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Scharia, Sexismus und eine Rolex: Die Kontroversen um Sawsan Chebli

Staatssekretärin Sawsan Chebli wurde in der Vergangenheit oft schwer kritisiert. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Staatssekretärin Sawsan Chebli wurde in der Vergangenheit oft schwer kritisiert. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)

Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli muss sich zur Zeit einem Shitstorm stellen. Der Grund: Vielen missfällt, dass die Sozialdemokratin auf einem Foto mit einer Uhr der Nobelmarke Rolex zu sehen ist. Auch schon in den Jahren zuvor stand sie oft in den Schlagzeilen.

Dabei ist das Foto, das zur Zeit durch die sozialen Medien geistert, nicht aktuell, sondern bereits vier Jahre alt. Es zeigt die heute 40-Jährige mit einer Rolex, die angeblich 7.300 Euro kosten soll – ein Widerspruch für eine Sozialdemokratin, so die Meinung einiger Internet-Nutzer.

“Alles, was man zum Zustand der deutschen Sozialdemokratie 2018 wissen muss”, titelte eine Person – woraufhin Chebli zum Gegenschlag ansetzte. “Mir sagt keiner, was Armut ist”, schreibt sie – und versieht den Tweet mit dem Hashtag “#Rolex”.

Für Chebli, gebürtige West-Berlinerin, sind Kontroversen um ihre Person nicht neu. Chebli wurde als zweitjüngstes von dreizehn Kindern einer palästinensischen Familie, die Anfang der 1970er-Jahre in Deutschland Asyl fand, geboren. 15 Jahre lang galt sie als staatenlos, hatte nur eine Duldung, erst 1993 erhielt sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Chebli, praktizierende Muslimin, ist seit 2001 Mitglied der SPD.

Die studierte Politologin fand bei den Sozialdemokraten schnell Förderer und galt als Musterbeispiel für Integration. 2010 wurde sie vom damaligen Innensenator Ehrhart Körting zur “Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten” – eine eigens für Chebli kreierte Position – ernannt. 2014 ernannte Frank-Walter Steinmeier sie zur stellvertretenden Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Diese Position hatte Chebli bis zum Dezember 2016 inne.

Jung & Naiv

In ihrer Funktion beim Auswärtigen Amt wurde Chebli vor allem beim jüngeren Publikum durch das Format “Jung & Naiv” bekannter. Die Interviewsendung um Moderator Tilo Jung, die erst auf YouTube und mittlerweile auch auf anderen Kanälen ausgestrahlt wurde, berichtet regelmäßig von der Bundespressekonferenz und stellt Politikern bewusst “naive” und umso entlarvendere Fragen. Chebli kam dabei nicht immer gut weg. In einem YouTube-Video wurden beispielsweise zwei Beiträge von ihr hintereinander geschnitten, in denen sie sich zu den französischen Luftangriffen auf Syrien einmal mit “großer Sorge“ und einmal mit “großem Verständnis“ äußert. Auch reagierte sie auf manche Fragen von Tilo Jung oft entweder auffallend unsicher oder schroff – ihrem Gesichtsausdruck war beides klar anzusehen, was viele Zuschauer des Formates feierten, die Politikerin dafür aber auch kritisierten.

Chebli und das Kopftuch

Im Scheinwerferlicht – und oft im Kreuzfeuer der Kritik – stand Chebli mehr als einmal wegen ihrer Auffassung des Islams. 2012 sagte sie zur Kopftuch-Debatte: “Ja, das Kopftuch ist für mich eine religiöse Pflicht, aber nein, ich trage es nicht, weil es für mich nicht das Wichtigste im Islam ist”. Dass sie kein Kopftuch trage, habe Karrieregründe, erklärte sie in einem anderen Interview – mit Kopftuch sei eine politische Karriere in Deutschland eben nicht möglich. “Für wen kämpft so jemand, der sagt: Ich trüge gern ein Kopftuch? Für die SPD doch wohl nicht?”, kritisierte sie ihr Partei-Kollege Erol Özkaraca, ehemaliger stellvertretender Kreisvorsitzender der SPD Neukölln deswegen.

Aussagen zur Scharia

2016 sorgten ihre Aussagen zur Scharia (dem religiösen Rechtssystem der Muslime) in einem Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” für Aufregung. Darin erläuterte sie ihre Auffassung zum islamischen Rechtssystem folgendermaßen: “[Die Scharia] regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Es geht um Dinge wie das Gebet, um Fasten, um Almosen. Das stellt mich als Demokratin doch vor kein Problem im Alltag, sondern ist absolut kompatibel, wie es für Christen, Juden und andere auch der Fall ist.“

Proteste und Kritik

Das zog Proteste mit sich: Der Bundestagsabgeordnete Kai Wegner (CDU) forderte in einem Brief an den Berliner Bürgermeister Michael Müller, Chebli von ihren Aufgaben zu entbinden. “Es schadet dem friedlichen Zusammenleben in unserer Stadt, wenn mit Frau Chebli eine Scharia-Verharmloserin Regierungsverantwortung ausübt”, zitiert ihn die “Welt”. Der Publikation gegenüber erklärte Wegner zudem: “Ich finde, hier darf es kein Ausweichen geben. Ich erwarte von einem Regierungsmitglied eine klare Abgrenzung.”

Ihr Parteikollege Erol Özkaraca sprach davon, dass Chebli den konservativen Islam in Deutschland wieder salonfähig machen wolle. “Ihre Aussagen zur Vereinbarkeit der Scharia mit unserer Verfassung und zur Integration wirft die Frage auf, ob ihr die Grenzen des säkularen Rechtsstaats bewusst sind, und sie bereit wäre, für diese einzustehen”, so Özkaraca – eine derartige Einstellung sei nicht mit den Werten der Sozialdemokratie vereinbar.

Sexismus und Rassismus

Chebli selbst machte laut eigenen Angaben in ihrer politischen Laufbahn mehrfach Erfahrung mit Sexismus. Bei einem Treffen des internationalen Forums habe sich der ehemalige Botschafter Hans-Joachim Kiderlen ihr gegenüber unangemessen verhalten. “Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön”, soll dieser gesagt haben, als sich Chebli als Staatssekretärin zu erkennen gab. “Klar, ich erlebe immer wieder Sexismus. Aber so etwas wie heute habe auch ich noch nicht erlebt”, so Chebli über den Vorfall. “Unabhängig von den heftigen Reaktionen, die jede Debatte um Sexismus auslöst, erschüttert mich, wie schnell die Grenze zum Rassismus überschritten wird.”

Im Zuge der Sexismus-Debatte sorgte der österreichische Politiker Efgani Dönmez
(ÖVP) für Empörung. In einem mittlerweile gelöschten Tweet deutete Dönmez an, Chebli habe ihre Position durch sexuelle Gefälligkeiten erlangt. Dies kostete Dönmez seinen Job: In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Chef des ÖVP-Parlamentsklubs August Wöginger erklärte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass Dönmez aus der ÖVP ausgeschlossen werde.

Sawsan Chebli bleibt meinungsstark

Sawsan Chebli arbeitet weiter im Politikbetrieb. Und nimmt weiter auf Twitter und Co zu aktuellen politischen Themen Stellung. Doch dabei fällt auf, dass sie sich vor allem fachlich äußert. Auch in Interviews der vergangenen Monate, etwa zu den Ausschreitungen in Chemnitz, beschränkt sie die Staatssekretärin auf Inhalte zum jeweilige Thema. Artikel und Interviews, in denen sie sich zur Kritik an ihrer Person äußert, sind derzeit rar. Der “Tagesspiegel” etwa berichtete im April, Porträtanfragen zu Chebli sollen vom Presseamt abgelehnt worden sein. Vermutet wird, dass auch Parteikollegen der Rummel um die Person Sawsan Chebli zu groß geworden war. Doch wie das aktuelle Beispiel zum #Rolex zeigt: Wenn sie verbal attackiert wird wie beim #Rolex, schweigt sie nicht. Und äußert sich klar und, wie man es von ihr gewohnt ist, abseits des typischen “Politikersprechs”.

Und auch ihren Humor hat sie offenbar nicht verloren, wie dieser Tweet beweist.