„Ich war klinisch tot“ - Rainer erleidet Herzstillstand – dann rettet ihn Defibrillator, den er selbst spendete
Rainer Schwab hatte einen Herzstillstand und wurde durch den Einsatz eines Defibrillators gerettet. Ironie des Schicksals: Das Gerät hat er Jahre zuvor selbst gespendet.
FOCUS online: Vergangenen Februar ist Ihnen Unglaubliches passiert. Sie wären fast gestorben, sind im letzten Moment gerettet worden. Sie hatten Glück, könnte man sagen, aber das trifft es eigentlich nicht. Tatsächlich haben Sie die Weichen für Ihre Rettung gut zehn Jahre vorher ein Stück weit selbst gestellt.
Rainer Schwab: Das kann man so sehen, allerdings konnte ich damals natürlich nicht wissen, dass ich eines Tages ausgerechnet durch einen Defibrillator zurück ins Leben geholt werden würde, der dank meiner Initiative vor Ort war.
Vielleicht zunächst zum Geschehen im Februar. Erzählen Sie mal: Was war los?
Schwab: Es war ein kalter, regnerischer Sonntagabend, viertel nach neun. Ich kam ich von der Chorprobe des Männergesangsvereins. Aber das weiß ich nur vom Erzählen. Ich kann mich nicht daran erinnern.
Sie wissen nicht mehr, dass Sie plötzlich umgekippt sind?
Schwab: Das nicht und auch nicht, dass ich davor beim Singen war. Bewusst erinnern kann ich mich an alles, was an diesem Tag bis zum Nachmittag war, bis 15 Uhr etwa.
Wie kann es sein, dass Sie eine so große Gedächtnislücke haben?
Schwab: Als ich später am Abend ins Krankenhaus kam, wurde ich in ein künstliches Koma versetzt. Mein Körper war zweieinhalb Tage lang auf 32 Grad heruntergekühlt. Zur Regeneration des Gehirns. Es ist normal, dass damit das Kurzzeitgedächtnis verschwindet. Das heißt, ich habe die Chorprobe an diesem Abend sozusagen umsonst besucht. Da ist nichts hängengeblieben.
Von wem kennen Sie die ganzen Details?
Schwab: Für den Heimweg war ich mit einem mit Sängerfreund unterwegs. Übrigens: Auch hier hatte ich Glück im Unglück, normalerweise laufe ich von der Chorprobe nämlich allein nach Hause. Der Bekannte hat mir alles genau geschildert. Wie wir, kurz bevor unsere Wege sich trennten, noch ein paar Worte gewechselt haben. Wie ich ihm mein Tablet geben wollte und im nächsten Moment plötzlich vor ihm auf dem nassen, kalten Boden lag. Nicht mehr ansprechbar. Ich hatte einen Kreislaufstillstand mit Herzkammerflimmern.
Heißt das, Sie waren tot?
Schwab: So könnte man sagen, ja. Klinisch tot. Ich war auf der anderen Seite des Flusses, so habe ich es selbst mal formuliert.
Wie ging es weiter?
Schwab: Der Bekannte hat sofort die 112 gewählt. Bei der Rettungsleitstelle sind dann mehrere entscheidende Dinge gleichzeitig passiert.
Welche?
Schwab: Zum einen ist der Bekannte von der Leitstelle instruiert worden. Eine Telefonreanimation sozusagen. Zum Glück, er hat seine Sache gut gemacht. Also die Herzdruckmassage.
Die soll idealerweise sehr kräftig gemacht werden. Angeblich können dabei sogar die Rippen brechen.
Schwab: Das ist bei mir nicht passiert, aber ich hatte hinterher durchaus zwei Monate lang Schmerzen. Ich sag mal so: Das war zu verkraften und natürlich das vergleichsweise kleinere Übel. Die Herzdruckmassage ist unheimlich wichtig, denn nur so bringt man das Blut wieder zum Zirkulieren.
Sie meinten gerade, bei der Leitstelle seien mehrere Dinge parallel passiert. Was noch?
Schwab: Es wurden zwei Signale abgesetzt: Einmal an den Rettungswagen. Und dann an einen Helfer vor Ort hier bei uns im Ort.
Was hat es mit dem Ersthelfer auf sich?
Schwab: Bei uns auf dem Land haben die Rettungswägen teils lange Anfahrtswege, daher gibt es ein so genanntes Ersthelfer-Netz mit Freiwilligen vor Ort. Bei Daniel Müller, der es sich gerade daheim auf der Couch gemütlich gemacht hatte, muss ein oder zwei Minuten nachdem ich umgekippt bin der Piepser gegangen sein.
Sie kennen sich?
Schwab: Ja, seit Jahren. Hardthausen, der Ort in dem ich wohne, hat 4000 Einwohner, Daniel wohnt nicht weit von mir. Ironie des Schicksals: Auch bei dem Einsatz, der letztlich Auslöser für die Anschaffung des Defis war, mit dem ich gerettet wurde, war Daniel als Ersthelfer da.
Was ist damals passiert?
Schwab: Damals, vor bald elf Jahren, waren die Landfrauen bei meiner Frau und mir zu Besuch. Eine der Frauen ist kollabiert, hatte einen Kreislaufstillstand. Wir haben einen Notruf abgesetzt und auch die Herzdruckmassage gestartet, bis der Ersthelfer kam.
Daniel also.
Schwab: Richtig. Ich höre noch genau seine Worte: „Wir brauchen einen Defibrillator.“
Und?
Schwab: Ich habe blitzartig geschaltet, bin zur Bankfiliale ein paar Ecken weiter.
Weil da ein solches Gerät hing?
Schwab: Ja, als einer, der damals im Vorstand der Bank war, wusste ich das natürlich. In allen unseren Geschäftsstellen hingen Defibrillatoren im Foyer. Die Frau konnte stabilisiert werden. Hinterher habe ich mir gedacht: Es kann ja nicht sein, dass wir mit Glück an dieses Gerät gekommen sind - und auch viele öffentlichen Plätze, Sporthallen, Einkaufszentren, sind zunehmend entsprechend ausgestattet. Aber die Helfer vor Ort, die haben solche Geräte nicht.
Und das wollten sie ändern?
Schwab: Genau. Am nächsten Tag habe ich mich mit meinem Kollegen abgesprochen und wir haben das Rote Kreuz kontaktiert. Im Ergebnis wurden alle vier Helfer vor Ort in unserem Gebiet mit Defibrillatoren ausgestattet.
Also auch Daniel?
Schwab: So ist es.
Wie ging es weiter, als er mit seinem Defi bei Ihnen eintraf?
Schwab: Die beiden Männer haben im Team gearbeitet. Mein Chorfreund hat weiter die Herzdruckmassage gemacht, Daniel hat parallel dazu den Defibrillator angeschlossen und nach dem Anbringen der Klebeelektroden geschaut, ob das Gerät zum Einsatz gebracht werden kann.
Woran erkennt man das?
Schwab: Daniel erkennt sowas. Er hat einige Jahre Erfahrung auf dem Buckel. Aber selbst der Laie sollte in so einer Situation beherzt eingreifen. Das Gerät fängt an mit einem zu sprechen und gibt Anweisungen. Es registriert den Herzrhythmus des Patienten und meldet dann Dinge wie: „Schock empfohlen!“ Oder auch: „Bitte Patient nicht berühren.“ Und dann wieder: „Bitte fahren Sie mit der Herzdruckmassage fort.“ Klar, um wirklich fit im Umgang zu sein, sollte man einen Erste-Hilfe-Kurs besucht haben. Die Anwendung eines so genannte AED´s ist fester Bestandteil der Kurse.
Was hat der Einsatz des Defis bei Ihnen bewirkt?
Schwab: Schon nach dem ersten Schock und noch eine ganze Weile, bevor Rettungsdienst und Notarzt eingetroffen sind, soll ich wieder geatmet haben. Bei einem Herzstillstand zählt wirklich jede Minute, um – wenn man überhaupt überlebt - keine Schäden durch den Sauerstoffmangel davontragen.
Und das ist bei Ihnen der Fall?
Schwab: Ja, obwohl ich insgesamt rund zehn Minuten lang ohne Kreislauf war. Ich war elf Tage im Krankenhaus, bin tatsächlich komplett ohne Folgeschäden entlassen worden. Heute geht es mir gut, sehr gut, sogar. Ich bin gesund, kann ein ganz normales Leben führen, ohne irgendwelche Einschränkungen. Ich bin mir ganz sicher: ohne Daniel und ohne den Defi wäre das anders gelaufen.
Und auch ohne Ihr eigenes Engagement muss man wohl ergänzen. Was macht das mit einem, wenn man realisiert, dass man sich im Grunde selbst das Leben gerettet hat?
Schwab: Da denke ich nicht wirklich darüber nach. Ich bin eher jemand, der nach vorne schaut und sich überlegt, wie Situationen weiter verbessert werden können.
Indem auch Ersthelfer in anderen Regionen mit Defibrillatoren ausgestattet werden?
Schwab: Zum Beispiel. Und indem die Menschen insgesamt verstehen, wie wichtig Erste Hilfe ist. Viele haben hinterher gesagt: Da hätte ich aber nicht gewusst, was ich vor Ort hätte tun müssen. Da kann ich nur eins sagen: In dem Fall wird es Zeit, die eigenen Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen. Entsprechende Kurse werden wirklich überall angeboten.