Wasserkrise: Israel will See Genezareth mit Meerwasser füllen

Um den Wasserstand in Israels größtem Süßwassersee zu stabilisieren, greift die dortige Regierung zu einer bemerkenswerten Maßnahme.

Der See Genezareth leidet unter starken Wasserschwankungen. (Bild: REUTERS)
Der See Genezareth leidet unter starken Wasserschwankungen. (Bild: REUTERS)

Der See Genezareth im Norden Israels formt seit Jahrtausenden das Leben um sich herum. Der 166 Quadratkilometer große See stellt auch heute noch Wasser für die umliegenden Weinberge und Landwirtschaften bereit und ist zudem mit seinen heißen Quellen, archäologischen Sehenswürdigkeiten und Ausflugszielen von elementarer wirtschaftlicher Bedeutung für die Region und das gesamte Land.

Um die Zukunft des Wallfahrtsortes steht es aber nicht sonderlich gut: Der am tiefsten gelegene Süßwassersee der Welt (212 Meter unter dem Meeresspielgel) erreichte vor fünf Jahren nach einer mehrjährigen Dürre einen erschreckenden Niedrigstand. Also begann die israelische Regierung mit dem Rechnen – und kam zu keinem erfreulichen Ergebnis. Steigende Temperaturen in Folge des Klimawandels, immer öfter ausbleibender Regen sowie eine steigende Bevölkerungszahl werden es in 30 bis 40 Jahren schwierig machen, das Wasserlevel des Sees zu halten und gleichzeitig Brauchwasser daraus zu entnehmen.

"CNN" berichtet nun von einem besonderen Plan der Regierung: Um Klimawandel und nicht nachhaltigem Wassermanagement entgegenzutreten, soll Wasser aus dem Mittelmeer abgepumpt, entsalzen und bei Bedarf in den See geleitet werden.

Neue Wasserleitung bringt "fast unendliche Flexibilität"

Für Israel ist das nichts Neues, der Staat im Nahen Osten ist seit Jahrzehnten Experte in der Entsalzung von Mittelmeerwasser. Bei der sogenannten Umkehr- oder Reversosmose werden der natürliche Osmoseprozess umgekehrt und in Flüssigkeiten gelöste Stoffe konzentriert. So kann das Salz aus dem Wasser gefiltert werden.

An anderen Orten dieser Welt ist dieses Verfahren ein Notfallplan, in Israel ist es an der Tagesordnung: Fünf Meerwasserentsalzungsanlagen entlang der Küste sorgen mittlerweile für das beinahe komplette Leitungswasser für die über neun Millionen Einwohner.

In der Hadera Desalination Facility wird Mittelmeerwasser zu Trinkwasser. (Bild: Getty Images)
In der Hadera Desalination Facility wird Mittelmeerwasser zu Trinkwasser. (Bild: Getty Images)

Um das entsalzte Wasser in den See Genezareth zu bekommen, wird aktuell auf einer Länge von 31 Kilometern eine Pipeline verlegt, gut eineinhalb Meter im Durchmesser, 262 Millionen US-Dollar teuer. In wenigen Monaten soll sie fertiggestellt sein, profitieren sollen davon auch landwirtschaftliche Betriebe in der Region. Zudem hat Israel Verpflichtungen gegenüber Nachbarland Jordanien und muss jedes Jahr Millionen an Kubikmeter Wasser in das Königreich liefern.

Noam Ben Shoa, Chefingenieur der Nationalen Wassergesellschaft Mekorot, spricht von "fast unendlicher Flexibilität", die die Pipeline mit sich bringt. 120 Millionen Quadratmeter Wasser können jährlich dadurch bewegt werden – aber eben nur, wenn es nötig ist: "In die dicht bevölkerten Zentren, aber auch für landwirtschaftliche und industrielle Nutzung."

Experten erwarten keinen Negativeffekt auf Flora und Fauna

Und der ökologische Effekt auf den See? "Wenn man entsalztes Wasser mit natürlichem Wasser mischt, sieht man in den Experimenten biologische Auswirkungen", sagt Wissenschaftler Gideon Gal vom Forschungsinstitut Kinneret Limnological Laboratory gegenüber "CNN": "Wir werden Dinge in den See einbringen, die nicht natürlich vorkommen."

Einen merklichen Einfluss auf Flora und Fauna sollte das aber nicht haben. Die dadurch entstehende höhere Fluktuation des Wassers könnte Experten des Labors zufolge sogar dabei helfen, Schäden des Klimawandels zu bekämpfen. Zum Beispiel, in dem das Bakterienwachstum verringert und die Wassertemperatur verringert werden: "Wenn man bedenkt, was wir über den Klimawandel wissen und was mit dem See passieren wird, ist das Risiko, entsalztes Wasser in den See einzubringen ein Risiko, das es wert ist einzugehen."

Video: Neue Studie - Klimawandel begünstigt Seuchen