#vonhier: So unangenehm kann die Frage „Wo kommst du her?“ sein
Von Herkunftsdetektiven und aufdringlichen Alltagssituationen – unter dem Hashtag #vonhier sammeln Twitter-Nutzer ihre persönlichen Erlebnisse und zeigen, wie problematisch das Interesse an der Herkunft eines Menschen sein kann.
Seitdem Dieter Bohlen ein kleines Mädchen bei „Das Supertalent“ mit der Frage „Wo kommst du her?“ verunsichert hat, äußern sich immer mehr User in den sozialen Netzwerken zu den Themen Herkunft und Identität. Seit Sonntag gibt es einen neuen Hashtag für die Debatte: #vonhier. Darunter sammelten sich unmittelbar diverse Gesprächsprotokolle, die zeigen, wie Twitter-User selbst, meist von Fremden, unangenehm nach Familie und Herkunft ausgefragt wurden.
Aber zurück zum Anfang: Im November 2018 strahlte RTL die Sendung „Das Supertalent“ aus. Darin fragte Dieter Bohlen die fünfjährige Melissa, wo sie denn herkomme. „Aus Herne“, antwortete sie. Bohlen reichte diese Antwort nicht und fragte nach der Herkunft ihrer Eltern. „Die kommen auch aus Herne“, sagte die Fünfjährige sichtlich verwirrt. Das Publikum lachte. Bohlen versuchte es anschließend mit: „Und wo kommt ihr her? Aus welchem Land? Gebürtig?“ Melissa antwortete unsicher grinsend: „Ich weiß es nicht.“
Dieter Bruder, sie hat Dir drei mal gesagt dass sie aus Herne ist und du überforderst das Mädel mit der Einwanderungsgeschichte ihrer Großeltern. 🤦🏾♂️ pic.twitter.com/yC2nid9kEX
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmMusic) February 18, 2019
Social Media-Kritik zu Bohlens Verhalten
Drei Monate nach Ausstrahlung der Sendung entfachte ein Tweet mit beschriebenem Ausschnitt, eine Diskussion zu Bohlens Verhalten. Auch die SPD-Politikerin Sawsan Chebli äußerte sich dazu und kritisierte auf Twitter: „Wie soll eine deutsche Identität entstehen, wenn einem das Deutschsein abgesprochen wird, weil man anders aussieht?“
Von ähnlichen Gesprächen berichten nun auch diverse Twitter-Nutzer unter dem Hashtag #vonhier. Meist wurden sie aufgrund des Aussehens oder ihres Namens nach der Herkunft ihrer Familien ausgefragt. Häufig ohne Vorwarnung und von Personen, die sie entweder gar nicht oder nicht besonders gut kannten.
„Herkunftsdetektive“ gehören zum Alltag
Initiatorin des Hashtags #vonhier ist die Journalistin Ferda Ataman, die sich am Sonntag in einer Kolumne auf Spiegel Online zu dem Thema äußerte. Sie schreibt: „Übergriffige Bemerkungen zu Aussehen, Aussprache und Ahnengalerie gehören zum Alltag vieler Menschen, wenn sie einen erkennbaren Migrationshintergrund haben.“ In einem Tweet schildert sie außerdem ein typisches Gespräch, das sie mit besagten „Herkunftsdetektiven“ häufig führen müsse:
Herkunftsdetektive in Aktion:
– "Woher kommen Sie?"
– "Aus Nürnberg."
– "Aber woher kommt der Name Ferda?"
– "Der ist persisch."
– "Dann sind Sie iranisch-stämmig?."
– "Nein, meine Eltern kommen aus der Türkei."
-"Schlimm, das mit Erdogan." #vonhier https://t.co/naGsXTYeJB— Ferda Ataman (@FerdaAtaman) February 24, 2019
Darauf reagieren weitere Nutzer und veröffentlichen ihre eigenen Erlebnisse auf Twitter:
– und woher kommen Sie??
– eh, ich bin Deutscher.
– ich meine wo Sie geboren sind?
– in Hamburg.
– und Ihre Eltern!?
– die sind auch deutsch, leben seit +40 Jahren in Hamburg.
– Und wo sind sie geboren?
– in Kabul.
– verstehe, dann sind Sie Afghane!
– 😑#vonhier— Said Haider (@_saidhaider) February 24, 2019
Woher kommst du?
Bosnien.
Woher sprichst du so gut Deutsch?
War Flüchtling.
*Kreuzverhör bis ich komplette Lebensgeschichte erzähle*Also: Leute, die andere zu Herkunft ausfragen sind NIEEE zufrieden bis sie prüfen, in welche Schublade wir passen. Egal ob Auslända oder #vonhier
— Melina Borčak Ⓥ 🇧🇦 (@MelinaBorcak) February 24, 2019
Auch die Politikerin Sawsan Chebli äußert sich erneut zu diesem Thema:
Woher kommen Sie?
– „Aus Deutschland"
– „Woher genau?"
– „Berlin"
– „Nein, ich meine genau?“
– „Moabit“
– „Schon klar, ich meine die Wurzeln“
– „Vater Dorf bei Safed, Mutter Dorf bei Haifa.“
– „Also Israel?“
– „Meine Eltern sind Palästinenser“#vonhier— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) February 24, 2019
Einige Twitter-Nutzer, darunter auch Moderatorin Aline Abboud, kontern den vielen unangenehmen Fragen mit überraschenden Antworten:
-„Sie haben aber einen schönen Namen. Wo kommen Sie denn her?"
-„Aus dem Rheinland“
-„Sie haben sicher ausländische Wurzeln?“
-„Meine Eltern kommen aus der Türkei.“
-„Dafür sprechen Sie aber sehr gut Deutsch. Man hört nur einen klitzekleinen Akzent.“
-„Das ist Kölsch.“ #vonhier— Yasemin El-Menouar (@YaseminMenouar) February 24, 2019
Im ICE-Bordrestaurant. Unbekannter Mann: „Woher kommst Du?“ Ich: „Aus Bonn“. Er: „Wo kommst Du ursprünglich her?“ Ich: „Aus Siegen“. Er: „Nee, ich meine gebürtig“. Ich: „Aus Siegen“. Er leicht genervt: „Woher kommen Deine Vorfahren?“. Ich: „Aus Afrika. Deine auch“. #vonhier
— Mehmet G. Daimagüler (@DaimagM) February 24, 2019
Woher kommen Sie?
– „Aus Berlin.
– „Woher genau?"
– „Pankow.“
– „Nein, ich meine genau?“
– „Ehemalige DDR.“
– „Ok, ich meinte die Wurzeln“
– „Vater aus Libanon, Mutter aus Ost-Berlin.
– „Ah, warum tragen Sie kein Kopftuch?
– „Vater Christ, Mutter aus Ost-Berlin.“🙄#vonhier— Aline Abboud (@alineabboudTV) February 24, 2019
Andere User berichten von ähnlichen Erlebnissen, sehen das Interesse an der eigenen Herkunft aber nicht kritisch:
Wir Menschen mit Migrationshintergrund sollten damit aufhören, hinter jeder Geschichte einen „Rassismus“ zu suchen. Das ist Verharmlosung des Begriffs. Mich stört es nicht, wenn jemand nach meiner Herkunft fragt. So kommen wir ins Gespräch. Ich habe nichts zu verstecken. #vonhier
— Tuncay Özdamar (@TuncayOezdamar) February 24, 2019
Und wie heißen Sie?
Düzen.
Nee, jetzt mal im Ernst?
Düzen!
Und wo kommen Sie gebürtig her?
Bin Kurdin.
Polin?
Nee, Kurdin.
Ist nicht schlimm. 😂Und trotzdem mache ich mir nicht ins Hemd deswegen, oder fühle mich weniger deutsch oder gar diskriminiert. Sowas #vonHier
— Düzen Tekkal (@DuezenTekkal) February 24, 2019