Er war ein Superstar, er war populär - und so allein

Falco wäre am 19. Februar 65 Jahre alt geworden. Noch heute kennt jedes Kind den Weltstar aus Österreich. Oder eher das Bild, das er nach außen trug. (Bild: Nora Schuster/Imagno/Getty Images)
Falco wäre am 19. Februar 65 Jahre alt geworden. Noch heute kennt jedes Kind den Weltstar aus Österreich. Oder eher das Bild, das er nach außen trug. (Bild: Nora Schuster/Imagno/Getty Images)

Ein Bonmot des größten österreichischen Popstars aller Zeiten lautet: "Also ich glaube, wenn du Hans Hölzel heißt und 1981 im Musikgeschäft antreten willst, dann kannst du damit keinen Preis gewinnen": Hölzel nannte sich Falco und wurde zur Legende. Am 19. Februar wäre er 65 Jahre alt geworden.

Ein wenig erinnert Falco auf dem Bild, das in einem großen Rundbogen über seinem Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof angebracht ist, an eine Fledermaus, die zum Flug ansetzt. Die Arme sind zur Seite gestreckt, der Mantel ist ausgebreitet, und der Blick ist nach oben gerichtet. Dieser Mann liebte die großen Gesten, die Inszenierung, die Show. Bis heute ist er der einzige deutschsprachige Künstler, dem es gelang, mit einer Nummer in seiner Muttersprache an die Spitze der US-Charts zu stürmen (1986 mit "Rock Me Amadeus"). Falco - das ist eine Legende und ein Mysterium, der Mann, der sich hinter der Kunstfigur Falco zu verbergen versuchte, ist bis heute ein Rätsel. Johann Hölzel, wie der österreichische Entertainer mit bürgerlichem Namen hieß, verstarb am 6. Februar 1998 bei einem Autounfall in der Dominikanischen Republik. Am 19. Februar wäre Falco 65 Jahre alt geworden.

Noch heute kennt jedes Kind den Weltstar aus Österreich. Oder eher das Bild, das er nach außen trug: Falco, das war Pose und Pomade, war Stil und Skandal, Exzess und Emotion. Falco war eine Kunst- und Kultfigur, wie es sie heute eigentlich nicht mehr gibt - im Ansatz vielleicht vergleichbar mit einem David Bowie, einer Lady Gaga oder auch mit einer prägnanten Kunstmarke, wie die Band Rammstein erschuf.

Er wolle dereinst sterben wie James Dean, soll der Austrorocker mehrmals geäußert haben. Über seinen tödlichen Verkehrsunfall in der Dominikanischen Republik kurz vor der Veröffentlichung des Albums "Out Of The Dark", in dessen Titelsong es unter anderem heißt "muss ich denn sterben, um zu leben?", wird folglich bis heute viel spekuliert. War es nicht vielleicht doch Selbstmord?

Er liebte die großen Gesten: Falcos Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof. (Bild: teleschau / Derks)
Er liebte die großen Gesten: Falcos Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof. (Bild: teleschau / Derks)

"Die Selbstmordtheorie ist vom Tisch"

Falcos Texte waren für ihre Doppeldeutigkeit berühmt. Doch ein langjähriger Vertrauter hatte vor ein paar Jahren endgültig genug von Spekulationen und wüsten Deutungsvarianten. "Der Mensch Hans Hölzel hat die Kunstfigur Falco nicht erfunden und so viele Lieder geschrieben, um dann nur durch den Dreck gezogen zu werden", erklärte Filmemacher Rudi Dolezal, der seinem Freund vor fünf Jahren, zum 60., ein einfühlsames Porträt gewidmet hatte: einen Film, in dem er nach eigenem Bekunden "erstmals die ganze Wahrheit" zutage fördert ... "Falco - Die ultimative Doku" wurde damals auf Kabel Eins erstausgestrahlt. Dolezals sehenswerter Film beleuchtete mit exklusiven Recherchen, bis dato unveröffentlichten Tagebuchnotizen, Interviewausschnitten sowie vielen prominenten Zeitzeugen-Statements die emotionale Berg- und Talfahrt des Künstlers Falco und des Menschen Hans Hölzel, der wohl ein eher sensibler, tiefsinniger Mensch war.

"Wenn ich morgen meinem Gott gegenüberstehe, kann ich ihm sagen: 'Ich bin unschuldig. Ich habe niemanden betrogen, ich habe niemandem wehgetan, außer mir selbst.' Und das wird er mir verzeihen." - Mit solchen Gedanken hat sich Hans Hölzel in Tagebucheinträgen dem Unvermeidlichen entgegenphilosophiert. Hölzel, weiß Dolezal, "war ein witziger, zuvorkommender, intelligenter, belesener, netter, kollegialer Mensch". Und dann gab es Falco: "Der war meistens a Arschloch: angesoffen unerträglich."

Klare Worte, die Doleza (64)l, der einst mit Hannes Rossacher die legendäre DoRo Produktion gegründet und über 2.000 Musikvideos, darunter auch die Clips zu allen Falco-Hits, produziert hat, dann auch nicht kommentarlos wirken lässt. Dolezal: "Warum das so war, das hat vielleicht auch mit diesem unfassbaren Erfolg zu tun. Die Mitglieder der Band Opus, die auch in der Doku vorkommt, sagen, sie waren zu viert, als sie 1984 ihren großen Hit 'Live Is Life' hatten - Falco war allein." In seinem Film, behauptet Dolezal nicht zu Unrecht, lerne man "den Menschen kennen, wie man ihn noch nicht kannte".

Aber Dolezal ging es auch darum, zu ergründen, "was damals wirklich passiert ist". Gemeint ist natürlich Falcos Lebensende. Um das grauenhafte Szenario, das sich am 6. Februar 1998 auf einer Landstraße nahe Puerto Plata ereignete, rankten sich sofort wieder die Boulevardschlagzeilen, nachdem vor fünf Jahren einige Ausschnitte aus Dolezals Doku vorab und wohl auch ein wenig voreilig interpretiert worden waren. Die Faktenlage erklärte Dolezal im Gespräch mit der Agentur teleschau so: "Es war ein Unfall - Hans Hölzel ist von der Kupplung abgerutscht und fuhr mit seinem Wagen voll in diesen Bus rein. Die Selbstmordtheorie ist vom Tisch." Allerdings sei nun auch klar, dass der damals 40-jährige Falco kurz vor seinem Tod seinen besten Freund Hans Reinisch angerufen hatte - der ehemalige EMI-Chef, der in der DomRep lebt, kommt im Film ausführlich zu Wort. "Das war ein Hilferuf", betont Dolezal. "Der Reinisch ist drei Minuten zu spät gekommen."

"Wenn ich morgen meinem Gott gegenüberstehe, kann ich ihm sagen: 'Ich bin unschuldig. Ich habe niemanden betrogen, ich habe niemandem wehgetan, außer mir selbst.' Und das wird er mir verzeihen." - Mit solchen Gedanken hat sich Hans Hölzel in Tagebucheinträgen dem Unvermeidlichen entgegenphilosophiert (Bild: Peter Noble/Redferns)
"Wenn ich morgen meinem Gott gegenüberstehe, kann ich ihm sagen: 'Ich bin unschuldig. Ich habe niemanden betrogen, ich habe niemandem wehgetan, außer mir selbst.' Und das wird er mir verzeihen." - Mit solchen Gedanken hat sich Hans Hölzel in Tagebucheinträgen dem Unvermeidlichen entgegenphilosophiert (Bild: Peter Noble/Redferns)

"Vorher drei Nächte nicht geschlafen"

Falco war, so erzählt es der Film, damals in einem desolaten Zustand. "Er hatte nicht nur diese eine Nacht durchgemacht, er hatte vorher drei Nächte nicht geschlafen", berichtet Dolezal, den noch immer die Wut packt, wenn er an die damalige Zeit zurückdenkt. Denn: "Falco war lange trocken in der DomRep, er war clean", sagt der Filmemacher. "Aber er ist dann rückfällig geworden mit Alkohol und Drogen." Thematisiert wird im Film, dass sich Hölzel wenige Wochen vor seinem Tod unsterblich in eine junge Frau, Selina, verliebt hatte. "Doch sie trennte sich wieder von ihm, es brach ihm wohl das Herz", so Dolezal, aber die Wahrheit sei eben auch: "Sein Rückfall wurde aus der Heimat importiert. Das Kokain wurde von vermeintlichen Freunden aus Österreich auf die Insel geschleppt, zum Teil im Gitarrenkoffer geschmuggelt, und Falco hatte plötzlich wieder Gefallen gefunden an diesem Leben, das er eigentlich schon hinter sich gelassen hatte."

Doch obwohl der Newswert dieses Porträts beeindruckend war - kaum einer wusste bis dato zum Beispiel, dass Falco einige Wochen vor seinem Tod schon mal einen Autounfall hatte -, sind es am Ende weniger die Fakten zu Falcos Tod, die einen ins Grübeln bringen, sondern die grundsätzlichen Fragen zum Leben eines Superstars, einem Leben unter Beobachtung und Erwartungsdruck der Medienöffentlichkeit.

Falco habe "schon gewusst, dass er genügend Angriffsfläche bietet", sagte der langjährige Wegbegleiter vor fünf Jahren. "Wennst' 15-mal in Hotellobbys umfällst und ins Hotelzimmer geschleift wirst, dann steht's halt am nächsten Tag in der 'Bild'-Zeitung." Deshalb: "Wir können das Denkmal anpinkeln, er hat ja auch nach allen Richtungen gepinkelt, aber wir wollen's nicht umwerfen." Ihm gehe es darum, "dass hier der Mensch und auch der Künstler im Vordergrund steht". Und dass in der Beurteilung unterschieden werde: "Die Figur Falco wurde von Hans Hölzel erfunden, und sie war in sich authentisch: ein bewusster Gegenpol und ein Schutzschild, damit er nichts von sich selbst preisgeben muss."

Die Sonnenbrille gehörte dazu: Falco live on stage. (Bild: Bernd Muller/Redferns)
Die Sonnenbrille gehörte dazu: Falco live on stage. (Bild: Bernd Muller/Redferns)

"Eine Ikone der Popmusik"

Würde Falco noch leben, dann wäre er wohl kein exaltierter Superstar mehr, sondern, man höre und staune, "ein erfolgreicher Buchautor", meint jedenfalls Rudi Dolezal. Denn genau davon habe Falco immer geträumt: "Irgendwo schön leben und einmal im Jahr ein Buch schreiben." Und: "Was er sich auch immer gewünscht hatte, war, dass seine Texte beurteilt werden, nicht nur die Hits, die Videos oder er als Person. Er verstand sich als Künstler, er hatte ja was zu sagen - nur wollte das damals keiner hören." Dolezal zeigte sich im teleschau-Gespräch auch überzeugt: Würde Falco heute in einer Castingshow auftreten, würde er die erste Runde nicht überstehen, denn "jemand wie er entspricht nicht dem gängigen Bild".

Wobei man schon sagen muss, dass Falco auch damals total daneben wirkte - dieser einzige widersprüchliche Wahnsinn von einem Popstar, ein smart gegelter Punk, ein Rock-Philosoph im Anzug, eine krasse Kunstfigur, wie man sie bis dato im deutschprachigen Raum überhaupt nicht kannte - sie knallte wie ein Fremdkörper in die Popwelt der 80er-Jahre. Aber dieser Falco passte dann doch irgendwie perfekt in die Zeit: als klassischer Antipode. Dolezal sieht das genauso: "Boah, haben die Leute gesagt, der traut sich was, der ist geil." Für ihn ist er "ein Weltstar, der einzige aus Österreich, eine Ikone der Popmusik!"

Es ist natürlich müßig, zu fragen, wie Falco sich und sein Werk heute selbst einordnen würde. Eine Freude wäre so ein Gespräch aber ganz gewiss, auch wenn es von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Ein weiteres berühmtes Falco-Zitat, wohl aus dem Jahr 1990, spricht Bände: "Wenn mich ein intelligenter Medienkollege fragt: Falco, jetzt sag uns einmal ganz klar: Wieviel von dir ist Falco und wieviel Hans Hölzel?, kriege ich einen schizoiden Anfall."

Jeder kennt ihn - noch immer: Falco in jungen Jahren. (Bild: Michael Ochs Archives/Getty Images)
Jeder kennt ihn - noch immer: Falco in jungen Jahren. (Bild: Michael Ochs Archives/Getty Images)