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Wenn Tina Turner läuft, wird alles gut!

Der Abschied von Tina Turner ist ein bisschen, wie das Ende einer Epoche. Aber bei aller Trauer um den Verlust der Rock-Ikone ist vielleicht wichtiger, was von ihr bleibt.

Ein Nachruf von Moritz Piehler

Auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles erinnert ein Foto an die verstorbene Sängerin. Einen Stern hat sie dort natürlich schon längst. (Bild: REUTERS/Mario Anzuoni)
Auf dem Hollywood Walk of Fame in Los Angeles erinnert ein Foto an die verstorbene Sängerin. Einen Stern hat sie dort natürlich schon längst. (Bild: REUTERS/Mario Anzuoni) (Mario Anzuoni / reuters)

Meine beste Freundin und ihr Mitbewohner hatten eine eiserne WG-Regel: Wenn Tina Turner im Radio läuft, wird alles, aber auch wirklich alles gut.

Tina Turner: Was für ein Leben!

Das ausgerechnet die schwarze US-Sängerin, die als Kind noch auf den historisch so düster konnotierten Baumwollfeldern mithelfen musste, zur Symbolfigur für Durchhaltevermögen, neudeutsch Resilienz, und strahlende Wiederauferstehung wurde, ist kein Zufall. Kaum jemand ist wohl durch so ein erfülltes, verrücktes und auch schweres Leben gegangen, wie Tina Turner, die ja eigentlich ganz anders hieß. Anna Mae Bullock nämlich. Unter diesem Namen wurde sie vor mehr als 83 Jahren in Brownsville, Tennessee in den USA von Vorvorgestern geboren. Das weiß natürlich nur kaum jemand, weil der vermaledeite Ike, über den wir hier gar nicht mehr so viel reden wollen, ihr den Künstlerinnen-Namen Tina Turner verpasste. Das sollte, so dachte er, ein wenig nach der Comic- und TV-Serien Heldin "Sheena, Queen of the Jungle" klingen und die Kasse klingeln lassen. Den Namen behielt sie auch nach der Trennung aus der missbräuchlichen Beziehung und es gehört wohl zu ihren größten Leistungen, wie sie sich danach neu erfand, ohne sich dabei zu verlieren.

Vom Pop-Establishment zur Ikone

Denn auf die frühen Erfolge der 70er Jahre folgte eine ziemlich harte Durststrecke, sowohl persönlich, als auch musikalisch. Als Tina Turner dann in den Achtziger Jahren nach ihrem Solo-Comeback auf ihrer zweiten Erfolgswelle schwamm, gehörte sie für uns eher zum Pop-Establishment. Zu den "Wetten Dass...?" Couchgästen bei Thomas Gottschalk eben und zu NDR-Festivals auf Flugplätzen. Eine alternde "Rockröhre", für die Väter und Mütter schwärmten und der man maximal zugestand "sich ziemlich gut gehalten" zu haben.

Tina Turner: Eine Frau, die es satt hatte, sich Vorschriften machen zu lassen. (Bild: REUTERS/Kevin Coombs)
Tina Turner: Eine Frau, die es satt hatte, sich Vorschriften machen zu lassen. (Bild: REUTERS/Kevin Coombs) (Kevin Coombs / reuters)

Aber dann änderte sich irgendwas. Vielleicht lag es an dem Film "What's Love Got To Do With It?" von 1993, in dem Angela Bassett (noch so eine unglaublich starke, coole Frau) basierend auf Tina Turners Autobiografie die Lebensgeschichte und den persönlichen Befreiungskampf der Sängerin eindrucksvoll interpretierte. Vielleicht hatten wir uns auch selbst ein wenig von dem jugendlichen Distanzierungsbemühen um eigene Coolness befreit. Jedenfalls gewann Tina Turner mit jedem Jahr ein bisschen mehr Respekt. Krass, wie sie ihr Ding durchzieht. Oh, sie geht immer noch auf Tour und sogar Eros Ramazotti guckt sie ganz verknallt an. Plötzlich bemerkten wir: Da steht eine Frau auf der Bühne, die es satt hatte, sich ihr Leben von Kleinigkeiten wie Alpha-Männern, Pop-Business oder Alter vorschreiben zu lassen. Statt "Queen of the Jungle" von Ikes Gnaden wurde sie die ziemlich selbstbestimmte "Queen of Rock".

Der Tod ist kein Problem für mich, es macht mir wirklich nichts aus, zu gehen.Tina Turner

Was bleibt, ist die Musik

Irgendwie dachte man, wie bei solchen Ikonen oft, ein bisschen irrational, sie würde einfach dableiben. Ist sie nicht und war wohl selbst damit ziemlich im Reinen. Die Buddhistin zeigte sich in späten Interviews stets dankbar über ihre unglaubliche Biografie und sagte bereits 2018 gegenüber der "BBC": "Der Tod ist kein Problem für mich, es macht mir wirklich nichts aus, zu gehen." Seit den 90ern lebte sie mit ihrem deutschen Mann Erwin Bach (16 Jahre jünger, das erwarten wir auch von einer Rock'n'Roll-Königin) zufrieden am Zürichsee. Mit einer Nierenspende rettete er ihr vor sechs Jahren das Leben. Was das mit Liebe zu tun hat? Ziemlich viel, vermute ich.

Jetzt ist sie nicht mehr da, aber das Beruhigende für uns ist: Ihre Musik bleibt. Und wenn im Radio "Simply the Best", Private Dancer" oder eben "What's Love Got To Do With It?" spielt, dann drehen wir lauter. Denn die Regel gilt immer noch: Wenn Tina Turner läuft, wird alles gut.