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Weniger ist mehr: Uhren und Brillen sind ganz andere Computer

Ein Teilnehmer auf der Google I/O verfolgt das Spiel Deutschland - USA am Fernseher und über die Datenbrille Google Glass. Foto: Andrej Sokolow

Ob neue tragbare Mini-Computer in Brillen und Armbanduhren ein Erfolg bei Verbrauchern werden, steht noch in den Sternen. Allerdings ist jetzt schon absehbar, dass sich dann der alltägliche Umgang mit Computern drastisch verändern könnte.

Denn für die winzigen Bildschirme gelten andere Regeln: «Weniger ist mehr», lautet die Devise von Google-Entwickler Timothy Jordan, die er in San Francisco auf der Entwicklerkonferenz Google I/O verkündet. Der Nutzer sollte nur die gerade nötigen Informationen angezeigt bekommen - und nichts, was ihn ablenkt oder unnötige Zeit kosten. Der Computer bleibe dabei mehr denn je im Hintergrund.

Auf der Google I/O wenden Mitarbeiter des Internet-Konzerns nicht nur viel Zeit auf, um die Werbetrommel für die neuen Geräte zu rühren, auf die Google so massiv setzt. Sie versuchen auch, umfassend die Vision für ihre Nutzung mit dem neuen Betriebssystem Android Wear zu vermitteln. «Man macht nur eine Sache auf einmal, man sieht nur eine Sache auf einmal», sagt Designer Bob Ryskamp. Kommt etwa eine Nachricht an, ist ein Foto des Absenders die bessere Art zu zeigen, von wem sie ist als ein Name in winzigen Buchstaben.

Die ersten Modelle von Computer-Uhren, die verschiedene Hersteller vor ein paar Jahren auf den Markt brachten, hatten oft nach dem Vorbild von Smartphones App-Symbole auf dem Bildschirm. Nur eben kleinere Icon und nicht so viele auf einmal. Entsprechend lange musste man dann eventuell blättern, wenn man eine Anwendung sucht.

Google sammelt aber schon seit über zwei Jahren Erfahrungen mit dem winzigen Display der Computerbrille Google Glass - und das prägt jetzt auch den Umgang mit Bildschirmplatz bei Uhren mit dem neuen Betriebssystem Android Wear. Auf ihnen poppen Mini-Kärtchen mit bunten Bildern und knappen Informationen auf: «14 398 Schritte», «36 Minuten bis nachhause».

Das Ziel aber sollte sein, dem Nutzer automatisch die gerade benötigten Informationen einzublenden, betont Google-Designer Emmet Connolly. «Nicht die Nutzer sollten eintippen, was sie wissen wollen - sondern wir zeigen ihnen an, was sie brauchen.» Dafür stehe eine Menge Sensoren zur Verfügung. So lasse sich nicht nur der Aufenthaltsort der Nutzer bestimmen, sondern auch, ob sie gerade gehen oder laufen. «Wenn sie Joggen gehen, könnte dann die Stoppuhr im Display auftauchen.» Weitere Hinweise könnten etwa aus den Kalendern und der Nähe zu anderen Geräten kommen. «Wir sollten jedes verfügbare Signal für Zielgerichtete Informationen nutzen.»

Der Fokus auf die kleinen tragbaren Geräte liefert auch eine Erklärung für den Ansatz von Google, direkte Antworten statt Listen von Suchergebnissen zu liefern - wer will sie schon auf den winzigen Bildschirmen durchscrollen. «Mikro-Interaktionen», nennen die Google-Designer den Umgang mit der neuen Technik. Und sie glauben, dass dies auch auf die Nutzung anderer Computer abfärben wird.

Dabei wurde Google Glass bei der diesjährigen Konferenz von den Uhren in den Hintergrund gedrängt. Bei der großen Eröffnungs-Keynote kam sie gar nicht mehr vor. In den Workshops auf der Konferenz wurden sie dann eher mit speziellen Anwendungsfällen in Verbindung gebracht: Etwa Apps, die bei der Verbesserung von Basketball-Würfen und Golfschlägen helfen, oder Informationen über Sehenswürdigkeiten bei einem Stadtrundgang.

Für Gartner-Analyst Brian Blau allerdings setzt Google zu große Akzente auf die Datenuhren. «Sie versuchen hier, die Idee durchzusetzen, dass man die Uhr als zentralen Interaktionspunkt benutzen soll. Ich denke nicht, dass es richtig ist», sagte er am Rande der Google I/O. «Wir denken dagegen, dass sie auf absehbare Zeit ein Zusatzgerät bleiben wird.» Er glaube nicht, dass sie das Nutzerverhalten radikal verändern werde. «Vielleicht versucht man, der Computeruhr eine Rolle aufzudrängen, die sie gar nicht ausfüllen kann.»