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Wie die Berliner CDU eine Sexismusdebatte falsch führt

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Die Lokalpolitikerin Jenna Behrends hat heftige Vorwürfe an Parteifunktionäre gerichtet. Was in der CDU folgt, wirkt wie aus einem Gruselkabinett.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Berliner CDU hätte wirklich überrascht, nutzte sie diese Chance. Sexismusvorwürfe aus den eigenen Reihen erschüttern die Hauptstadt-Christdemokraten: Man könnte jetzt offen darauf eingehen, Fragen aufwerfen, breit diskutieren. Aber nichts dergleichen. „Ausschließlich parteiintern“ wolle man über die Kontroverse diskutieren, heißt es. Oder in anderen Worten: Schwamm drüber.

Schön wär’s. Die Berliner CDU scheint nicht zu verstehen, dass die Zeiten, in denen durch – meist männliche – Machtworte und eine Partie Skat im verrauchten Hinterzimmer Konflikte beigelegt wurden, vorbei sind. Ach, die Berliner, wird mancher im Konrad-Adenauer-Haus seufzen. Die CDU-Bundeszentrale und ihr regionaler Ableger agieren oft, als lebten sie auf zwei verschiedenen Sternen.

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Auf der einen Seite eine Rechtsmitte-Partei, die unter der Vorsitzenden Angela Merkel einen klaren Kurs zur Mitte genommen hat; um Volkspartei zu bleiben, würde Merkel argumentieren. Und auf der anderen Seite eine durch den Westteil der Stadt dominierte Union, die den bekannten Berliner Schlendrian mit Wurstigkeit verbindet, was durchaus einen Charme in sich trüge – wenn sie nicht Kungelei zum Prinzip erklärte und von Bezirksvorsitzenden regiert würde, die sich gerieren wie gallische Häuptlinge. Inhaltliche Debatten? Eine Suche nach Werten und Standpunkten? Hätte die Berliner CDU einen Geschmack, es wäre der von fahl gewordenem Pils.

Wo verortet sich die CDU?

Das rüttelt an der Identität. Da marschiert die Bundespartei voran, und die Berliner hinken hinterher. Es gibt für Konservative in der CDU gute Gründe, diese „Sozialdemokratisierung“ der Parteioberen kritisch zu sehen. Aber auch für die sind die Berliner keine echte Alternative, so wenig kommen die aus dem Tran.

Und nun diese Sexismus-Debatte. Die Jura-Studentin und frisch gewählte Abgeordnete der Bezirksversammlung von Berlin-Mitte, Jenna Behrends, schrieb sich Frust von der Seele. Bisher unwidersprochen bleibt der Vorwurf über Gerüchte, sie habe sich „hochgeschlafen“ und an CDU-Landeschef Frank Henkel, der habe sie einmal als „große süße Maus“ angesprochen und einen Parteifreund gefragt: „Fickst Du sie?“

Henkel schweigt. Er zeigte sich „enttäuscht“. Der kleine süße Bär. Henkel könnte jetzt Statur zeigen und direkt auf die Vorwürfe eingehen. Er aber studiert lieber die politische Nanotechnologie in der Hoffnung, der ganze Mist werde letztendlich an ihm abperlen.

Stattdessen legen sich Frauen aus der CDU mit Behrends an. Sie sei eine „zweifelhafte Persönlichkeit“, meinte Sandra Cegla, die Vorsitzende der Frauen-Union in Mitte. Und Zana Ramadani, auch CDU-Mitglied, raunt davon, Behrends habe ihr gegenüber von einer Affäre mit CDU-Generalsekretär Peter Tauber, einem Mann aus dem fernen Raumschiff namens Konrad-Adenauer-Haus, erzählt.

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Worum geht es eigentlich?

Aha. Behrends ist also wenig glaubhaft, wenn sie anderen Mitgliedern erzählt, sie sei in jemanden verliebt? Und wenn sie mit Bundespräsident Joachim Gauck flirtete – was wäre der Punkt? Entkräftet das die Aussagen, die Henkel getätigt haben soll? Interessiert es ernsthaft, wer mit wem Sex hat oder eine Affäre oder garnichts?

Doch Cegla setzt noch einen drauf: „Behrends geht sehr offensiv auf Männer zu, in einer sexuellen Art und Weise.“ Schon wieder, geht es mir durch den Kopf, erhalte ich Informationen, nach denen ich nicht gefragt habe. Was eine sexuelle Art und Weise ist, darüber wird es ungefähr 7,125 Milliarden verschiedene Meinungen geben. Und selbst wenn Behrends herumliefe wie gerade dem Playboy-Cover entsprungen – rechtfertigt das sexistisches Verhalten? Wollen Cegla und Ramadani uns Volksweisheiten verkaufen wie „Wie man in den Wald hineinruft, schallt es heraus“? Mich erinnert dieses Gerede an die zu kurzen Röcke, die angeblich schuld sein sollen an Gewalt gegen Frauen. Die Krönung des Gruselns wäre, wenn nun Kollegen aus den Medien beginnen, von „Stutenbeißen“ zu schreiben.

Die von Behrends losgetretene Debatte wäre eine Chance. Immer noch. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, dass Sexismus immer eine Waffe ist, um Privilegien zu verteidigen. Oder wie es der römische Staatsmanns Cato der Ältere sagte, dem wird ein Satz aus dem Jahr 195 vor Christus zugesprochen: „Sobald die Weiber uns gleichgestellt sind, sind sie uns überlegen.“

Bilder: Sophia Kembowski/dpa und Florian Schuh/dpa

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