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Wegen umstrittener ARD-Zulage: Neue RBB-Chefin will letzten Direktor aus der Ära Schlesinger fristlos entlassen

Christoph Augenstein ist seit 2018 als Produktions- und Betriebsdirektor beim RBB. Nun steht er offenbar vor dem Aus. - Copyright: picture alliance/dpa | Jens Kalaene
Christoph Augenstein ist seit 2018 als Produktions- und Betriebsdirektor beim RBB. Nun steht er offenbar vor dem Aus. - Copyright: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Christoph Augenstein ist beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) der letzte Mann von Patricia Schlesinger. Eine Führungskraft nach der anderen hatte den öffentlich-rechtlichen Sender in der Affäre um die Ex-Intendantin verlassen müssen. Dagegen konnte sich der von ihr geholte Produktions- und Betriebsdirektor an der Spitze halten. Doch nun soll offenbar auch Augenstein seinen Job verlieren. Nach Informationen von Business Insider will die jetzige Intendantin Katrin Vernau den Manager fristlos kündigen. Bevor es soweit ist, müsste aber der Verwaltungsrat dem Schritt zustimmen.

Während umfassende Ermittlungen von Anwälten, Rechnungshöfen und der Staatsanwaltschaft noch andauern, könnte Augenstein nun ein Gehaltszuschlag zum Verhängnis werden. Die alte Geschäftsleitung um Schlesinger hatte sich eine Aufwandsentschädigung auszahlen lassen, um die Mehrarbeit zu entlohnen, die die Manager während der Übernahme des ARD-Vorsitzes von Anfang 2022 und bis Ende 2023 leisten würden. So erhielt der Führungszirkel bereits ab Juli 2021 eine Sonderzulage. Sie sollte auch nach dem ARD-Vorsitz noch ein halbes Jahr weitergezahlt werden.

Bei Augenstein betrug die Sonderzulage monatlich 1700 Euro – fast zehn Prozent seiner sonstigen Vergütung. Dies geht aus der schriftlichen Vereinbarung zwischen ihm und Schlesinger vor, die Business Insider vorliegt. Laut RBB zeichnete der damalige Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf den Zusatzvertrag ab. Augenstein bezieht als Betriebsdirektor ein monatliches Grundgehalt von rund 16.000 Euro. Mit den vom RBB lange geheimgehaltenen Bonuszahlungen und allen Zuschlägen dürfte sein Jahreseinkommen 2021 bei mehr als 240.000 Euro gelegen haben. Ohne die RBB-Affäre wäre der Betrag noch weiter gestiegen.

Vernau hatte intern angekündigt, die ARD-Zulage von Arbeitsrechtlern prüfen zu lassen. Nach Informationen von Business Insider soll der Knackpunkt bei Augenstein nach Ansicht der Juristen in dessen Dienstvertrag stecken. Denn in den Arbeitspapieren der Direktoren ist zur Vergütung festgeschrieben, dass mit den Zahlungen "alle Tätigkeiten und Leistungen" für den Sender und Aufsichtsfunktionen abgegolten seien.

Ein zusätzlicher ARD-Bonus passt da nicht ins Bild und hätte vom Verwaltungsrat genehmigt werden müssen. Doch genau das ist laut interner Untersuchung nie geschehen. Keines der Mitglieder erinnert sich demnach an eine Befassung des Gremiums mit der Zahlung von Zulagen für den ARD-Vorsitz, schrieb Vernau im Intranet des Senders. Der Vorwurf des Senders an seinen Produktionsdirektor: Er hätte erkennen müssen, dass es keine ordnungsgemäße Befassung des Verwaltungsrats in der Sache gab und die Auszahlung der Zulage damit nicht korrekt war. Augenstein weist die Kritik dem Vernehmen nach intern zurück.

Ein ARD-Sprecher erklärte jüngst, dass die beim RBB ausgezahlten Sonderzulagen für den Vorsitz unüblich seien. Auch der WDR betonte auf Anfrage, dass der Intendant Tom Buhrow keinen Cent extra während seines Vorsitzes 2020 und 2021 kassiert habe. Gleiches gelte nach eigenen Angaben für den SWR, der seit Anfang Januar das Zepter übernommen hat.

Gefährlich könnten die Sonderzahlungen laut Insidern auch für den langjährigen RBB-Verwaltungschef Hagen Brandstätter werden. Er war in den vergangenen Monaten krankgeschrieben, steht kurz vor dem Ruhestand. Laut internen Unterlagen stehen ihm Altersbezüge von rund 12.500 Euro zu. Trotz des nahen Abschieds strebt Vernau auch seine fristlose Kündigung an, erfuhr Business Insider aus Senderkreisen.

Nach einer Anfrage von Business Insider zur ARD-Zulage reagierte die neue Intendantin vergangene Woche mit ungewöhnlich deutlichen Worten im Intranet. "Die Tatsache, dass es überhaupt eine extra Zulage für den ARD-Vorsitz für die Geschäftsleitung gegeben hat, zeigt, dass hier Maß und Mitte völlig verloren gegangen sind", erklärte Vernau. "Dafür, dass diese Zulage dann auch noch ein halbes Jahr vor Beginn des Vorsitzes bezahlt wurde, fehlen mir dann endgültig die Worte."

Augenstein hat als Betriebsdirektor noch einen Vertrag bis August 2023. Er war 2018 vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) zum RBB gekommen. Schlesinger hatte ihn für den Direktorenposten vorgeschlagen. Bisher gingen Beobachter davon aus, dass der Sender in seinem Fall aus Kostengründen auf eine vorzeitige Trennung verzichtet. Denn wie die übrigen Direktoren hat Augenstein nach dem Ausscheiden einen Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegeld. Nach Berechnungen von Business Insider müsste ihm der RBB rund 8700 Euro im Monat zahlen.

Vernau sagte bereits im vergangenen Herbst, ihr Ziel sei es nicht, „die Zahl derer zu erhöhen, die früher in RBB-Führungspositionen saßen und derzeit ohne Arbeit Gehalt beziehen“. Damit erteilte sie dem schnellen Rauswurf des alten Führungspersonals eine Absage. Zugleich ließ sie durchblicken, dass der Sender handeln wird, sollten mögliche Verfehlungen einen Kündigungsgrund liefern. Damit käme der RBB um Ruhegeldzahlungen herum.

So kündigte der Sender im vergangenen Dezember seiner Juristischen Direktorin Susann Lange wegen eines Untreueverdachts. Gegen Lange ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wegen möglicher Beihilfe zur Untreue in der RBB-Affäre. Zuletzt trafen sich die ehemalige Chefjuristin und ihr langjähriger Arbeitgeber zu einem Gütetermin vor dem Berliner Arbeitsgericht. Nach Medienberichten lehnte der Anwalt des Senders einen Vergleich ab. Nun kommt es im Juni zu einer Verhandlung.

Sollte der RBB demnächst Betriebsdirektor Augenstein und den ehemaligen Verwaltungsdirektor Brandstätter vor die Tür setzen, dürfte es schon bald zu den nächsten juristischen Auseinandersetzungen kommen.