Wahlen in Italien und Österreich: Warum sich Populismus vor Vernunft fürchtet

Überraschend chancenlos blieb der FPÖ-Kandidat Hofer. (Bild: AP Photo/Ronald Zak)
Überraschend chancenlos blieb der FPÖ-Kandidat Hofer. (Bild: AP Photo/Ronald Zak)

Vernunft ist die neualte Arznei gegen politischen Kopfschmerz. Ihr Wirken und ihr Fehlen zeigte sich am vergangenen Sonntag deutlich.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Vielleicht sollten sich die europäischen Regierungen eine staatliche Investition mal anderer Art überlegen: in Zwangsprogramme zur Erlernung von Atemtechniken, massenhaft, für Alt und Jung – gegen die Schnappatmung und für einen langen Atem. Das hilft nämlich. Vor allem gegen populistischen Bluthochdruck.

In Italien und in Österreich haben die Wähler am vergangenen Sonntag gezeigt, wie sich Atemtechniken auf politisches Handeln auswirken: In der Alpenrepublik führte sorgsam eingeübter langer Atem zu einem Sieg der Vernunft, und weiter südlich handelte sich die Regierung in Rom durch ihr Hecheln einen Schnupfen ein, der sie zu dauerhafter Bettruhe zwingt.

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Österreich erlebte am Sonntag das Finale eines fast einjährigen Wahlkampfs um das Amt des Bundespräsidenten. Sich gegenüber standen der grüne Uni-Professor Alexander van der Bellen und der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer. Während der erste anfangs dröge wirkte und nur die städtischen Wähler ansprach, erschien der zweite dynamisch und hopplahaft, ein Phönix. Doch beim zweiten und dritten Blick, den sich die Österreicher gönnen konnten, wandelte sich das Bild.

Kein Megaphon im Handgepäck

Van der Bellen blieb bei seiner Linie, er lobte Europa und die EU, eine Politik der nicht geschlossenen Grenzen, er redete leise, aber beharrlich einem Kurs des Respekts und gegenseitigen Anstands das Wort. Damit gewann er wohl im Laufe der Monate mehr und mehr Anhänger – so dass sich aus der ursprünglichen Patt-Lage ein deutlich messbarer Vorsprung für ihn ergab.

Hofer dagegen hatte mit der Zeit mit seiner Maskerade zu kämpfen. Wie es sich für einen Rechtspopulisten geziemt, verheimlichte er seine wahren Absichten und verbarg sie hinter kernigen Parolen. Das funktioniert über kurze Zeit, ist aber schlecht für den langen Atem. Immer deutlicher schimmerten seine Referenzen gegenüber faschistischen Traditionen durch – und seine Ambition, das Präsidentenamt aktiver nutzen zu wollen als bisher und wie es die österreichische Politik beschlossen hatte; seine Äußerungen hier und da ließen erkennen, dass Hofer Gesetzeslücken in der Verfassung zu nutzen beabsichtigte, um den Präsidenten mit mehr Macht auszustatten. Das kapierte man so langsam – oder besser gesagt: die Frauen. Denn während Hofer unter Männern durchaus respektable Mehrheiten einfuhr, erteilten ihm die Wählerinnen eine Watsch’n, die in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Renzi hat sich am populistischen Feuer die Finger verbrannt (Bild: Alessandro Di Meo/ANSA/dpa)
Renzi hat sich am Populismus-Feuer ordentlich die Finger verbrannt (Bild: Alessandro Di Meo/ANSA/dpa)

In Italien dagegen entsteht das gleiche Bild, nur spiegelverkehrt. Da verband Ministerpräsident Matteo Renzi seine angestrebte Verfassungsreform mit seiner Person, er rief Geister, die er nicht mehr loswurde. Nun haben sie ihn weggefegt. Man kann über das Für und Wider des italienischen Senats trefflich streiten. Über ihn, in etwa vergleichbar mit dem deutschen Bundesrat, sollten die Italiener in einem Referendum abstimmen. Renzi meinte, das Volk würde ihn derart lieben, dass er mit seinem Ziel der Verfassungsänderung durchkomme. So geschieht es also selbstverliebten Egomanen wie einem Renzi, der jahrelang nur das Bild des “Jungen”, des “Anti-Establishment-Typen” und “Zerstörers” pflegte, anstatt sich um sozialdemokratische Politik zu kümmern, für die seine Partei eigentlich steht. Die PD hatte er gekapert wie einst Silvio Berlusconi den Staat.

Im Zweifel für das Original

Und im Wahlkampf des Referendums scheute sich Renzi nicht, populistischen Quatsch zu erzählen. Er versprach das Blaue vom Himmel und drohte mit den Feuern aus der Hölle, pries sich als Messias. Mit dieser Show kam er nicht durch. Die Rechtspopulisten von Lega Nord und Cinque Stelle nahmen seine Steilvorlage auf und zeigten, wie man echten Populismus fabriziert. Das können sie nämlich noch besser als der Schüler Renzi. Zusammen mit jenen Linken, die Renzi die inhaltliche “Zerstörung” der PD übelnehmen, reichte es zur Abstrafung an den Urnen.

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Hätte Renzi unaufgeregter an der Verfassungsreform gearbeitet, hätte er sie nicht mit seiner Person verknüpft, hätte er einen argumentativen Wahlkampf geführt, sich selbst nicht stets in den Vordergrund und stattdessen die geplante Strukturänderung – er hätte vielleicht gewonnen.

An diesem Wochenende haben Italien und Österreich gezeigt: Vernunft ist nicht sexy. Sie wirkt nur nach längerer Wegstrecke. Aber dafür umso effektiver.

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