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Wahlkampf: Trumps Irrlichtern in Zeiten von Corona

Trump will in der Corona-Krise den Ton angeben. Dabei fällt er immer wieder mit pseudo-medizinischen Empfehlungen auf. Jüngst bracht er sogar eine lebensgefährliche Virus-Therapie ins Spiel. Die Pandemie breitet sich rasant aus, doch Trump ist stolz auf seine Leistung.

Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.
Donald Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Washington (dpa) - In einer Krise erwarten die allermeisten Amerikaner von ihrem Präsidenten Führungsstärke und wohl überlegte Handlungsempfehlungen.

Sein Wort hat im Krisenfall besonderes Gewicht - selbst für Menschen, die das Staatsoberhaupt nicht gewählt haben und seine Politik ablehnen. Doch US-Präsident Donald Trump leugnete die vom Coronavirus ausgehende Gefahr zunächst wochenlang - entgegen den Ratschlägen seiner Fachleute. Als er die Pandemie dann nicht mehr ignorieren konnte, tat er sich mit pseudo-medizinischen Ratschlägen hervor - manche davon fragwürdig, andere möglicherweise lebensgefährlich.

Keine Panik, wir haben das im Griff

Trump will im November wiedergewählt werden. Seinen Wählern versprach er im Januar und Februar Wachstum, Jobs und Rekordkurse an der Börse. Auch nachdem die ersten Fälle bestätigt waren, wollte er von einer Krise nichts wissen: Die Zahl der Infektionen werde «in ein paar Tagen bei Null sein» sagte er bei einer Pressekonferenz. «Das Risiko für die Menschen in Amerika bleibt sehr gering», sagte er - trotz einer eindringlichen Warnung der Gesundheitsbehörde CDC. Anstatt Vorbereitungen zu treffen, setzte Trump auf Entwarnung.

Inzwischen gibt es in den USA, einem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern, gut 1,1 Millionen bekannte Infektionen - das entspricht etwa jeder dritten Ansteckung weltweit. Mehr als 65.000 Menschen sind infolge einer Infektion gestorben - eine Zahl, die Trump noch Mitte April als Obergrenze ausgegeben hatte. Inzwischen spricht er von bis zu 100.000 Toten - und rühmt sich, seine Regierung habe Schlimmeres verhindert.

Das ist nur wie eine Grippe

Liebe Amerikaner, fürchtet Euch nicht, sondern geht eurem normalen Leben nach, damit die Wirtschaft weiter floriert - das schien noch bis Anfang März Trumps Botschaft zu sein. «Das ist ein bisschen wie die normale Grippe, für die wir Grippe-Impfungen haben», sagte Trump. Auch dafür werde es bald eine Impfung geben. Obwohl die US-Regierung Einreisen aus China, dem Ursprungsland der Pandemie, bereits weitgehend verboten hatte, redete Trump die Bedrohung weiter klein. Auch infolge der Grippe stürben jedes Jahr Tausende, aber das Leben der meisten Amerikaner sei davon nicht berührt, sagte er.

Warnungen von Experten, dass der neue Erreger Sars-CoV-2 wesentlich gefährlicher scheint als die normale Grippe und es dagegen vor nächstem Jahr keine Impfung geben kann, verhallten ungehört. Die hohe Opferzahl spricht inzwischen für sich. Einer Studie zufolge sind zum Beispiel von Februar bis Mitte April in New York etwa 21 Mal mehr Menschen infolge der vom Virus verursachten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben, als sonst im gleichen Zeitraum an der Grippe sterben würden. Als dort zur Aufbewahrung der vielen Leichen Gefrier-Laster eingesetzt und Massengräber ausgehoben wurden, sprach Trump auch nicht mehr von der Grippe, sondern von einer «schrecklichen Pest».

Das Problem wird sich in Luft auflösen

Das Virus werde einfach wieder «wie ein Wunder» verschwinden, sagte Trump zu Beginn der Krise. Sobald das Wetter wärmer und feuchter werde, werde sich der Erreger genauso wie die saisonale Grippe einfach in Luft auflösen, behauptete er seither immer wieder. Experten zufolge gibt es jedoch bislang keine Belege dafür, dass sich das Coronavirus in dieser Hinsicht wie die Grippe verhält. Zudem hat sich das Virus inzwischen auch bereits an Orten mit wärmerem und feuchterem Klima wie zum Beispiel Brasilien oder Singapur verbreitet.

Malaria-Medikament als Wundermittel?

Im März warb Trump fast täglich für ein Malaria-Medikament zur Behandlung von Covid-19-Patienten. Hydroxychloroquin sei ein «Geschenk Gottes», schwärmte er. Warnungen seiner Experten, dass die Wirksamkeit des Medikaments nicht in Studien nachgewiesen sei und dass die Verwendung eines bereits zugelassenen Medikaments für einen anderen Zweck immer Gefahren berge, schlug er in den Wind. «Was haben sie zu verlieren?» fragte er wiederholt. In Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin könne das Medikament «einer der größten Durchbrüche der Geschichte der Medizin sein», so Trump. «Und wenn es nicht läuft wie geplant, wird es niemanden umbringen», behauptete er.

Trotz der Warnungen von Experten stieg die Zahl der Verschreibungen des Medikaments in den USA daraufhin um das 46-fache an, wie eine Analyse der «New York Times» zeigte. Suchanfragen bei Google nach Kaufmöglichkeiten gingen einer Studie zufolge durch die Decke. Ende April warnte die US-Lebensmittel- und Arzneibehörde (FDA) vor dem angeblichen Wundermittel: Es gebe keine Beweise einer Wirksamkeit gegen Covid-19, die Medikamente erhöhten aber das Risiko lebensgefährlicher Herzrhythmus-Störungen. Zuvor hatte eine Studie bei Einnahme der Medikamente eine höhere Sterblichkeit festgestellt.

Antibiotika gegen das Virus?

Trump legte Anfang April nahe, dass Forscher bessere Antibiotika entwickeln müssten, um das Virus zu stoppen. «Der Erreger ist so genial geworden, dass die Antibiotika nicht mehr hinterherkommen», sagte Trump. Das sei jetzt eines «der größten Probleme auf der Welt», sagte er. Antibiotika wirken allerdings nur gegen Bakterien, nicht gegen Viren. Der von Trump vermittelte Eindruck, dass Antibiotika gegen das Coronavirus wirken könnten, ist daher Unsinn. Wenn Covid-Patienten Antibiotika bekommen, geht es darum, gleichzeitig auftretende bakterielle Infektionen zu verhindern oder zu behandeln.

Masken für alle gegen das Virus - aber nicht für mich

Auf Druck der Gesundheitsbehörden rät die US-Regierung seit Anfang April zum Tragen von Alltagsmasken über Mund und Nase. Trump stellte die Empfehlung auf seiner damals täglichen Corona-Pressekonferenz vor - und untergrub die Botschaft sofort. «Das ist freiwillig», sagte er. «Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun.» Auch sein Vize Mike Pence trug unlängst beim Besuch einer Klinik keine Maske - obwohl dies vorgeschrieben war.

«Sich zu weigern, eine Maske zu tragen, ist gefährlich und respektlos», erklärte daraufhin Craig Spencer, ein leitender Mediziner der Columbia-Universität in New York, über Twitter. Spencer forderte bessere Führung in der Corona-Krise: «Wir schneiden schlecht ab, wenn Politiker als Gesundheitsexperten fungieren.»

Bleich - oder Desinfektionsmittel als Lösung?

Ende April führte ein pseudo-medizinisches Gedankenspiel Trumps schließlich zu einem Aufschrei im ganzen Land: Der Präsident spekulierte, ob nicht das direkte Spritzen von Bleich- oder Desinfektionsmittel in den Körper eine gute Coronavirus-Therapie sein könnte. Das zu prüfen, sei Ärzten überlassen, schränkte er ein. «Aber es klingt für mich interessant», sagte er im Weißen Haus.

Experten waren entsetzt, weil eine Injektion oder das Schlucken von Bleich- und Desinfektionsmitteln lebensgefährlich sein kann. Im ganzen Land veröffentlichten Gesundheitsbehörden Warnmitteilungen. Giftzentralen meldeten eine Zunahme von Notrufen im Zusammenhang mit Reinigungsmitteln. Auch die Hersteller der Mittel sprachen drastische Warnungen aus. Angesichts der Empörung behauptete Trump einen Tag danach, seine Vorschlägen seien «Sarkasmus» gewesen.

Wird es im Herbst eine zweite Welle Infektionen geben?

Auf Fragen nach einer zweiten Welle des Virus im Herbst oder Winter reagiert Trump allergisch. Der Erreger werde bald «ausgerottet sein», sagte Trump etwa am Mittwoch. Falls es doch wieder einzelne Infektionen («Glutherde») geben sollte, würden diese rasch unter Kontrolle gebracht werden. Sein medizinischer Berater, der Immunologe Anthony Fauci, warnte allerdings: «Wir werden im Herbst Coronavirus haben, davon bin ich überzeugt.» Wegen der leichten Übertragbarkeit und der globalen Natur des Virus sei dies «unausweichlich», sagte Fauci. Ohne Impfung könne es kein zurück zur Normalität geben.