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Vorbild Vietnam? Wo die dritte Welle schon vorbei ist

Fälle isolieren, Kontakte nachverfolgen, strenge Quarantäne: Die Maßnahmen sind klar und eindeutig. So hat Vietnam die dritte Welle bereits überstanden. Mit Deutschland vergleichen lässt sich das Land aber aus vielen Gründen nicht.

Eine Frau wird in Hanoi mit dem AstraZeneca-Impfstoff gegen das Coronavirus geimpft. Foto: REUTERS / Thinh Nguyen
Eine Frau wird in Hanoi mit dem AstraZeneca-Impfstoff gegen das Coronavirus geimpft. Foto: REUTERS / Thinh Nguyen

In Deutschland haben Bund und Länder lange verhandelt, sich letztlich aber geeinigt: Der Shutdown wird bis zum 18. April verlängert. Über Ostern gelten strenge Regeln, es gibt keine allzu großen Ausnahmen wie an Weihnachten. Im Gegenteil: Gründonnerstag und Karsamstag werden einmalig zu sogenannten „Ruhetagen“ erklärt, an denen ausschließlich der Lebensmitteleinzelhandel geöffnet bleibt. Die Rede ist grundsätzlich von einer kurzen, aber konsequenten Phase des Stillstands.

Und die Schulen und Kitas?

Dazu bleiben private Zusammenkünfte reglementiert, die Schnelltests sollen ausgeweitet werden und Landkreise mit Sieben-Tage-Inzidenzen über 100 die geltenden Regeln weiter verschärfen können. Wie es hingegen mit Schulen und Kitas weitergeht, dazu wurde nichts beschlossen. Auch gibt es bislang, so berichtet es die Deutsche Presseagentur, keine Testpflicht für Beschäftigte in Unternehmen. Seit einiger Zeit steigen die Infektionszahlen und intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle wieder, das zeigt das Intensivregister DIVI. In einigen Bundesländern stehen weniger als zehn Prozent der Intensivbetten zur Verfügung, in den meisten Bundesländern sind es unter 15 Prozent.

Blick nach Vietnam

Wer in dieser Zeit nach positiven Nachrichten im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie sucht, könnte deshalb nach Vietnam schauen. Vietnam hat es geschafft, die dritte Welle in weniger als zwei Monaten hinter sich zu lassen. Seit Ende Januar, als die ansteckendere britische Variante B117 aufgetaucht ist, haben sich gerade Mal 2.572 Menschen angesteckt und nur 35 sind in der Zeit an Covid-19 gestorben. Wie wurde das erreicht?

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Durch die „ZeroCovid“-Strategie: Die sagt im Kern, es soll „kein kontrolliertes Weiterlaufen der Pandemie geben, sondern ihre Beendigung“. Also alle Ansteckungen auf Null zu senken durch einen harten wochenlangen Lockdown – ohne Ausnahme und Neuinfektion. Dann kann das Leben normal weitergehen und Neuinfektionen gut nachverfolgt werden.

Das hat Vietnam bereits erfolgreich nach der zweiten Welle im vergangenen Jahr gemacht und konnte so Ende Januar auf die dritte Welle weitaus schneller und effizienter reagieren.

Erfahrung im Umgang mit Pandemien

Wie ging das so effektiv? Das fasst ein Beitrag auf der Statistik-Seite Ourworldindata der Universität in Oxford zusammen: Demnach sei ein starkes Gesundheitssystem, eine entschlossen handelnde Regierung und eine proaktive Strategie der Eindämmung, die vor allem auf Tests, Kontaktverfolgung und strenger Quarantäne beruht, für den Erfolg verantwortlich. So wurden Infektionsherde besonders intensiv nachverfolgt: Jeder positive Fall wurde drei Infektionsschritte zurückverfolgt.

Foto: https://ourworldindata.org/covid-exemplar-vietnam
Foto: https://ourworldindata.org/covid-exemplar-vietnam

Dadurch wurden hunderttausende Menschen, darunter auch Reisende aus anderen Ländern, die Kontakt zu Infizierten hatten, unter Quarantäne gestellt. Und das nicht nur zuhause, sondern auch in staatlichen Einrichtungen. So wurden weitere Infektionen im eigenen Haushalt vermieden und außerdem konnte kontrolliert werden, dass sich jede*r an die Quarantäne hält.

Bereitschaft zur massenhaften Testung

Gab es große Ausbrüche, wurden zudem ganze Regionen sofort abgeriegelt: etwa die Großstadt Đà Nẵng im Juli und August 2020. Wie es auf Ourworldindata heißt, hat die Regierung in der Zeit sehr engmaschig die Bevölkerung über den Fortschritt der Pandemie-Bekämpfung auf dem Laufenden gehalten.

Das ganze Vorgehen wäre so in Deutschland jedoch unmöglich gewesen aufgrund des Föderalismus. Die Regierungsform mit dem Einparteiensystem hat es der Regierung in Vietnam hingegen erlaubt, zu keinem Zeitpunkt mit einer Opposition, mit Koalitionspartner*innen oder Landeschef*innen, wie es in Deutschland üblich gewesen wäre, zu ringen. Sondern einfach Entscheidungen durchzusetzen.

Foto: https://ourworldindata.org/covid-exemplar-vietnam
Foto: https://ourworldindata.org/covid-exemplar-vietnam

Dazu kommt, dass die Bevölkerung Vietnams erprobt ist im Kampf gegen Viren: Im Jahr 2003 gab es bereits einen schweren SARS-Ausbruch, dazu kamen auf den Menschen übergesprungene Fälle der Vogelgrippe in den Jahren 2004 und 2010. Seither kann die Regierung wichtige Entscheidungen in Tagen treffen, für die andere Länder Wochen benötigen. So wurden erste Maßnahmen, wie Maskentragen in der Öffentlichkeit, das Runterregeln des öffentlichen Lebens und Reise- und Mobilitätsbeschränkungen, noch vor dem ersten bestätigten Fall in Vietnam durchgesetzt. Wenig später folgten Schulschließungen, Einreisebeschränkungen aus China und dem Schengen-Raum, Absagen von Massenveranstaltungen. Zu dem Zeitpunkt gab es fünf bestätigte Fälle in Vietnam - Entscheidungen, die so früh und drastisch in anderen Ländern unvorstellbar gewesen wären.

Das Ende der dritten Welle

Außerdem wissen die Vietnames*innen um die Wichtigkeit der Hygiene- und Gesundheits-Maßnahmen und es gibt eine gewachsene Pandemie-Infrastruktur – etwa für massenhafte Quarantäne. So wurden bis zum 31. Dezember 2020 insgesamt 10,2 Millionen Menschen in Vietnam unter Quarantäne gestellt. Knapp die Hälfte verbrachte die Isolation in öffentlichen Einrichtungen.

Vietnam hat seit Tag eins klaren Kurs in der Pandemie-Bekämpfung gesetzt. So sind nie Debatten über Herdenimmunität entstanden, es gab keine Demonstrationen ohne Masken und Mindestabstand, kein Zweifeln an Impfwirksamkeit oder Hygienemaßnahmen. Die dritte Welle begann in Vietnam am 28. Januar 2021. Sie ist schon wieder vorbei.

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