Wählerwille in Sachsen und Thüringen - Koalition aus CDU und AfD? Schmidt-Satz sorgt für Wirbel, Psychologin grätscht rein
CDU und AfD sind die Sieger der Wahlen im Osten. Entertainer Harald Schmidt kommentierte die Wahlergebnisse mit der provokativen These, dass eine Koalition zwischen CDU und AfD den Wählerwillen in Sachsen und Thüringen widerspiegle. Psychologin Martina Lackner grätscht rein.
Dieser Gedanke wirft ein Licht auf die Diskrepanz zwischen politischem Diskurs und den Wünschen vieler Wähler, insbesondere nun in Ostdeutschland.
Der Wähler als „Klient“
Die politische Stimmung in diesen Bundesländern kann mit einem psychotherapeutischen Szenario verglichen werden. Der „Klient“, also der Wähler, befindet sich in einer Situation, die er als untragbar empfindet: wirtschaftliche Unsicherheit, soziale Spannungen, Bedrohungsszenarien durch Flüchtlinge und das Gefühl, von der Politik im Stich gelassen zu werden. In dieser Lage sucht er nach sofortiger Linderung und wendet sich an diejenigen, die einfache Lösungen versprechen. Die AfD hat es verstanden, dieses Bedürfnis nach schnellen, vermeintlich einfachen Lösungen zu bedienen, indem sie Themen wie Migration und Sicherheit in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt hat.
Diese Wähler fühlen sich oft von etablierten Parteien wie den Grünen, der SPD oder der Linken nicht mehr vertreten, da diese als zu abgehoben und auf urbane, intellektuelle Milieus fokussiert wahrgenommen werden. In ländlichen Gebieten, in denen grundlegende Infrastrukturen wie öffentlicher Nahverkehr und Gesundheitsversorgung oft mangelhaft sind, erscheinen Themen wie Elektromobilität und Diversität weniger relevant. Stattdessen dominieren Sorgen um wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit.
Die CDU hingegen wird von vielen Wählern noch immer als Stabilitätsanker betrachtet. Sie steht für für konservative Werte, was sie besonders für Wähler attraktiv macht, die zwar mit der Radikalität der AfD sympathisieren, aber nicht bereit sind, deren gesamte politische Agenda zu unterstützen. Die Vorstellung einer Koalition zwischen CDU und AfD mag für das politische Establishment (noch) tabu sein, doch in den Augen vieler Wähler könnte sie eine Möglichkeit darstellen, ihre Anliegen endlich ernst genommen zu sehen.
Kluft zwischen politischem Mainstream und Willen der Bürger
Der Kommentar von Harald Schmidt spiegelt daher eine tiefe Kluft zwischen dem politischen Mainstream und dem Willen der Bürger wider. Während eine solche Koalition auf Bundesebene als (noch) ausgeschlossen gilt, sagen uns psychologische Prozesse aber etwas anderes: Oftmals werden neue Denk- und Entscheidungsprozesse von Prominenten oder Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, angestoßen.
Ob Schmidt hier eine Debatte in Richtung Koalition ausgelöst hat, bleibt abzuwarten. Jetzt kommt es darauf an, ob es weitere Befürworter, vor allem in der CDU, gibt, die sich öffentlich für eine solche Koalition aussprechen. Gründe für die scheinbar „Abtrünnigen“, die gegen Friedrich Merz’ Ansage der Absage einer Koalition mit der AfD aufbegehren würden, gäbe es viele: von der demokratisch gewählten Partei, dem Wählerwillen, bis zu einem sehr ähnlichen Gedankengut, das nur Nuancen von der AfD trennt:
Ein kleiner Schritt von der AfD zur CDU – der rechte Flügel der CDU war bisher einfach die sozial verträglichere und gesellschaftlich anerkanntere Variante, daher haben sich viele dort verortet. Doch Prozesse zeigen uns, dass bestimmte, nicht vorhersagbare Dynamiken eine Brandmauer zum Einsturz bringen können.
In einer liberalen Demokratie würde man sagen: „Die Partei ist demokratisch gewählt, also was soll's?“ Sie ist demokratisch gewählt, aber wird als gesichert rechtsextrem eingestuft. Und das ist das Dilemma. Wie verhindert man eine Koalition mit einer demokratisch gewählten Partei, die eigentlich gar nicht als Partei hätte zugelassen werden dürfen?
Bisher konnte und wollte man sich nicht auf ein Verbotsverfahren einigen. Die Gründe hierfür mögen mannigfach sein: aus Angst, das Verfahren nicht zu gewinnen, weil man sie vielleicht doch nicht so als ganz gefährlich einstuft und sich mit dem Gedankengut der AfD identifizieren kann. In der Psychologie würde man von passivem Widerstand sprechen. Es gibt faktisch keinen Grund, ein Verfahren nicht einzuleiten, die Hinderungsgründe liegen vermutlich eher auf der emotionalen Ebene und im Mindset der Entscheider, die ein Verfahren hätten anstoßen sollen.
Vielleicht finden sich ja in den nächsten Wochen Parteien, die einen Ausweg aus der Misere bieten. Aber noch ist diese Geschichte nicht geschrieben. Vielleicht ist Schmidts Aussage ein wenig zu früh gekommen. Sollte sich herausstellen, dass es mit anderen Parteien zu keiner Koalition kommt, würde diese Aussage vielleicht mehr Bedeutung bekommen. Zunächst werden jedenfalls alle anderen Optionen ausgelotet.
Und Harald Schmidts Satz „Solange gewählt wird, haben wir eine Demokratie“ kann nur satirisch gemeint sein. Eigentlich müsste der darauffolgende Satz lauten: „Vorausgesetzt, die Parteien entsprechen allen demokratischen Grundprinzipien“. Was man von einer AfD, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, wohl kaum glauben kann.
Allerdings fürchte ich, Harald Schmidt hat den Satz ernst gemeint.