Warum wir mehr Taxis übers Mittelmeer brauchen

Beatrix von Storch auf einem Parteitag der AfD (Bild: dpa)
Beatrix von Storch auf einem Parteitag der AfD (Bild: dpa)

Wer Fliehende auf hoher See rettet, ist blöd – so sehen es die AfD und manche in der CSU. Mir fehlen einfach deren Scharfsinn und Weitblick. Ein Plädoyer für die Dummheit.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Manchmal frage ich mich, ob es für Beatrix von Storch eine Freude oder eine Last ist, so viel Bescheid zu wissen. Ich stelle sie mir vor wie eine Lehrerin, die an der Ignoranz ihrer Schützlinge verzweifelt, so selbstsicher tritt sie auf. Und dann diese Ausrufezeichen: „Sie!begreift!es!nicht!“, postet sie in kreativem Neudeutsch auf Facebook über Kanzlerin Angela Merkel (CDU), weil diese in Reaktion auf die Terroranschläge von London verlautbarte: „Es ist unbegreiflich, dass jemand ein fröhliches Popkonzert ausnutzt, um so vielen Menschen den Tod zu bringen oder ihnen schwere Verletzungen zuzuführen.“

Ich finde es auch unbegreiflich, kann das Kalkül der Terroristen zwar nachvollziehen, eine Mischung aus maximalem Verängstigungspotenzial und Feigheit, vielleicht garniert mit einer Portion zynischen Humors, aber sprachlos macht solch Leid schon.

Sprachlosigkeit war indes noch nie ein Problem für von Storch. Sie erklärt Merkel: „Die wollen nicht spielen. Und auch nicht reden. Die hassen. Und töten.“ Den Worten der AfD-Politikerin entnehme ich, dass sie sich bewusst auf das Niveau von Kindern begibt, damit Typen wie ich es kapieren. Ach so, die wollten nicht spielen? Ich hatte eigentlich meine Sandschaufel schon zurecht gelegt, um ihnen eine rüber zu braten. Und gut, dass von Storch sich kurzer Sätze bedient, da komm ich vielleicht doch noch mit.

Kommentar: Das ist jetzt nicht mehr witzig

Das Weltbild von Storchs impliziert, übersetzt in die freie Welt, dass Polizisten von Manchester bis Berlin beim Anblick tollwütiger Terroristen, die jetzt unbedingt mal andere und sich selbst töten wollen, jene erst zum Pow Wow einladen. Sich mit ihnen hinzusetzen trachten, die Thermoskanne herausholen und einen einschenken. Die sehen einfach nicht die Gefahr.

Abgesehen davon, dass von Storch Beamte, die ihr Leben riskieren, beleidigt: Dass mit Menschen, die sich auf extremistische Pfade begeben, am besten schnell und intensiv geredet wird, ist eine Erkenntnis aus der Strafprävention, die zwar nicht in die Kurzsatzstrategie von Storchs passt, aber vermutlich interessiert sich die Frau nicht für dieses Sozialpädagogengequatsche, die letzten Topflappen hat sie in der vierten Klasse gehäkelt.

Neues von der Kaffeefahrt

Von Storch hat eben Weitblick und Scharfsinn zugleich. Sie wittert die Gefahren, die auf uns zukommen, und im Sommer sind es vor allem die kleinen Boote, welche gerade auf dem Mittelmeer schaukeln. In den Worten von Storchs „betreiben die Asylindustrie und das NGO-Business einen Fährbetrieb nach Europa“.

Industrie – Business – Fährbetrieb. Letzteres klingt nach Urlaub. Ersteres nach Reibach. Alles drei versinkt in der Wirklichkeit. Es stimmt, dass uns sehr, sehr große Wanderungsbewegungen aus Afrika gen Europa bevorstehen. Die rapide wachsende Wirtschaft dort hält noch nicht mit dem Wachstum der Bevölkerungen mit. Elend und Unfreiheit nehmen zu, als einzige Perspektive bietet sich Europa an; tatsächlich ist das Asylrecht nicht das geeignete Instrument, um auf diese Herausforderungen zu antworten. Der Fehler von Storchs aber ist, dass sie denkt, einfach keine Antwort zu geben sei eine Option. Damit verkauft sie Europa und Deutschland einen Käsekuchen ohne Käse. Grenzen dicht machen und Menschen auf dem Weg dorthin verrecken lassen ist solch eine Nichtantwort.

Kommentar: Die AfD rockt Deutschland nicht wirklich

Die Menschen werden weiter versuchen, zu uns zu kommen. Sie begeben sich nicht in die Hände einer Industrie: Natürlich hat sich an der nordafrikanischen Küste ein Wirtschaftszweig der Schlepper entwickelt, aber wir lügen uns in die Tasche, die Schlepper seien das Problem; dabei sind sie nur Ausdruck eines Problems. Ohne Schlepper würden nicht weniger Menschen in See stechen. Die NGOs, welche retten, betreiben auch kein Business. Mir ist keine Organisation bekannt, die daraus ein einträgliches Geschäft betreibt, aber Rufmord scheint für von Storch eh ein minderes Vergehen zu sein.

Vielleicht könnte sie einen Blick auf deutsches Kulturgut werfen, auf die Märchensammlung der Brüder Grimm im Allgemeinen und auf die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten im Besonderen. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, sagt der Esel. So halten es die Fliehenden aus Afrika und dem Nahen Osten, und auch die Boote der NGOs auf dem Mittelmeer, welche sie retten. Die Tierfabel würde jetzt enden: Wäre der Storch nur ein Esel!

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