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Weltbank-Direktor Axel van Trotsenburg: "Wir müssen mehr tun"

Zu Gast bei The Global Conversation ist Axel van Trotsenburg, Managing Director of Operations bei der in Washington ansässigen Weltbank, dem größten Kreditgeber für Entwicklungsprojekte weltweit. In Brüssel spricht er über die Covidkrise und einen neuen Weltbank-Bericht, aus dem hervorgeht, dass der Klimawandel bis 2050 mehr als 200 Millionen Menschen zur Migration zwingen könnte.

Euronews-Reporterin Méabh Mc Mahon:

Vielen Dank, dass Sie heute unser Gast bei The Global Conversation sind. Sprechen wir zunächst über aktuelle Daten zum Klimawandel und über die Auswirkungen, die er auf Europa hat. In diesem Sommer haben wir Überschwemmungen hier in Belgien und verheerende Waldbrände in Griechenland erlebt –mit katastrophalen Auswirkungen auf das Leben und die Lebensgrundlagen der Menschen. Was muss Europa Ihrer Meinung nach noch unternehmen, um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern?

Axel van Trotsenburg, Managing Director of Operations bei der Weltbank:
Europa kann mehr tun, die ganze Welt muss mehr tun. Wir versuchen in unseren Berichten zu zeigen, dass das eine globale Verantwortung, eine globale Herausforderung ist und globale Lösungen erfordert. Wenn Sie sich zum Beispiel die Emissionen aus Kohlekraftwerken ansehen: Das ist im Wesentlichen ein asiatisches Problem. Wir müssen also nicht nur die Aktivitäten in Europa koordinieren, sondern auch in Asien und Amerika.

Im Vorfeld des Klimagipfels COP26 wächst der Druck auf die Weltbank

Euronews:

Wenn Sie von "global" sprechen, haben Sie natürlich die COP26 im Hinterkopf, das große Ereignis, auf das wir alle warten. Wie wird die Weltbank ärmeren Ländern beim Übergang zum Klimaschutz helfen? Im Vorfeld dieses Treffens in Glasgow wurde viel Druck auf die Weltbank ausgeübt, die Finanzierung zu verbessern.

Axel van Trotsenburg:

Wir sind uns einig, dass jeder seinen Beitrag leisten muss. Wir sind in dieser Hinsicht aggressiv vorgegangen. Wir haben unsere Klimaaktivitäten systematisch ausgeweitet. Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln: Unsere Finanzierung zum Klimaschutz hat sich in den vergangenen zwei Jahren um etwa 50 Prozent erhöht, von etwa 14 auf 21 Milliarden Dollar.

Euronews:

Und wie stellen Sie sicher, dass die Klimaschutzfinanzierung und der Wirtschaftsaufschwung ökologisch nachhaltig sind?

Axel van Trotsenburg:

Das steht im Mittelpunkt der Weltbank-Aktivitäten: Nachhaltigkeit und langfristige Entwicklung. Wir schauen in unseren Programmen immer auf die lange Sicht. Mit diesem Ziel wurde die Weltbank ursprünglich vor 75 Jahren gegründet: Wir haben die langfristige Entwicklung im Blick.

Euronews:

Darum ging es heute Morgen. In einem Bericht von Oxfam heißt es, dass sich der Übergang nicht nur auf die Reduzierung der Emissionen konzentrieren sollte, sondern auch darauf, den Ländern zu helfen, widerstandsfähiger zu werden und sich an die "gefährlichen Auswirkungen des Klimawandels" anzupassen.

Axel van Trotsenburg:

Wir können dem nur zustimmen. Aber wir müssen nicht nur auf die Widerstandsfähigkeit achten, sondern auch auf die Einbeziehung der Menschen. Wir sehen, dass der Klimawandel viele Millionen Menschen in extreme Armut stürzen kann, vor allem in Afrika, und dass diese Systeme nicht in der Lage sind, damit umzugehen. Das ist der Grund, warum wir das Problem nicht isoliert betrachten können, indem wir eine einzelne Investition tätigen. Man muss genau hinsehen. Ist sie belastbar, aber ist sie auch integrativ?

Krisen treffen arme Länder härter

Euronews:

In dem Oxfam-Bericht heißt es, dass arme Länder in den nächsten sechs Jahren mit einem Defizit von 79 Milliarden Dollar bei der Klimaschutzfinanzierung konfrontiert sein werden. Ziemlich besorgniserregend.

Axel van Trotsenburg:

Leider haben viele der ärmsten Länder mit Engpässen zu kämpfen. Das zeigt sich schon jetzt mit der Coronakrise, und dazu kommt noch die Klimakrise hinzu. Und es gibt lokale Krisen wie die Heuschrecken-Plage. Das ist auch der Grund, warum die Weltbank sehr aggressiv bei der Unterstützung, insbesondere für Afrika, vorgegangen ist. Unsere Unterstützung für Afrika belief sich im vergangenen Jahr auf etwa 30 Milliarden Dollar, davon 10 Milliarden Dollar in Form von Zuschüssen. Und es wird noch mehr gebraucht.

Euronews:

Es wird mehr gebraucht. Wir haben Covid noch nicht erwähnt: Weltweit wurden mehr als eine Milliarde Impfdosen verabreicht, aber weniger als 0,2 Prozent der Impfstoffe wurden an Länder mit niedrigem Einkommen abgegeben. Wer trägt Ihrer Meinung nach die Schuld an diesem massiven Ungleichgewicht?

Weniger als 2 Prozent der Afrikaner sind vollständig geimpft worden. Wir halten das für inakzeptabel. Wir müssen mehr tun.

Axel van Trotsenburg
geschäftsführender Direktor der Weltbank

Axel van Trotsenburg:

Wir sind äußerst besorgt. Das haben wir deutlich zum Ausdruck gebracht. Leider sind die ärmsten Länder, und insbesondere Afrika, außen vorgeblieben. Weniger als 2 Prozent sind vollständig geimpft worden. Wir halten das für inakzeptabel. Wir müssen mehr tun. Die Afrikanische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahres 40 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Eines der Probleme besteht darin, Zugang zu den Impfstoffen zu bekommen.

Verteilung der Impfstoffe

Euronews:

Das wäre meine nächste Frage. Waren Sie enttäuscht von der Rede zur Lage der Union der europäischen Kommissionspräsidentin vergangene Woche? Sie sprach unter anderem davon, dass die EU Covax zweihundert Millionen weitere Impfdosen für ärmere Länder zur Verfügung stellen würde? Aber die eigentliche Frage ist, ob es nicht möglich ist, die Ausnahmeregelung für die Rechte an geistigem Eigentum auszusetzen?

Axel van Trotsenburg:

Das wird das Problem heute nicht lösen. Wir müssen uns mittelfristig damit befassen, wie wir in Afrika mehr Produktionskapazitäten schaffen können. Und es ist die Frage, wie man das macht. Es gibt Lizenzen, geistige Eigentumsrechte, Importmöglichkeiten oder Exportbeschränkungen, die von Industrieländern auferlegt werden, die Einschränkungen darstellen könnten. All diese Dinge müssen diskutiert und angegangen werden, aber das ist ein mittelfristiges Problem. Wir müssen also die Impfstoffe jetzt besorgen, und dann müssen wir sehen, wie wir den Ländern mit niedrigem Einkommen helfen können, ihre Gesundheitssysteme umfassend zu stärken, aber auch die Möglichkeit zu schaffen, ihre eigenen Produktionskapazitäten aufzubauen.

Euronews:

Sie betonen immer wieder, dass das ein globales Problem ist. Es braucht eine globale Antwort. Aber wenn wir uns in den reichen Ländern umsehen, auch in der EU, dann blockieren sie einen Vorschlag der WTO, der die Monopole der Pharmaunternehmen aufheben würde, um die Produktion und den Zugang zu diesen lebensrettenden Impfstoffen auszuweiten und sicherzustellen, dass die armen Länder Zugang erhalten. Glauben Sie, dass diese Regierungen den Profit über die Menschen stellen?

Axel van Trotsenburg:

Nein, ich denke, dass alle Länder ihre eigenen Interessen haben. Es gibt im Moment so viele Themen, die man zum Thema Impfstoffe diskutieren kann, dass wir möglicherweise den Fokus auf das verlieren könnten, was heute wichtig ist, nämlich der Zugang. Heute gibt es verfügbare Impfstoffe und Impfdosen, die nicht in die ärmsten Länder gelangen. Unser Anliegen ist es, das zuerst zu erreichen. Und wir sind uns einig, dass wir uns danach mit den anderen Themen befassen müssen. Aber wenn wir in internationalen Verhandlungen alles gleichzeitig besprechen, führt das dazu, dass sich alles verzögert. Und letztendlich werden wir die Menschen in Afrika nicht mit den Impfstoffen versorgen können, die sie so dringend benötigen.

Wirtschaftskrise im Libanon: Die Regierung muss dem Volk dienen

Euronews:

Bevor ich Sie gehen lasse, möchte ich das Thema Wirtschaftskrise im Libanon ansprechen. Mir scheint, dass darüber viel zu wenig berichtet wird. Wir haben sie hier bei euronews aufmerksam verfolgt. Gibt es irgendetwas, das Institutionen wie die Weltbank tun können, um einzugreifen? Und wenn nicht, warum?

Axel van Trostenburg:

Der Libanon ist ein Gründungsmitglied der Weltbank. Wir haben uns mit dem Land beschäftigt. Der Libanon hat meiner Meinung nach ein sehr schwieriges politisches Umfeld mit wenig Konsens in dieser Frage. Wir fordern die Regierung auf, sich zusammenzusetzen und einen Plan auszuarbeiten, der dem libanesischen Volk dient und nicht den Interessen einzelner.