Waris Dirie: Auch in Europa werden Mädchen verstümmelt

Waris Dirie kämpft gegen FGM

Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) wird nicht nur in Afrika praktiziert. Model und Bestsellerautorin Waris Dirie, die im Alter von fünf Jahren die Qualen der Beschneidung erlebte, beschreibt in ihrem Buch "Schmerzenskinder" (Knaur TB, 272 Seiten, 9,99 Euro), wo und wie auch in Europa dieses grausame Ritual vollzogen wird und wie viele Betroffene es hier gibt. "Laut Schätzungen von NGOs liegen die Zahlen zwischen 700.000 und 1 Million betroffener Frauen, davon leben alleine 180.000 in Großbritannien", erklärt sie im Interview mit spot on news.

Um an die Frauen, die körperlich und psychisch leiden, heranzukommen und ihnen zu helfen, setzt Waris Dirie auf "Aufklärung an Schulen, Universitäten, in Spitälern, bei Kinderärzten, Gynäkologen in den Communities, bei Asylwerbern" - das sei "absolut notwendig". Die Desert Flower Foundation biete ganzheitliche medizinische Betreuung in den Desert Flower Centers in Berlin, Amsterdam und Stockholm an.

"Gesetze gibt es nun wirklich genug"

Häufig werden auch junge Mädchen aus Europa in die Heimat ihrer Eltern geschickt, um sie dort beschneiden zu lassen. Verhindert werden könne dies, "indem man die Eltern und Großeltern auf den Flughäfen informiert, dass die Mädchen nach ihrer Rückkehr kontrolliert werden und die Eltern für ihre Unversehrtheit haftbar sind. In Großbritannien wurden in den Sommerferien Passagiere von Hunderten Flügen von den Behörden so informiert und einigen Mädchen die Ausreise untersagt, da Gefahr im Verzug war", erklärt Waris Dirie.

In ihrem Buch macht sie zudem darauf aufmerksam, dass auch in Europa kleine Mädchen immer wieder verstümmelt werden. Würden strengere Gesetze helfen? "Nein, Gesetze gibt es nun wirklich genug, aber die helfen nicht, wenn niemand deren Einhaltung kontrolliert. Ich fordere seit Jahren, dass alle Mädchen, so wie in Frankreich, regelmäßig untersucht werden. Wird eine Verstümmelung festgestellt, kommt es zur Anzeige, einem Prozess und es folgen immer Haftstrafen für die Täterinnen."

Und Waris Dirie fordert weiter: "Wer nicht zur Untersuchung kommt, verliert zuerst die staatliche Unterstützung und dann sein Aufenthaltsrecht. Das hilft und ist gerechtfertigt. Denn nur so können wir unschuldige kleine Mädchen vor diesem grausamen Verbrechen schützen."

"FGM ist Folter"

Die Autorin hat immer wieder beschrieben, wie grausam das Verstümmelungs-Ritual ist. Nur selten aber wird drohende FGM beispielsweise in Deutschland als Asylgrund anerkannt: "FGM ist Folter und muss ein Asylgrund sein. Das fordere ich seit Jahren! Die Mädchen werden für immer körperlich und seelisch zerstört", sagte Waris Dirie.

Und was sagen die Männer zu FGM? "Viele afrikanische Männer sind gegen FGM, vor allem wenn sie eine Genitalverstümmelung, wie zum Beispiel in meinem Film 'Wüstenblume', sehen. Sie wollen aber dann trotzdem keine 'unbeschnittene' Frau heiraten, da sie Angst haben, dass ihnen diese dann untreu sein wird.

Das Problem ist, dass Frauen in Afrika überhaupt keine Rechte haben. Du darfst sie verkaufen, schlagen, verstümmeln und wenn du sie nicht mehr willst, wirfst du sie einfach raus. Die Männer müssen erst einmal lernen, Frauen zu respektieren, denn sie erhalten oft alleine die Familie, arbeiten von früh bis spät, ziehen die Kinder groß. Sie sind das Rückgrat Afrikas!"

Foto(s): ddp images