Die Wahlkampf-Analyse von Thomas Jäger - Trump lieferte eine Meisterleistung – doch seine größte Schwachstelle ist nun klar
Donald Trump hatte im US-Wahlkampf drei zentrale Aufgaben vor sich. Ihm gelang dabei eine Meisterleistung des politischen Marketings. Doch so geschickt Trump durch den Wahlkampf gesurft ist - seine größte Schwachstelle ist jetzt unübersehbar.
Selten war ein Kandidat so gut auf den Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft vorbereitet wie Donald Trump . Als er am 16. Juni 2015 die Rolltreppe im Trump Tower in New York herabfuhr und seine Kandidatur um das Amt des US-Präsidenten verkündete, hatte er ein Konzept, wie er die Unzufriedenheit vieler Wähler in Wut und Zorn auf das politische System ummünzen konnte, doch sein Wahlkampf 2016 verlief hochchaotisch.
Viele Personalwechsel in den Wahlkampforganisationen und viele Skandale, die einer nach dem anderen herauskamen, belegten, dass es für den Wahlkampf keine gute Vorbereitung gab, weder inhaltlich noch organisatorisch. Doch Trump gewann auch so und seitdem macht er permanent Wahlkampf. Seit neun Jahren prägt er die politische Öffentlichkeitsarbeit in den USA maßgeblich.
Trump ist seit 2015 permanent im Wahlkampfmodus
Während andere Präsidenten nach ihrer Vereidigung ans Regieren gingen, blieb Trump permanent im Wahlkampfmodus.. Er suchte die passenden Bilder für seine PR, nicht die passenden Wege, Politik zu machen. Er wollte an der Grenze mit Grenzschützern und Baumaschinen gefilmt werden, weniger interessierte ihn, dass nur ein paar Grenzzäune ausgetauscht oder ausgebaut wurden.
Ihm ging es um den Schein von Politik, den er seinen Anhängern präsentieren konnte. Auf diese Weise stellte er sich als Dealmaker dar – obwohl er nicht einen Deal in seiner Amtszeit hinbekam. Die Steuerkürzungen waren das Werk von Paul Ryan. Kein Haushalt trug seine Handschrift. Details interessierten ihn nicht. Ihm ging es um die öffentlichkeitswirksame Geste.
Nach seiner Abwahl 2020 intensivierte er seinen zuvor schon als alternative Fakten gewürdigten Umgang mit der Wahrheit ins Absurde: Er habe die Wahl gewonnen, der Sturm auf das Kapitol war ein Beitrag zum politischen Diskurs, die Anklagen wegen Betrugs und sexuellen Übergriffen, nach denen er zu hohen Strafen verurteilt wurde, seien das Werk der Biden-Kriminellen, die ihn fertig machen wollten.
Ob er selbst überrascht war, dass ihm seine Anhänger diesen Unsinn abnahmen, werden wir vielleicht nie erfahren. Jedenfalls war es so: Trump hatte bis 2024 seine Anhänger in die Echokammer einer alternativen Welt geführt, in der er als Anführer einer Sekte seine eigene Wahrheit verkünden konnte. Das waren beste Voraussetzungen für den erneuten Wahlkampf gegen Joe Biden.
Kamala Harris: Plötzlich drehte sich der Spieß um
Ob dieser Wahlkampf am Ende erfolgreich sein wird, werden die nächsten Tage zeigen. Bis zum Ende war es gegen die nach Joe Bidens Rücktritt angetretene Kamala Harris ein-Kopf-an Kopf-Rennen. Dabei gab es im Wahlkampf dramatische Ereignisse, von denen manche Beobachter meinten, sie würden das Ergebnis nachhaltig beeinflussen.
Das erste war der schwache Auftritt von Joe Biden, der sich durch das TV-Duell mit Trump stammelte. Danach schien sicher, dass Biden nicht mehr die Mehrheit der Wählerschaft gewinnen kann. Das Attentat auf Donald Trump verstärkte diese Bewertung, denn aus „fight, fight, fight“ wurde für viele Beobachter umgehend der Wahlsieg aufgrund eines historischen Fotos.
Doch der Spieß drehte sich um. Kurz darauf trat Biden zurück und Harris gelang es, die Enthusiasmus-Lücke zu schließen. Zuvor waren über achtzig Prozent der Republikaner von ihrem Kandidaten Trump begeistert, aber weniger als zwanzig Prozent der Demokraten von Biden. Harris schloss in dieser Hinsicht auf Trump auf, begeisterte die demokratische Wählerschaft.
Trump hatte drei Aufgaben vor sich
Dass beide Kandidaten nur innerhalb ihrer Anhänger punkten konnten, liegt daran, dass die amerikanische Wählerschaft in zwei Betonblöcke geteilt ist: gläubige Republikaner und gläubige Demokraten, die nie die andere Partei wählen würden. Sie machen etwa je ein Drittel aus, die übrigen bilden sich jeweils neu ihre Meinung.
Seine eigenen Anhänger hatte Trump sicher. Die von Harris konnte er nicht gewinnen. Also hatte er drei Aufgaben vor sich:
die eigenen Anhänger auch wirklich zur Wahl motivieren;
so viele Harris-Wähler wie möglich von der Wahl abbringen;
für die unentschiedenen Wähler die bessere Wahl darzustellen.
Was hat Trump gut, was hat er schlecht gemacht?
Trump ist es erneut gelungen, den Informationsraum zu beherrschen. Das war zu Beginn schwierig, denn die Vorwahlen waren langweilig und ereignislos. Nikki Haley konnte er auch – im Vergleich zu Kamala Harris – nur gedämpft beleidigen, weil er die Stimmen ihrer Wähler am Ende einsammeln wollte. Das gelang ihm und Haley, die vor ihm warnte, empfiehlt nun seine Wahl.
Doch war Biden noch unscheinbarer und die Kriege in der Ukraine und Gaza sowie ihre Auswirkungen auf die amerikanische Innenpolitik überschatteten das Geschehen. Trump stand nicht im Mittelpunkt und das grämt ihn nicht nur persönlich, es hindert ihn auch, seinen Wahlkampf zu führen.
Trumps Kampf um mediale Aufmerksamkeit gelang nicht immer
Mit dem TV-Duell wurde es noch schwieriger, denn zuerst waren Bidens Alter, nach seinem Rückzug Harris‘ Neuigkeitswert interessanter als Trump, der nur einmal ein Hoch der medialen Aufmerksamkeit nach dem gescheiterten Attentat verzeichnen konnte. Dann waren wieder alle Augen auf Harris gerichtet.
Doch mit verbalen Ausfällen und wahlkampfspezifischen Einfällen – von Beleidigungen über Pommes eintüten bei McDonalds bis zum Müllwagen – brachte sich Trump seitdem immer wieder an die Spitze der medialen Aufmerksamkeit. Ohne die gelingt die Mobilisierung nicht. Deshalb war dies für ihn wichtig.
Bei den beiden wichtigsten Themen für die Wählerschaft hat Trump bessere Kompetenzwerte. Ihm wird zum einen mehr Wirtschaftskompetenz zugeschrieben. Das liegt aber vor allem daran, dass drei Viertel der US-Bürger angeben, das Land sei unter Biden in die falsche Richtung unterwegs: hohe Inflation, hohe Lebenshaltungskosten.
Dabei ist das in der Sache nur halb richtig. Die durch die Pandemie-Unterstützung und Russlands Krieg ausgelöste kurzzeitig sehr hohe Inflation ist in den USA wieder zurückgegangen und liegt derzeit bei 2,4 Prozent. Doch Mieten und Lebensmittelpreise blieben hoch. Dass auch die Löhne stark stiegen, vergessen manche, wenn sie an der Tankstelle und der Supermarktkasse mehr zahlen müssen als zuvor. Auch die Arbeitslosigkeit ist niedrig, 4,1 Prozent und das Wirtschaftswachstum hoch, um die drei Prozent.
Trump und die Einwanderung: eine Meisterleistung des politischen Marketings
Während die realen Zahlen gut sind, ist die gefühlte Inflation hoch. Das nutzte Trump aus, der das auch mit dem Thema Sicherheit hinbekommt. Während die Kriminalitätsstatistik fallende Zahlen ausweist, redet er den US-Bürgern ein, dass die gefühlte Unsicherheit zunimmt.
Ein Thema, das er stets mit der Angst der Menschen verbindet, ist die Einwanderung. Sie bringe Kriminelle, den Abschaum anderer Staaten in die USA und vergifte das Blut Amerikas. Trump selbst hatte verhindert, dass die Grenze seit Ende 2023 besser gesichert werden konnte, indem seine Gefolgsleute im Kongress das überparteilich vereinbarte Gesetz nicht verabschiedeten.
Warum? Weil Trump keine effektive Grenzsicherung, sondern ein Wahlkampfthema wollte. Dass er auch dies effektiv verstecken konnte, ist eine Meisterleistung des politischen Marketings. Das gilt auch für die vielen Anklagen, die er aus dem Wahlkampf geschickt heraushalten konnte.
An einem Punkt ist Trump blank
Ein Thema hätte Trump gerne aus dem Wahlkampf herausgehalten, doch es gelang ihm nicht. Er schrieb sich den Erfolg zu, dass es in den USA kein bundeseinheitliches Recht auf Schwangerschaftsabbruch mehr gibt. Das wollten seine evangelikalen Wähler so dringend erreichen, als einzige Religionsgruppe übrigens. Trump dachte, dass er das Thema mit dem Argument loswird, dass nunmehr die Bundesstaaten in der Pflicht seien, dies gesetzlich zu regeln. Doch diese machen das erstens sehr unterschiedlich und zweitens wollen drei Viertel der Frauen in den USA eine einheitliche Regelung.
Trump ist hier blank. Sein Vize-Kandidat sekundiert mit irritierenden Äußerungen über Katzenfrauen ohne Kinder und Trump schießt nach, dass er Frauen beschützen wird, ob sie das wollen oder nicht. Am Ende verstieg er sich zur Selbstcharakterisierung als „Vater der Befruchtung“. So wirksam Trumps Kampagne bei vielen Männern ankommt, so sehr verschreckt sie noch mehr Frauen.
Das unterstützt er durch seine Vulgarität. „Grab them by the pussy” war nicht ein Anlass zum Schämen, sondern ist das neue Trump-Normal. Zahlreiche Frauen bezichtigten ihn sexueller Übergriffe, in einem Fall wurde er zu fast 500 Mio. Dollar Strafe verurteilt, 100 Mio. Dollar musste er für die Revision an Sicherheit leisten.
Trump kann nur über die Spaltung politisch leben
Die Konversation zwischen Michael Wolfe und Jeffrey Epstein, die ein paar Tage vor der Wahl veröffentlicht wurde, zählte noch mehr Fälle auf und beschrieb Trumps Verhaltensweisen. Trump gelang es zwar, diese Fälle weitgehend zu überspielen, doch wird sich erst nach den Wahlen zeigen, welch großen (oder eben nicht so großen) Einfluss sie auf die Wahlentscheidung von Frauen gehabt haben.
Zusammen mit dem Thema Abtreibung, das Umfragen zufolge für 24 Prozent der Frauen das wichtigste Thema für ihre Wahlentscheidung ist, könnte dies die größte und engagierteste Gruppe aus der Wählerschaft verprellt haben: die Frauen. Eine Umfrage aus Iowa am Wochenende vor der Wahl bestätigte dies.
So geschickt Trump auch den Wahlkampf surfen kann, so authentisch er als Performer herüberkommt, dem man nur die entsprechende Weste anziehen oder das entsprechende Wort zurufen muss, so wenig ist Trump in der Lage eine politische Koalition aufzubauen, die den Republikanern eine Mehrheit in der Gesellschaft ermöglicht.
Trump lebt vom Spalten, davon, seine Anhänger gegen andere aufzuhetzen, ihnen zu suggerieren, dass im „Kampf um Amerika“ auch Gewalt ein legitimes Mittel sei, denn es gehe ja ums Ganze: die Zukunft der USA, die anderenfalls zu einem Dreckloch verkommen, denn schon jetzt seien sie ein besetztes Land. Der Wahltag sei der Tag der Befreiung.
Das beschreibt weder die USA korrekt noch ist es eine demokratische Auseinandersetzung. Das kann Trump nicht. Er kann nur über die Spaltung der USA in gute und böse Amerikaner politisch leben.
Während er im Wahlkampf 2016 noch nicht so offen mit autoritären Ambitionen warb, ist das inzwischen der Fall. So würde die zweite Amtszeit von Trump auch wahrscheinlich völlig anders verlaufen als die unbeholfen-chaotische erste Amtszeit. Sie wäre auf das Ziel gerichtet, das demokratische System der USA in seinen Grundzügen zu ändern.
Frühere enge Mitarbeiter beschreiben Trump so auch als Faschisten, der seinen Willen über die Verfassung stellen möchte und von staatlichen Ämtern persönliche Loyalität einfordert. Ob die Mehrheit das mitmacht und ihn zum Präsidenten wählt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.