Warum man Xavier Naidoos Auftritt in Rosenheim nicht verhindern sollte

Xavier Naidoo gehört zu den erfolgreichsten aber auch umstrittensten Musikern Deutschlands (Bild: Getty Images)
Xavier Naidoo gehört zu den erfolgreichsten aber auch umstrittensten Musikern Deutschlands (Bild: Getty Images)

Ein Bündnis stellt sich gegen den Sänger. Und stellt damit die eigenen Werte in Frage.

Ein Kommentar von Jan Rübel

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Keine Frage, man sollte Xavier Naidoo schon spüren lassen, in welcher Welt er lebt. Der Soulsänger meint, Deutschland sei kein freies Land und als Christ bewege er sich in der Endzeit – da kann Rosenheim ihm ja zeigen, was an seiner komischen Denke dran ist.

Naidoo soll dort auftreten, im Rahmen eines Festivals, und dazu gibt es einen Streit. Ein Bündnis, losgetreten von der Grünen Jugend, will seinen Gesang verhindern – wegen seines Gedankenguts, das Naidoo in Interviews, aber auch in Liedtexten offenbart. Wer Naidoo länger zuhört, vermutet tatsächlich bei ihm einen politischen Knacks.

Der Sänger bedient Klischees gegenüber Schwulen. Er mag wohl auch Verschwörungskram jeglicher Art, rasch wittert er „das System“, wo ich noch planlos durch die Gegend laufe. Und er konstruiert auch, ohne rot zu werden, Anspielungen an jüdische Banker, die angeblich in die Finanzkrise verstrickt waren. Entweder serviert Naidoo einem rechten Fanzirkel seine Häppchen, die nur böse schmecken, aus finanziellem Kalkül oder er ist selbst verfangen in einer beschränkten Welt, die ohne Groll gegen Andere, die er als Gruppe ausmacht, nicht auskommen mag.

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Vielleicht ist Naidoo einer, den man an die Hand nehmen müsste, ihm die Welt erklären sollte, wie sie wirklich ist. Unwidersprochen jedenfalls sollten seine Gedanken, die Böses in sich tragen, nicht sein. Also seinen Auftritt wieder absagen?

Verbal daneben

In Rosenheim ist einiges schief gelaufen. Da bescheinigen die Rufer nach einer Absage Naidoo, er sei ein „Hassmusiker“. Dieser Begriff ist offensichtlich geborgt vom „Hassprediger“ – und der ist so oft in Deutschland falsch gebraucht worden, dass er sich von selbst erledigt hat. Es mag Hassprediger geben, aber in Deutschland wird ja ein Muslim, der den Bart ein paar Zentimeter länger trägt, zum Hassprediger. Diese beiden Begriffe polarisieren nur, sie gehören in die Mottenkiste.

Anders herum hat sich die Stadt Rosenheim einen kapitalen Fehlgriff geleistet, in dem sie die Protestler gegen Naidoos Auftritt in die Nähe von „Gesinnungsschnüffelei“ rückte. Vielleicht sollte man den Politikern in Rosenheim ein Wörterbuch schenken.

Natürlich muss man schnüffeln! Natürlich ist genau hinzuhören, wenn gerade Prominente sich politisch äußern. Einen Fußballer wie Anis Ben Hathira hat das gar seinen Job gekostet, der musste bei Darmstadt 98 gehen, weil er sich für einen salafistischen Verein engagierte. Weniger fundamentalistisch unterwegs ist Naidoo nicht.

Hinhören ist angesagt

Wir leben in einer Zeit, in der die Werte des Respekts immer öfter unter die Räder geraten. Leute werden rascher beleidigt, Menschen werden nicht als Menschen angesehen, sondern als „die da“. Manche sehen Bedrohungen, wo keine sind. Lügen erhalten irrigerweise eine Aufwertung zu „alternativen Fakten“ und Menschen informieren sich zunehmend nur über das, was sie wissen möchten. Die Weltsicht verengt sich. Da passt einer wie Naidoo rein.

Daher sollten seine Worte nicht einfach so verhallen. Wenn wir aber denken, die Werte des Respekts und der Würde zu verteidigen, indem wir den Wert der Freiheit beschneiden, schießen wir uns ins Knie. Werte lassen sich selten gegeneinander ausspielen.

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Naidoo ist kein Künstler, der bei jedem seiner Auftritte mit Hassparolen um sich wirft. Meist singt er von Liebe und so. Verbietet man ihm einen Auftritt, wäre das nur Wasser auf die Mühlen seiner beschränkten Weltenburg. Man sollte ihn stattdessen einladen, ihn in Gesprächen fragen, fragen und fragen. Man sollte ihm die Welt in Rosenheim und out of Rosenheim präsentieren. Mit Blaffen kriegt man die Angst, die in seiner Seele wohl nagt, sicher nicht weg. Eher durch Anlächeln.

Die Rosenheimer sollten Naidoo also einen freundlichen wie kritischen Empfang bereiten. Ihm auf den Zahn fühlen und reden. Inwiefern Naidoo sich und seine Meinungen hinterfragt, wissen wir ja nicht.

Mehr über die Kampagne gegen Xavier Naidoos Auftritt im Video: