Wasserstoff-Profi nennt Lösung - 88 Prozent der Deutschen zweifeln an Energiewende - was jetzt nötig und möglich ist
Die Energiewende gehört zu den anspruchsvollsten Vorhaben in Deutschland. Doch Bedenken und Kritik zum „Wie?“ trüben das Bild dieser Transformation ein. Die Lösung hierfür ist laut Wasserstoff-Profi Jorgo Chatzimarkakis: ein kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz.
Den Anfang machte E.on-Chef Leonhard Birnbaum. „Deutschland macht sie aber besonders teuer, besonders bürokratisch und besonders umständlich“, sagte Birnbaum im Januar. Mit „sie“ meinte er die Energiewende.
Im März folgte dann der Bundesrechnungshof – eine unabhängige Bundesbehörde – mit seiner Kritik und der Forderung: „Die Bundesregierung muss umgehend reagieren, um eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Stromversorgung zu gewährleisten.“
Es handelt sich um zwei Beispiele aus junger Vergangenheit, die aufzeigen, dass es mit der Energiewende in Deutschland nicht so vorangeht, wie man es sich erhofft. Dies nimmt auch die Gesellschaft wahr. So ergab eine Forsa-Umfrage im März, dass die Mehrheit der Deutschen (88 Prozent) an eine vollständige Energiewende zweifle.
Behält die internationale Tageszeitung „The Wall Street Journal“ also Recht, als sie Deutschland 2019 die „World’s Dumbest Energy Policy“ bescheinigt hat? Mit all der Kritik und den Bedenken könnte man das glauben. Doch es ist noch nicht zu spät, die Weichen in Richtung erfolgreiche Energiewende zu stellen.
Kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz sorgt für niedrigere Preise, Stabilität und Sicherheit
Ein kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz, das Strom und Wasserstoff umfasst, ist der Schmierstoff dieser Weichenstellung. So ein Netz geht mit niedrigeren Strompreisen, Stabilität und Sicherheit einher.
Man spricht auch über System-Resilienz. Denn während Stromleitungen großteils überirdisch verlaufen, liegt das Erdgasnetz, das auch Wasserstoff transportieren kann, überwiegend unterirdisch. Bei Katastrophen jeglicher Art ist das unterirdische Gasnetz also besser vor Risiken geschützt. Zudem: Neue Stromleitungen und Umspannwerke, die wegen der Energiewende erforderlich sind, sind kostspielig: Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen kosten etwa 2,2 Millionen Euro pro Kilometer.
Die Kosten für Wasserstoffpipelines betragen hingegen circa 789.000 Euro pro Kilometer. Für Deutschland heißt das: Die Bundesregierung veranschlagt für die Etablierung des 10.000 Kilometer langen Wasserstoff-Kernnetzes rund 20 Milliarden Euro. Darunter fallen Kosten für Neubau sowie Modifizierung des bestehenden Gasnetzes. Zum Vergleich: Die Kosten für die „Stromautobahnen“ aufgrund des Ausbaus von Solar- und Windkraftanlagen sollen sich laut Bundesnetzagentur auf bis zu 320 Milliarden Euro belaufen – eine Differenz von 300 Milliarden Euro!
Eine Energiewende, die Elektrizität als ausschließlichen Energieträger vorsieht, ist also mit hohen Kosten verbunden. Ein kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz setzt hingegen auf eine größere Vielfalt an Energiequellen. So kann Wasserstoff nicht nur durch Elektrolyse produziert werden. Dieser Energieträger kann auch aus Müll und landwirtschaftlichen Abfällen gewonnen werden. Dies reduziert die Abhängigkeit einzelner Energiequellen und geht mit einer erhöhten Versorgungssicherheit einher.
Wie ein kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz mithilfe von Wasserstoff die Kosten für Abregelung senkt
Die hohen Stromkosten in Deutschland resultieren unter anderem durch die hohen Kosten für die Abregelung der Stromnetze. Diese betrugen Prognosen des Bundesrechnungshofes zufolge rund 11 Milliarden Euro im Jahr 2023. Laut Prognosen sollen die Kosten im Laufe der Jahre weitersteigen.
Um diese Kosten zu reduzieren, können sogenannte PEM-Elektrolyseure zum Einsatz kommen. Diese ermöglichen einen dynamischen Betrieb. Bei überschüssiger elektrischer Energie durch Photovoltaikanlagen sowie Windkrafträdern fahren diese Elektrolyseure hoch und produzieren Wasserstoff. Der überschüssige Strom wird also in Gasform gespeichert. Die Kosten für die Abregelung sinken.
Zur Veranschaulichung: Bei einem Anstieg der Solarenergie von 35 Prozent auf 40 Prozent steigen die Abregelungsraten auf 56 Prozent – und damit die Kosten für alle Stromverbraucher.
Ein kombiniertes Energie-Infrastrukturnetz, um Vertrauen in die Energiewende zurückzugewinnen
Ein Energie-Infrastrukturnetz, das Strom und Wasserstoff umfasst, bringt niedrigere Preise, Stabilität sowie Sicherheit. Daneben bringt so ein Netz das Vertrauen der Gesellschaft und Unternehmen in die Energiewende zurück. Denn die Mehrheit der Bevölkerung sieht die Energiewende laut verschiedenen Umfragen als wichtiges Vorhaben an. Doch die Höhe der Kosten für die Energiewende und damit der Strompreise korrelieren mit der Akzeptanz der Transformation.
Mit einem kombinierten Energie-Infrastrukturnetz sollten wir nicht nur eine der „World’s Smartest Energy Policy“ haben, sondern auch eine der „World’s Most Cost-Effective Energy Policy“.