Wichtiger Indikator - An der „roten Zone“ der Kreditmärkte lässt sich die nächste Wirtschaftskrise erkennen

Wer die nächte Finanzkrise rechtzeitig erkennen will, sollte den Kreditmarkt genau beobachten, sagt ein US-Wirtschaftsprofessor.<span class="copyright">Bloomberg</span>
Wer die nächte Finanzkrise rechtzeitig erkennen will, sollte den Kreditmarkt genau beobachten, sagt ein US-Wirtschaftsprofessor.Bloomberg

Mit den Zinssenkungen der EZB und Fed könnten die Kreditmärkte in Europa und den USA wieder in Schwung kommen. Doch allzu großzügig sollten die Banken dann nicht Kredite vergeben, mahnt ein US-Ökonom. Denn kaum etwas deute so sicher auf eine Krise hin wie überhitzte Kreditmärkte.

Die Welt läuft auf Pump – ohne Schulden funktioniert kein Hausbau und keine Unternehmensgründung. Umgekehrt gibt es für Volkswirtschaften darum kaum etwas Schlimmeres als einen Kollaps des Kreditmarkts.

Selbiger zeigte sich, zumindest in den USA, zuletzt robuster als erwartet. Genau darum sei die US-Konjunktur aktuell so überraschend stark, erklärte jüngst Robin Greenwood , Ökonom und Professor an der Harvard Business School.

Auf der anderen Seite, mahnte der Ökonom, seien es genau die Zeichen des Kreditmarkts, auf die geachtet werden muss, um eine Finanzkrise rechtzeitig zu erkennen.

„Finanzkrisen entstehen aus Zeiten überhitzter Kreditmärkte“, so Greenwood. Zusammen mit weiteren Forschern habe er deshalb passende Metriken entwickelt. Ernst werde es, wenn die Märkte die sogenannte „rote Zone“ erreichen. „Die rote Zone ist eine Kombination aus Kreditausweitung und hoher Preise für Vermögensanlagen.“

Wenn niemand mehr an Risiken denkt, überhitzt der Kreditmarkt

Ein Beispiel sei der Häusermarkt. „Wenn die Immobilienpreise steigen, und sich gleichzeitig die Kredite der Haushalte ausweiten … dann ist das ein Maß dafür, dass die rote Zone erreicht ist“, sagte Greenwood, und betonte dabei explizit den Unterschied zwischen euphorischen Aktien- und Kreditmärkten.

„Die Börsen schäumen über, wenn die Händler sich von Unternehmen und dem Kurspotenzial nach oben hinreißen lassen. Überschäumende Kreditmärkte resultieren daraus, wenn die Menschen aufhören, sich über Risiken Gedanken zu machen.“

Die Phänomene können natürlich zusammenhängen, ergänzt der Volkswirt. Dennoch seien sie unterschiedlich. Das erkläre, warum in den Jahren bis in die große Finanzkrise hinein so viele Kredite vergeben wurden – „man war einfach nicht besorgt darum, dass diese Kredite ausfallen könnten.“

Noch sieht der Volkswirt keine Kreditblase in den USA

Aktuell sieht Greenwood in den USA zwei Entwicklungen, was den Kreditmarkt angeht. Einerseits seien die sogenannten „Spreads“ extrem eng. Das heißt, dass die Verzinsungen von Hochzinsanleihen und praktisch risikofreien US-Staatsanleihen relativ nahe beieinander notieren. Üblicherweise müssten Unternehmen, die eine Hochzinsanleihe begeben, wegen des höheren Ausfallrisikos deutlich mehr Zinsen bieten.

Historisch gesehen seien die Spreads „auf sehr niedrigem Level“, was einen gewissen Optimismus an den Kreditmärkten widerspiegelt. Auf der anderen Seite beobachte er nur eine moderate Ausweitung der Kredite. Dafür sei die zuletzt striktere US-Geldpolitik verantwortlich. „Wer sich nun also fragt, ob wir in einer Kreditblase sind, dem würde ich angesichts der Daten antworten: nein.“

Nichtsdestotrotz merkte Greenwood an, dass die Kreditmärkte aufmerksam beobachtet werden sollten. „Ein Zusammenbruch an Krediten ist extrem schädlich für eine Volkswirtschaft. Die überwältigende Mehrheit von Krisen folgte auf Perioden der roten Zone, welche wiederum auf Phasen rapider Kreditausweitungen folgten.“

Auch in Europa bleibt die Kreditnachfrage mau

Tatsächlich ist die Lage in Europa, obwohl die EZB die Zinsen bereits ein erstes Mal gesenkt hat, hier noch entspannt. In der jüngsten EZB-Umfrage unter Banken zeigte sich ein weiteres Nachlassen der Kreditnachfrage bei Unternehmen, während die Haushalte erstmals seit 2022 mehr Darlehen nachfragten. Ein Boom des Kreditmarkts sieht anders aus.

Das unterstreichen auch deutsche Zahlen, über die jüngst die Beratungsfirma Barkow Consulting berichtete . Zwar wuchs der Kreditmarkt im Juli zum zweiten Mal in Folge, um immerhin 0,6 Prozent. Nur: Das sei „im historischen Kontext sehr niedrig“. Zudem schrumpfte der Bestand an Unternehmenskrediten um 0,5 Prozent zum Vorjahr. Konsum- und Baukredite stiegen indes.

„Der Gesamtmarkt kämpft derzeit um eine Trendwende, die – positiv interpretiert – bereits eingetreten sein könnte. Das Ausmaß ist jedoch analog zum deutschen Wirtschaftswachstum äußerst bescheiden. Bei den Baufinanzierungen scheint sich die Trendwende zu stabilisieren, bei den Unternehmenskrediten warten wir weiter darauf.“, resümieren die Barkow-Analysten.

Die Zinswende geht erst richtig los

Anders gesagt: Von einer „roten Zone“ scheint der Kreditmarkt in Europa und Deutschland noch weit entfernt. Allerdings bleibt offen, wie weit die EZB die Zinsen in den folgenden Monaten senken wird. Auch die USA stehen kurz vor der ersten Zinsabsenkung seit der dramatischen Inflationswelle in den Industrieländern. Dabei könnte die US-Notenbank Federal Reserve, je nachdem, wie sich die Datenlage am dortigen Arbeitsmarkt entwickelt, sogar Zinsschnitte von 0,5 statt 0,25 Prozentpunkte vornehmen.

In beiden Währungsräumen könnte das Kreditwachstum demnach mittelfristig wieder merklich anziehen. Und Vermögenswerte bleiben weiter teuer, wie unter anderem die Kursgewinne an den Börsen suggerieren. Damit wären beide Faktoren gegeben, die laut Greenwood in die „rote Zone“ führen.