Wie ein Weltstar aus bitterer Armut entkam

Er ist nicht der schillerndste Spieler der Mannschaft, die in den vergangenen Jahren den Weltfußball dominierte. Aber einer der wichtigsten.

An der Seite von Cristiano Ronaldo und Toni Kroos gewann der Brasilianer Casemiro mit Real Madrid dreimal die Champions League, er ist die stille, aber ungemein effektive Defensiv-Autorität im Mittelfeld, auf die Trainer Zinédine Zidane enorm große Stücke hält.

Zidane sieht in dem 28-Jährigen den Wiedergänger von Claude Makelele, seinem ähnlich unbesungenen, aber unverzichtbaren Teamkollegen aus aktiven Zeiten bei Real und in der französischen Nationalelf.

Vor allem Casemiros Spielintelligenz gilt als beispielhaft. Wie früh sich Casemiros Cleverness zeigte und wie wichtig sie für seinen Weg aus den bitterarmen Verhältnissen war, in denen er aufwuchs, offenbart eine Anekdote, die er nun in einem Porträt des englischen Guardian zum wiederholten Mal erzählte.

Casemiro änderte spontan seine Position

Carlos Henrique Casimiro, wie er eigentlich heißt (mit i statt e, der Künstlername war ursprünglich ein Trikot-Druckfehler), war als Kind Stürmer und Spielmacher. Er hatte seine spätere Position nicht gespielt, als er mit etwa elf Jahren ein wichtiges Auswahltraining bei seinem Jugendklub FC Sao Paulo bestritt.

Als die jungen Talente nach ihrer Position gefragt wurden, merkte er dann aber, wie viele seiner Altersgenossen sich um die Plätze in der Offensive rissen. Er entschloss sich daher spontan, sich nicht zu melden, als seine Stammpositionen abgefragt wurden.

Stattdessen hob er die Hand, als gefragt wurde, wer im defensiven Mittelfeld spielte. Aufgrund des weniger großen Andrangs sah er mit der Notlüge bessere Chancen, sich durchzusetzen, trotz seiner fehlenden Erfahrung.

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Casemiro setzte sich durch, mit seinem klugen Kopf war er an der strategisch bedeutenden Stelle genau richtig aufgehoben: "Ich fand immer, dass Denken der Schlüssel ist: Man muss besser postiert sein, die Bewegung erahnen, bevor sie passiert", sagt er.

In der neuen Rolle entwickelte er die Qualitäten, die ihm die Tür für eine Weltkarriere öffneten - und den Ausweg aus einem wenig privilegierten Leben.

Aufgewachsen in bitterer Armut

Casemiro, geboren am 23. Februar 1992 in der 700.000-Einwohner-Stadt São José dos Campos, wuchs in Armut als Sohn einer alleinerziehenden Putzfrau auf, nach eigenen Angaben stellte erst der Fußball sicher, dass er zuverlässig seine täglichen Mahlzeiten bekam.

"Der Fußball ist ein Fluchtweg, die Chance etwas zu erreichen", sagt er: "Das gilt besonders für Brasilien, wo wir mehr Probleme mit dem Bildungssystem und der Kultur haben." Umso wichtiger ist ihm heute soziales Engagement, um anderen armen Kindern Auswege zu bieten.

Casemiro wechselte 2013 zu Real Madrid und debütierte dort unter José Mourinho, nach einer zwischenzeitlichen Leihe zum FC Porto entwickelte er sich zum Stammspieler, neben seinem Talent trug auch seine Arbeits- und Lernwut dazu bei, er gilt als Musterprofi unter Musterprofis. "Meine Frau nervt es, aber es ist mein Job", berichtet er: "Ich muss die ganze Zeit über Fußball nachdenken."

Wertschätzung für Toni Kroos, Ehrfurcht vor Zidane

Seinen Coach Zidane beschreibt er als großes Idol ("Ich werde immer noch etwas nervös, wenn ich mit ihm rede"), den kongenialen Makelele als Pionier seiner Position.

Der eine sei nicht ohne den anderen zu denken, das hätte damals gegolten und gelte heute noch: "Makelele wäre nicht so groß gewesen ohne Zidane, ich wäre es nicht ohne Toni oder Luka." Eine beiläufige Verbeugung vor den Mittelfeldpartnern Kroos und Modric.

Die Wertschätzung für Zidane beruht auf Gegenseitigkeit, Casemiro hat bei ihm fast jedes Spiel bestritten und fast jedes davon über 90 Minuten.

Nach Casemiros Schilderung hatte er ihm das auch schon früh prophezeit, bevor er Stammspieler war. Auf seine besorgte Nachfrage hin, wann er denn eine Chance bekäme, hätte Zidane geantwortet: "Du wirst bald spielen. Und dann hörst du auch nicht mehr auf." Genauso ist es gekommen.