Vorwürfe gegen AKP: Betreibt Erdogans Partei Wahlbetrug in Deutschland?

Stimmabgabe im türkischen Konsulat in Frankfurt (Bild: Reuters)
Stimmabgabe im türkischen Konsulat in Frankfurt (Bild: Reuters)

Je mehr der türkische Präsident seine Felle davonschwimmen sieht, desto panischer greift er nach allen rettenden Strohhalmen. Seine AKP-Regierung setzt offenbar große Hoffnungen auf die so genannten “Auslandstürken”; mit ganz besonderer Hingabe konzentriert sie sich auf die wahlberechtigten Türken in Deutschland. Auch vor faulen Tricks schrecken die Erfüllungsgehilfen des Autokraten vom Bosporus dabei angeblich nicht zurück.

Mehrere Zeugen beschuldigen AKP-Anhänger, in den illegalen Kauf von Stimmen verwickelt zu sein. Wähler werden demnach aufgefordert, ihre Stimmzettel mit dem Smartphone zu fotografieren und anschließend AKP-Kontaktleuten vorzuzeigen; für jede auf diese Weise dokumentierte Stimmabgabe pro Erdogan und seine AKP sollen als Lohn Handygutscheine und Geschenktüten winken, die vor den Wahllokalen ausgegeben werden. Es existieren einige Foto- und Videoaufnahmen, die diese Transaktionen belegen sollen.

Kurdischer Verein erhebt Vorwürfe

Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland e.V., bekräftigte im Gespräch mit Yahoo Nachrichten die Vorwürfe und kritisierte das Vorgehen scharf: “Wir haben in den letzten Tagen als kurdische Gemeinde mehrere dieser Meldungen zu solchen Stimmkäufen bekommen. Die AKP scheint das sehr koordiniert und mit großem Budget zu machen. Dadurch zeigt Erdogan, wie viel Angst er vor seinen Landsleuten hat und wie wenig Anstand er den AKP-Anhängern zurechnet. Es ist klarer Wahlbetrug.”

Toprak berichtet außerdem von massiver Beeinflussung der Wähler in den DITIB-Moscheen: “Die AKP hat in ihren Auslandswahlkampf massiv Geld investiert. Sie wollten nichts dem Zufall überlassen und haben sogar in Moscheen Wahltüten mit Geschenken verteilt.”

Dieses Foto soll die Übergabe von Geschenktüten aus einem Kofferraum heraus nach der Stimmabgabe in Essen zeigen (Bild: Privat)
Dieses Foto soll die Übergabe von Geschenktüten aus einem Kofferraum heraus nach der Stimmabgabe in Essen zeigen (Bild: Privat)

Bisher melden die türkischen Wahlbehörden einen Rekord bei der Wahlbeteiligung im Ausland von 49%. Diese Werte mögen sowohl mit den Manipulationen durch das Erdogan-Lager, als auch mit der Mobilisierung einer breiten Opposition aus Reaktion darauf, zusammenhängen. Sie verdeutlichen den Stellenwert gerade der in Deutschland lebenden Türken für Erdogans Machterhalt – umgekehrt belegen sie aber auch, in welchem Ausmaß die hier lebenden Türken an den (innen)politischen Vorgängen ihres Herkunftslandes Anteil nehmen; man mag dies vor dem Hintergrund der Integrationsdebatte durchaus kritisch sehen.

Erdogan zittert um Mehrheit

Jedenfalls muss Präsident Erdogan aktuell erstmals um seine Mehrheit zittern. Als Zünglein an der Waage bei einer möglichen Niederlage des umstrittenen Präsidenten könnte sich hier das Wahlresultat der pro-kurdischen HDP erweisen: Sollte die HDP wieder über die Zehn-Prozent-Hürde kommen, ist Erdogans Verlust der parlamentarischen Mehrheit sehr wahrscheinlich; in diesem Fall würde ihm der Rückhalt für seinen autokratischen Kurs fehlen. Schafft es die HDP dagegen nicht ins Parlament, würden ausgerechnet in den kurdischen Hochburgen viele Wahlkreise an die AKP fallen, die dort oftmals – wenn auch mit deutlichem Abstand – nach der HDP die zweitstärkste Kraft ist.

Nicht von ungefähr hatte Erdogan in einer – geheim mitgeschnittenen – Rede von seinen Anhängern gefordert, mit allen Mitteln gegen die HDP, ihre Unterstützer und Wähler vorzugehen. Der Wunsch des Präsidenten war einigen Anhängern offenbar Befehl: Wenige Tage später endete in Suruç eine Auseinandersetzung zwischen dem örtlichen AKP-Kandidaten und HDP-Anhängern blutig. Mehrere prominente HDP-Aktivisten wurden von AKP-Anhängern getötet. Es ist nur der Schlimmste einer langen Reihe von Übergriffen auf HDP-Unterstützer und Wahlkampfstände.