Welche Fehler hat Deutschland gemacht? - „Tief verwurzelte deutsche Tabus“: So berichten US-Zeitungen über die AfD-Erfolge
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen fühlt sich die US-Presse an Deutschlands Nazi-Vergangenheit erinnert. Während Fox News die Schuld bei der Ampel sieht, prangert die New York Times Fehler in der Erinnerungspolitik an.
„Hier geht es um Deutschland, also das letzte Land, das man wieder groß machen möchte“ – in kaum einer Schlagzeile der US-Medien zu den AfD-Erfolgen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen fehlen Anspielungen auf die deutsche Nazi-Vergangenheit.
„Eine rechtsextreme Partei, deren Führer wohlwollend über die Nazis sprechen, hat zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg die Wahl in einem Bundesland gewonnen – und in einem weiteren Bundesland wurden sie ganz knapp zweitstärkste Kraft“, heißt es zum Beispiel in der konservativen New York Post. Und das, obwohl sich „zahlreiche AfD-Politiker für ihre Unterstützung des Nationalsozialismus verantworten mussten“.
Ähnlich auch die Überschrift der Washington Post: „Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ist eine rechtsextreme Partei Sieger in einem deutschen Bundesland“, steht hier. Und darunter: „Obwohl die AfD vom Verfassungsschutz in drei deutschen Bundesländern als extreme Organisation eingestuft wurde, gelang es der Partei, tief verwurzelte deutsche Tabus zu brechen.“
Fox News macht eine Reihe von Gründen für AfD-Erfolge aus
Zu Björn Höcke meint die L. A. Times: „Der AfD-Parteiführer in Thüringen wurde verurteilt, weil er bei politischen Events Nazi-Parolen verkündete. Die Partei wird in Sachsen und Thüringen offiziell als rechtsextreme Gruppe überwacht.“
Auch das Medienportal Daily Beast gibt sich schockiert: „Björn Höcke von der AfD Thüringen wurde wegen seiner Nazi-Rhetorik verurteilt.“ Zudem sei die AfD derart rechts, dass sie sogar dem Verband rechtspopulistischer Gruppen im Europaparlament zu extrem sei: „Nachdem ein Abgeordneter vor den Europawahlen erklärte, nicht jeder in SS-Uniform wäre automatisch ein Verbrecher gewesen, wurde die AfD im Frühling aus der rechtsextremen Fraktion ‚Identität und Demokratie‘ rausgeworfen.“ Doch nicht einmal solche Skandale hätten ihrem Ansehen in Thüringen und Sachsen geschadet.
Der US-Sender Fox News erklärt die AfD-Siege im Osten so: „Eine tiefe Unzufriedenheit mit der Bundesregierung, ihren internen Machtkämpfen, der Inflation, einer schwachen Wirtschaft, Anti-Migranten-Haltung sowie Skepsis gegenüber deutscher Militärhilfe an die Ukraine sind Faktoren, weshalb populistische Parteien im ehemals kommunistischen Osten zulegen, wo die Menschen weniger wohlhabend sind als im westlichen Deutschland.“
New York Times: Deutschland hat den falschen Fokus gesetzt
Nur wenige Tage vor den Landtagswahlen warnte die New York Times: „Je weiter die Rechtsextreme in Deutschland an die Macht kommt, desto deutlicher wird, dass der traditionelle Fokus auf Nazi-Parolen und Hitlergrüße nicht mehr funktioniert. Während Deutschland sich darauf versteifte, übersah man viel gefährlichere Entwicklungen unter der Oberfläche.“
Eigentlich gebe es gar keine so großen Differenzen zwischen der AfD und anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa, heißt es in dem Leitartikel weiter. Genau wie rechtsextreme Parteien in Polen, Ungarn und Griechenland kämpfe auch die AfD mit einer „toxischen Mischung aus Fremdenhass, Militarismus und Nostalgie“ um Wähler. Aber eben mit einem Riesenunterschied: „Hier geht es schließlich um Deutschland, also das letzte Land, das man wieder groß machen möchte“.
Wird der Verfassungsschutz von der AfD unterwandert?
Eine verfassungsrechtliche Krise unter einer AfD-Regierung sei aufgrund einer Frage unvermeidlich: „Können Bundespolizei und Verfassungsschutz weiterhin Informationen mit ihren Landesbehörden austauschen , wenn diese von einer AfD-Regierung geführt werden?“ Das Dilemma liege auf der Hand: „Die AfD in Sachsen und Thüringen wurde als rechtsextreme Organisation eingestuft. Informationen mit solchen zu teilen, gilt als schweres Verbrechen. Andrerseits gibt es Gesetzesvorschriften, wonach Informationen mit den Gesetzeshütern auszutauschen sind.“
Lösungen seien kaum vorstellbar, denn: „Wie können Geheimdienste die Bedrohung durch rechten Terrorismus bekämpfen, wenn ihre Vorgesetzten selbst rechtsextrem sind?“ Und: „Kann ein Land die Ergebnisse demokratischer Wahlen verwerfen, um die Demokratie zu erhalten?“ Die Antwort: „Wenn das Establishment nicht einschreitet, heißt das, beim Widerstand gegen Rechtsextremismus ging es mehr ums Image als um Prinzipien.“
„Wer braucht die AfD, wenn sogar Scholz Abschiebungen fordert?“
Zwar sei es wichtig, so die NYT, Hakenkreuze und Hitler-Grüße als Symbole des Bösen zu markieren. „Aber manchmal scheint es, Deutschlands Empfindlichkeit angesichts solcher Symbole hilft den Deutschen eher, die Taten ihrer Vorfahren zu vergessen, als sie daran zu erinnern. Das wurde vor allem am 7. Oktober klar, als Rufe gegen Antisemitismus oftmals mit Gewaltaufrufen gegen Migranten einhergingen.“
„Wer braucht die AfD, wenn sogar Bundeskanzler Olaf Scholz großangelegte Deportationen fordert?“, fragt die Tageszeitung provokativ und findet: Die Nachwirkungen des Terrorattentats in Solingen hätten gezeigt, dass Politiker aller Seiten nun mit Plänen für härtere Abschiebungen und Migrationsbeschränkungen punkten wollten. Das NYT-Fazit: „Die Septemberwahlen zeigen klar, dass die Geister der Vergangenheit wie auch der Gegenwart nicht zu leugnen sind.“