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"Wie wütend hätten Sie's denn gerne?"

John Malkovich gilt als einer der besten Schauspieler der Welt. Da passt es, dass er in der Sky-Serie "The New Pope" von Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino ("Die große Schönheit") zum Papst gewählt wird. Ein Interview über unsichere Päpste, Spiritualität und das Geheimnis guter Regisseure.

Der Papst tuscht sich die Wimpern, war früher Punker und schleppt ein so gigantisches schlechtes Gewissen mit sich herum, dass Jesus' Leid dagegen mickrig wirkt: In "The New Pope" (Sky Atlantic HD, ab 20. Februar), der Fortsetzung von Paolo Sorrentinos Kirchenfarce "The Young Pope", geht es genauso abseitig und prall weiter wie schon 2016 in der ersten Staffel. Die endete, nachdem der kettenrauchende, Cola-süchtige Pius XIII. (Jude Law) im Koma lag. Seitdem sucht die Kurie nach einem Ersatzpapst und findet ihn schließlich in Sir John Brannox (John Malkovich), einem ebenso intellektuellen wie dekadenten, britischen Aristokraten. Die Rolle ist John Malkovich (66) auf den Leib geschneidert. Der erscheint zum Interview ohne Wimperntusche. Ein Tässchen Tee auf den Knien balancierend, plaudert er über Schuldkomplexe, die Kunst der Inszenierung und guten Geografieunterricht.

teleschau: John Brannox aka Johannes Paul III. trägt reichlich psychischen Ballast mit sich herum...

John Malkovich: In der Tat! John ist ein komplizierter Mensch, der unter den vielen seelischen Verletzungen leidet, die ihm zugefügt wurden. Diese rühren vor allem aus dem Tod seines Zwillingsbruders Adam her.

teleschau: Inwiefern?

Malkovich: Das Geschwisterverhältnis zwischen Zwillingen ist viel komplexer als bei anderen Geschwistern. Wenn dein Zwilling stirbt, dann stirbt auch ein Teil von dir selbst. Außerdem hasst sich John zwar nicht direkt, aber er empfindet sich als die deutlich geringwertigere Hälfte des Brüderpaares und sich selbst auf verschiedenen Ebenen als eine Art Mogelpackung oder als Betrüger.

Ein intellektueller, aber unsicherer Papst

teleschau: Er hat doch selbst erfolgreich Kirchenkarriere gemacht, oder nicht?

Malkovich: Aber Adam war der Lieblingssohn von Johns Eltern, dem jene Kirchenkarriere zugedacht war, vor der John nun steht. Für Adam hätten sich seine Eltern vorstellen können, dass er einmal Papst wird, für John niemals. Und weil Pius XIII. nur im Koma liegt, ist Johannes Paul III. erneut die "Zweitbesetzung". Dann erwacht Pius XIII., und John steht vor dem Scheideweg: Wird er ein ganzer Papst oder endgültig scheitern?

teleschau: Wie ist Ihr persönlicher Bezug zu Religion und Spiritualität?

Malkovich: Manche Leute denken, ich sei der Antichrist ... (schmunzelt). Ich bin nicht religiös, und vermutlich bin ich ebenso wenig oder stark spirituell wie jeder Nächstbeliebige. Paolo Sorrentino hat mich gebeten, bei diesem Projekt mitzumachen. Ich habe den größtmöglichen Respekt vor seiner Arbeit, und die erste Staffel hatte mir sehr gut gefallen. Im Grunde sollte die darstellerische Grenze für einen Schauspieler immer nur die eigene Vorstellungskraft sein - keine privaten Überzeugungen. Ich hatte nie den Wunsch, Leute zu beleidigen. Aber es ist schwierig, treffsicher vorherzusagen, worüber Leute sich aufregen, warum sie sich angegriffen fühlen oder nicht. Also versuche ich, das auch auszublenden.

teleschau: Paolo Sorrentino sagt über sich selbst, er habe Schwierigkeiten damit, mit Schauspielern zu kommunizieren...

Malkovich: Also meine Beziehung zu ihm war toll (lacht). Viele Regisseure können tatsächlich nicht inszenieren, das stimmt. Aber zum Glück gibt es Leute wie Paolo, und das sind nicht viele! Wenn dich Paolo Sorrentino in die "Geografie" einer bestimmten Szene einweist und dir zeigt, wie die Kamera diese Szene einfangen wird, welches Bild die Kamera malen wird, dann weißt du als Schauspieler ganz genau, was du zu tun hast! Ich finde also, dass Paolo hervorragend mit Schauspielern umgehen kann. Soweit mir bekannt ist, hatte keiner der Schauspieler am Set Schwierigkeiten. Paolo Sorrentino weiß sehr genau, was er will - ist aber durchaus offen für Überraschungen und Vorschläge. Aber du musst schnell sein, wenn du eine eigene Idee anbringen willst.

"Es gibt gute Regisseure, die lassen dich absichtlich im Unklaren"

teleschau: Ist die exakte Einweisung in die Szene Kennzeichen eines guten Regisseurs?

Malkovich: Nicht unbedingt. Es gibt gute Regisseure, die kennen die "Geografie" ihrer Szenen sehr gut, lassen dich aber absichtlich im Unklaren. So jemand war zum Beispiel Michelangelo Antonioni, mit dem ich vor Jahren ebenfalls zusammengearbeitet habe ("Jenseits der Wolken", 1995, d. Red.). Das war Teil seines Talents, seines Herangehens an Filme.

teleschau: Sie kommen vom Theater, inszenieren auch dort. Wäre die Bühneninszenierung auch eine gute Vorübung für Filmregisseure?

Malkovich: Im Grunde sind die Inszenierung von Theaterstücken und Filmen nur entfernte Verwandte. Würde es einem Jungregisseur helfen, vorher mal ein Theaterstück zu inszenieren? Es würde ihm vielleicht helfen zu verstehen, was es für einen Schauspieler bedeutet, eine Figur zu erschaffen. Denn den Schauspieler dabei zu unterstützen, seine Figur zu konstruieren, hilft ihm mehr, als das gewünschte Resultat vorzugeben. Ich hatte schon Filmregisseure, die haben nicht inszeniert, sondern mir einfach gesagt: "Können Sie bitte ein bisschen wütender sein?!" "Ja, das kann ich! Wie wütend hätten Sie's denn gerne!? Ich kann sogar noch viel wütender werden!" (lacht)

("The New Pope" ist ab 20. Februar immer donnerstags, 20.15 Uhr, auf Sky Atlantic HD sowie auf Sky Go, Sky Q und Sky Ticket in Deutschland und Sky X in Österreich on Demand abrufbar.)