„War schon immer eine Ich-AG“ - Um 17.03 Uhr schlich Wissing zum Kanzler - und sah später zu, wie Lindner fiel

Um 17.03 Uhr schlich Wissing zum Kanzler - und sah später zu, wie Lindner fiel.<span class="copyright">dpa</span>
Um 17.03 Uhr schlich Wissing zum Kanzler - und sah später zu, wie Lindner fiel.dpa

Am Mittwochabend überschlagen sich die Ereignisse. Lindner und die FDP-Minister müssen gehen, die Ampel-Koalition platzt. Volker Wissing bleibt jedoch und bekommt sogar ein zweites Ressort. Basis dafür war ein Geheimtreffen mit Kanzler Olaf Scholz - noch vor dem Koalitionsausschuss.

Volker Wissing steht am Tag nach dem Ampel-Aus plötzlich im Mittelpunkt - und das nicht aufgrund seiner inhaltlichen Tätigkeit als Verkehrsminister. Statt mit seiner Partei, der FDP, aus der Ampel-Koalition zu gehen, bleibt der 54-Jährige der rot-grünen Restregierung treu. Menschen, die ihn kennen, überrascht das nicht. Dabei soll Wissings Zukunft schon vor dem Koalitionsausschuss ausgemacht gewesen sein.

Um 17.03 schlich Wissing laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung bereits zum Kanzler - lange bevor die FDP-Delegation zum Koalitionsausschuss eintraf. In dem Treffen soll er mit ihm vereinbart haben, Minister zu bleiben. Später dann saß Wissing im Koalitionsausschuss, ohne seine Noch-FDP-Kollegen informiert zu haben. Als Lindner fiel, war Wissing dabei - kurz darauf machte er sich rar, bis am Donnerstag die Bombe platzte, Wissing aus der FDP austrat, um Minister zu bleiben.

Parteiverrat - diesen Vorwurf machen viele Ex-Parteikollegen dem nun parteilosen Wissing. Dabei erinnert der Vorgang an sein Verhalten in Rheinland-Pfalz. Als Spitzenkandidat der FDP propagierte er im Wahlkampf „keine Unterstützung rot-grüner Politik“ - nur um kurz darauf ein Ampel-Bündnis mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu schmieden, das reibungslos regierte.

FDP-Spitzen: Parteivize Johannes Vogel, Verkehrsminister Volker Wissing, Finanzminister Christian Lindner während eines Koalitionsausschusses auf einem Balkon des Bundeskanzleramts<span class="copyright">Foto: dpa/Christophe Gateau</span>
FDP-Spitzen: Parteivize Johannes Vogel, Verkehrsminister Volker Wissing, Finanzminister Christian Lindner während eines Koalitionsausschusses auf einem Balkon des BundeskanzleramtsFoto: dpa/Christophe Gateau

 

„Schon immer eine Ich-AG“: Wissing sah zu, wie Lindner fiel

„Wissing war schon immer eine Ich-AG“, sagt ein Liberaler, der Wissing lange kennt, zu „ Bild “. „Dem war die FDP egal, dem ging es vor allem um sich selbst.“ Ein anderer Weggefährte schimpft, dass grade der Jurist wissen müsse, „was Parteiverrat bedeutet“. Wissing ist weiter Teilhaber der von ihm gegründeten Kanzlei Wissing Rechtsanwälte PartGmbB und besitzt ein Rückkehrrecht in diese. Dass er erstmal nicht darüber nachdenken muss, dieses in Anspruch zu nehmen, liegt auch an seinem Treffen mit Scholz am Mittwoch.

Wenig später saß Wissing am Mittwoch im Ausschuss, in dem die Ampel zerbrach - seine FDP-Kollegen hatten dabei keine Ahnung, dass er schon zuvor mit Scholz gesprochen hatte. Wissing sah zu, wie Lindners Neuwahl-Vorstoß abgeschmettert wurde, wie Scholz Lindner entließ - und dann war er weg. Krank meldete sich der Noch-FDP-Minister ab, war telefonisch nicht erreichbar und war auch nicht auf dem Foto der FDP-Minister, die am späten Abend geschlossen zurücktraten. Da dachten noch die meisten, dass er trotzdem gehen wird - ein Irrtum.

Ganz überraschend kam aber Wissings Bekenntnis zur Restregierung inklusive Austritt aus der FDP nicht. Seit Monaten war sein Verhältnis zu Lindner, der immer mehr auf Konfrontationskurs zur Ampel gegangen war, abgekühlt. Am vergangenen Wochenende schrieb Wissing einen Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und nannte einen möglichen Rückzug aus der Ampel „respektlos vor dem Souverän“. Dass Lindner genau damit drohte, wusste Wissing genau - und zog seine eigenen Konsequenzen.

Nach dem Bruch: Volker Wissing neben FDP-Chef Christian Lindner (FDP), dem ehemaligen Finanzminister.<span class="copyright">Foto: dpa/Christoph Soeder</span>
Nach dem Bruch: Volker Wissing neben FDP-Chef Christian Lindner (FDP), dem ehemaligen Finanzminister.Foto: dpa/Christoph Soeder

 

Als er zum Doppel-Minister befördert wird, erhält Lindner beim Bundespräsidenten seine Entlassungsurkunde. Beim anschließenden Foto stehen die einstigen Weggefährten dann nebeneinander - und würdigen sich keines Blickes. Ein Sinnbild des Risses, der am Ende nicht nur die FDP von der Ampel, sondern auch Wissing von der FDP trennte.