer sich dem verweigere, führe Deutschland und die Ukraine und die Demokratie gleich mit, in den Untergang. Mit dieser scharfen Polarisierung und Überzeichnung der Situation hat Scholz jedoch mehr mit Donald J. Trump gemein als er zugeben würde. 27-mal benutzt Scholz das Wort „ich“. Selbstzweifel lässt er keine erkennen, klopfte sich stattdessen auf die Schulter. Schuld am Scheitern ist Christian Lindner. Und zwar nur er allein.
Jemanden zum Sündenbock zu erklären, ist tatsächlich ein rhetorisches Mittel. Donald Trump setzte im Wahlkampf stark darauf. In der Rhetorik ist es eine Strategie, mit der man die Schuld oder Last auf jemanden anderen delegiert, der dann entweder negative Konsequenzen tragen oder verantworten muss. Wie effektiv es Scholz gelungen ist, Christian Lindner die Schuld für das Scheitern zuzuschieben, werden die Wahlen zeigen.