„Vorwürfe wiegen außerordentlich schwer“ - In Mocro-Drogenkrieg verwickelt? Jetzt gerät ein Polizist ins Visier der Ermittler

Schwer bewaffnete Polizisten beim Prozess gegen niederländische "Mocro-Mafia".<span class="copyright">Peter Dejong/AP/dpa</span>
Schwer bewaffnete Polizisten beim Prozess gegen niederländische "Mocro-Mafia".Peter Dejong/AP/dpa

Ein Polizeibeamter aus Bonn soll in den Drogenkrieg zwischen der Mocro-Mafia und Rauschgifthändlern aus Köln-Kalk verstrickt sein. Die Vorwürfe gegen den Mann wiegen schwer - es wird unter anderem wegen Verrat von Dienstgeheimnissen gegen ihn ermittelt.

Im brutalen Drogenkrieg zwischen einem holländischen Netzwerk und Rauschgifthändlern aus Köln-Kalk ist auch ein Polizeibeamter aus Bonn unter Verdacht geraten.

„Gegen den Tatverdächtigen wird wegen Strafvereitelung im Amt, der Bestechlichkeit und dem Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Anfrage FOCUS online.

Vor dem Hintergrund hat Bonns Polizeipräsident Frank Hoever den 25-jährigen Polizeikommissar am achten August mit sofortiger Wirkung von allen Dienstgeschäften entbunden.

„Die Vorwürfe wiegen außerordentlich schwer“, betonte Polizeisprecher Frank Piontek. Diese schädigten die Integrität der Polizeiarbeit in besonderem Maße „und untergraben das Vertrauen in die Polizei. Dem ist konsequent entgegen zu treten. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich vollumfänglich auf ihre Polizei verlassen können.“

Telefonate legen freundschaftlichen Umgang zwischen Polizist und Drogenhändler nahe

Auf die Spur des Kommissars gerieten die Strafverfolger durch abgehörte Telefonate. Den Gesprächen zufolge tönte ein Drogenlogistiker, dass ein befreundeter Polizist mit ihm ein Video aufgenommen habe.

In dem Clip will der deutsch-algerische Dealer Aymen G. enthüllt haben, welche Personen an dem Bandenkrieg beteiligt sind.

Die Aufnahme diente dem Rauschgifthändler offenbar als Rückversicherung, sollte ihm oder seiner Familie etwas zustoßen. Von einem Kopfgeld war die Rede. Sollte etwas in seine Richtung laufen, ließ G. einen Gesprächspartner wissen, gehe das Video direkt an die Polizei.

Wenn ihm oder seiner Familie etwas zustoßen sollte, habe er kein Problem, die wahren Täter anzuschwärzen. Das Video stamme von seinem Bekannten bei der Polizei, bekundete Aymen G..

Die belauschten Telefonate legten einen freundschaftlichen Umgang zwischen dem Polizisten und dem Drogenhändler nahe. Der Verdacht steht im Raum, dass der Polizeikommissar über brisante Informationen zu den Hintergründen des Drogenkrieges verfügte, ohne die zuständigen Ermittler ins Bild zu setzen.

Handydatenauswertung führte zu weiteren Strafvorwürfen

Am 6. Juli durchsuchten Einsatzkräfte die Arbeitsstätte des beschuldigten Beamten sowie seine Privaträume. Wie zu erfahren war, wurde das brisante Video bisher nicht gefunden, allerdings laufen die Ermittlungen weiter.

Die Handydatenauswertung bei dem Beamten führte zu weiteren Strafvorwürfen. Der Beamte soll Abfragen im Polizeicomputer zu Drogendealern getätigt haben, die im großen Mocro-Komplex eine Rolle spielen.

In der Kölner Rauschgiftszene grassieren Ängste vor Repressalien. Seit Ende Juni machen Sprengstoffanschläge in der Kölner Keupstraße, im Stadtteil Buchheim, in Engelskirchen oder Duisburg Schlagzeilen.

Erst am vergangenen Montag explodierte erneut ein selbst gebasteltes Laborat in Köln-Zündorf. Von der Machart her ähnelte die Bombe jenen Modellen, die auch die so genannte Mocro-Drogenmafia (holländisches Slangwort für Marokkaner) in den Niederlanden benutzt.

In Solingen sprengte sich ein 17-jähriger Attentäter versehentlich selbst in die Luft. Auch wurden am 5. Juli in Bochum ein Mann und eine Frau entführt und in einer Villa in Köln-Rodenkirchen gefoltert. Tags darauf befreite ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Gefangenen und nahm ihre Wächter fest.

Am 25. Juni ging gegen 20.45 Uhr ein Notruf bei der Polizei ein

Ausgelöst wurde der Bandenkrieg durch den Diebstahl von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle im rheinischen Hürth. Dort sollten Mitglieder einer Kölner Gruppierung insgesamt 700 Kilo Gras übernehmen, die ein holländisches Netzwerk geliefert hatte. Der entwendete Stoff im Wert von zirka 1,5 Millionen Euro verschwand spurlos.

Nach FOCUS-online-Informationen hatte sich Folgendes abgespielt: Am 25. Juni ging gegen 20.45 Uhr ein Notruf bei der Polizei ein. Aymen G. hatte einen Kurierfahrer zur Lagerhalle geschickt, weil die Bande dessen Transporter per GPS-Tracker dort geortet hatte. Als der Drogenbote an der Halle angekommen war, lugte er durch eine Spalte ins Lagerinnere.

Dabei erkannte der Kurier seinen vermissten Wagen. Auch sah er etliche gefesselte Männer nebst Wachen. Offenbar handelte es sich um Gangster, die zur holländischen Mocro-Mafia zählten.

Das Drogennetzwerk hatte einige Emissäre ins Rheinland entsandt, die „das Gras“ wiederbeschaffen sollten. Der Zeuge lief um sein Leben, als ihn die Mocro-Gangster entdeckten. Die Polizei verhinderte Schlimmeres.

Gangster legten Spur noch nie erlebter Gewalt

Vor Ort befreiten die Beamten fünf Männer von Kabelbindern und Klebebebändern. In der Nähe stellten die Polizisten drei Niederländer. Die Männer, angeführt von Delmar B. 29, sollen die Drogenwächter massiv gequält haben. In brüchigem Deutsch wollten die Kriminellen wissen, „wo ist?“ Gefolgt von Drohungen: „Heute stirbst Du!“

Seither sucht man nach dem Verräter, der für den Diebstahl in Frage kommt. Die Gangster legten eine Spur noch nie erlebter Gewalt. So zwangen sie die Drogen-Bande aus dem Rheinland, den Verräter zu finden, der den Cannabis-Raub inszeniert hatte.

Mit Sprengstoffattacken erhöhte man den Druck auf die rheinische Connection. Gleich zwei Personen, die in der Lagerhalle gefoltert wurden, erhielten einen explosiven Gruß der Mocro-Mafia. In der Kölner Drogenszene ging die Angst um, wobei die Rollenverteilung sich im Laufe der Zeit offenbar vermischte.

Noch ist nicht ganz klar, ob einzig die Mocro-Gangster hinter den Anschlägen und der Geiselnahme steckten. Eine andere Ermittlungsthese geht davon aus, dass die Ganoven aus den Niederlanden nach Köln beordert wurden, um den Cannabis-Raub aufzuklären. „Die ganze personelle Gemengelage“, so heißt es in Justizkreisen, „ist noch sehr verworren“.

Rauschgifthändler inzwischen in Untersuchungshaft

Zudem stellt sich weiterhin die Frage, welche Rolle die beiden nach Rodenkirchen gekidnappten Verwandten in dem Fall spielen ? Es handelte sich um Cousin und Cousine aus dem Ruhrgebiet.

Angeblich sollen sie einem libanesischen Familienclan angehören. Ferner besteht der Verdacht, dass sie ebenfalls im Rauschgiftgeschäft mitmischen. Eine offizielle Bestätigung blieb bisher aus.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ weiter erfuhr, wurden in dem Komplex inzwischen zwölf Beschuldigte verhaftet. Drei niederländische Tatverdächtige sind noch zur Fahndung ausgeschrieben.

Trotz der großangelegten Polizeiaktionen explodierte am 11. Juli vor einem Geschäftshaus in der Düsseldorfer City erneut ein Sprengkörper. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Angriff ebenfalls im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg steht. Beim Bombenanschlag am 30. Juli am Kölnberg ist noch unklar, ob dieses Attentat ebenfalls auf das Konto der Drogengangs geht.

Inzwischen wurde der Rauschgifthändler und Polizistenkumpel Aymen G. wegen des bandenmäßigen Handels mit Cannabis in Untersuchungshaft genommen. Er beteuert, dass er nie ein kompromittierendes Video über den schwelenden Drogenkrieg mit seinem Freund von der Polizei angefertigt habe.