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Was darf Satire? Ist Religion tabu?

Im Gedenken an die Opfer: Buntstifte vor der französischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin. Foto: Kay Nietfeld

War die Welt noch in Ordnung, als Kurt Tucholsky 1919 seinen legendären Satz formulierte: «Was darf die Satire? Alles.»

Der blutige Anschlag auf das Pariser Satiremagazin «Charlie Hebdo» mit seinen zwölf unschuldigen Opfern spricht eine ganz andere Sprache. Auch in Deutschland ist damit eine Diskussion über die Freiheit von Wort und Bild, von Spott und Parodie auch in zugespitzter Form entbrannt.

«Wenn wir unsere Pressefreiheit verteidigen wollen, dann dürfen wir uns nicht ducken», warnt die Chefin des Satiricums im thüringischen Greiz, Eva-Maria Máriássy, im dpa-Interview. Und der Chefredakteur des deutschen Satiremagazins «Titanic», Tim Wolff, formuliert es berufsbedingt noch drastischer.

«Satire ist ein Menschenrecht, ein Grundrecht, und alle Menschen haben ein Recht darauf, verarscht zu werden», sagte Wolff der Deutschen Welle. «Und das sollte nicht aufhören, nur weil es Idioten gibt, die um sich ballern.» Der Leiter des Deutschen Kabarettarchivs in Mainz Jürgen Kessler sieht allerdings klare Grenzen: «Pure Herabsetzung und die Verletzung der menschlichen Würde sind für mich schlechte Satire.»

Das Besondere an «Charlie Hebdo» im Unterschied zur deutschen Karikaturentradition: Das französische Blatt setzt sich auffallend häufig mit religiösen Themen auseinander - bissiger und böser als viele andere. Schon 2011 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Redaktionsräume in Paris, nachdem das Blatt zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien eine Sonderausgabe mit einem «Chefredakteur Mohammed» herausgebracht hatte. Trotzdem ließ sich die Redaktion nicht einschüchtern.

Dass gerade Satire und Religion leicht in Spannung geraten, haben Künstler immer wieder erfahren. So löste in Österreich der Karikaturist Gerhard Haderer 2002 einen Skandal aus, als er Jesus als liebenswerten Weihrauch-Kiffer darstellte. Pop-Queen Madonna sorgte 2006 für Wirbel, als sie sich während einer Bühnenshow an ein mit Spiegeln besetztes Kreuz hängen ließ und den Papst einlud, ihr Konzert in Rom zu besuchen.

Traurige Höhepunkte waren die Anschläge auf islamkritische Medienschaffende wie den schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilks und seinen dänischen Kollegen Kurt Westergaard 2010 und die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh 2004.

Der deutsche Karikaturist Klaus Staeck, bekannt für seine politischen Poster, hält bei religiösen Themen eine besondere Sensibilität für erforderlich. Dennoch dürften auch sie nicht dem Meinungsstreit entzogen werden, sagte er der dpa.

«Unser wunderbares Wertesystem hat es geschafft, dass man auch den Papst karikieren kann und trotzdem steht niemand mit einer Pistole oder einer Kalaschnikow an der Tür. Diese Freiheit haben gerade wir Deutschen mühsam genug errungen. Wir sollten sie keinesfalls aufs Spiel setzen», sagt Staeck.

Eine Gefahr droht aber kaum von Auflagen und Einschränkungen, sondern eher von der Selbstzensur der Medienschaffenden. Der Berliner Karikaturist Klaus Stuttmann spricht von einer «Schere im Kopf». Und der Comic-Zeichner Ralf König, der sich nach eigenem Bekenntnis «auch aus Mangel an Lebensmüdigkeit» noch nicht viel mit dem Islam befasst hat, notiert auf seiner Facebook-Seite: «Die Angst hat die Kreativen längst an den Eiern.»

Nur der Berufsspotter Martin Sonneborn, als Spitzenkandidat der Satirepartei «Die Partei» ins Europaparlament eingezogen, behielt angesichts der zwölf Toten in Paris sein böses Mundwerk. «Bei Titanic könnte so etwas nicht passieren, wir haben nur sechs Redakteure.» Und da ist sie gleich wieder, die Frage: Darf Satire das?