Wie Trump auf Twitter ausgenutzt wird

Der Einfluss, den Donald Trump auf die Öffentlichkeit dank Twitter hat, ist immens. Foto: AP Photo / J. David Ake
Der Einfluss, den Donald Trump auf die Öffentlichkeit dank Twitter hat, ist immens. Foto: AP Photo / J. David Ake

Indem der US-amerikanische Präsident Tweets von nicht-verifizierten Accounts teilt, verbreitet er immer wieder Verschwörungstheorien. Er beeinflusst damit auch die politische Stimmung und verstärkt Ressentiments.

Donald Trump erreicht via Twitter Millionen Menschen weltweit, direkt und ungefiltert. Er macht so Politik und Stimmung, verbreitet Lügen, Hass und Verschwörungstheorien. Keine Presseabteilung des Weißen Hauses funkt ihm dazwischen, kein Journalist und keine Journalistin haben die Möglichkeit, den Inhalt vor Veröffentlichung kritisch einzuordnen. Auf den ersten Blick wirkt es so, als profitiere Trump ausschließlich von dem sozialen Medium. Nicht ganz: Denn das selbsternannte „stabile Genie“ (stable genius) wird auf Twitter ausgetrickst und ausgenutzt. Das fand die „New York Times“ (NYT) jüngst heraus, indem sie über 11.000 Twitter-Nachrichten Trumps und die 47 Accounts, denen er folgt, ausgewertet hat.

Das grundlegende Problem: Donald Trump retweetet Ideen, mit denen er übereinstimmt. Oft, ohne die Quelle zu kennen. Durch dieses Verhalten stärke er „Verschwörungstheoretiker, Rassisten und Spione“, schreibt die NYT. Das präsidiale Siegel eines Retweets legitimiert erstens eine Aussage und zweitens erreicht sie dadurch eine riesige Öffentlichkeit – 66,5 Millionen Follower aktuell. Jeder Follower kann zudem als Multiplikator wirken, indem er oder sie einen Tweet von Donald Trump wiederum teilt.

Er macht Hashtags und Bewegungen aus dem Nichts populär

Der Hashtag #FakeWhistleblower beispielsweise wurde zuerst von einem anonymen Account mit dem Namen „QAnon“ benutzt - dahinter steht eine Bewegung, die rechtsextreme Verschwörungstheorien verbreitet. Allerdings mit wenig Erfolg. Am 30. September, so schreibt es die Website „Mashable“, griff Trump den Hashtag aber auf und verhalf ihm zu gigantischem Erfolg, er wurde in der Folge bis zu 1.200 Mal pro Stunde gesetzt.

Trump hat damit eine Verschwörungstheorie, die in seine Weltsicht passt, verbreitet und damit Falschinformationen geteilt. #FakeWhistleblower suggeriert, dass es sich bei dem unbekannten Informanten um einen Lügner halten würde. Dieser hatte mit seiner Aussage nahegelegt, dass Donald Trump durch politischen Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die kommende US-Wahl beeinflussen wollte. Was eine gravierende Straftat wäre und ein Amtsenthebungsverfahren nach sich ziehen könnte.

Den Präsidenten bequem von zuhause aus beeinflussen?

Auf den einen großen Retweet von Donald Trump zielen nicht nur Verschwörungstheoretiker ab. Die NYT hat herausgefunden, dass auch Accounts, die wohl zu Geheimdiensten aus China, Iran und Russland gehören, „Tausende Tweets direkt an Donald Trump“ gerichtet haben. Trump teile immer wieder Inhalte von nicht verifizierten, also nicht vertrauenswürdigen Quellen. Über 200 Mal ist das vorgekommen, darunter bei mindestens 145 Accounts, die Verschwörungen oder extreme Inhalte thematisierten. Über 25 davon sind mittlerweile gesperrt.

Clint Watts, ein ehemaliger FBI-Agent und Experte für Cybersicherheit, sagte der NYT: „Jeder ist in der Lage, von zuhause aus unseren Präsidenten zu lenken und zu beeinflussen. Mit Twitter lässt sich Trumps Überzeugung verzerren.“ Das sollte jede Bürgerin und jeden Bürger ängstigen, die um die eigene Sicherheit und die der Familie besorgt seien.

Besonders großen Einfluss auf Trumps Meinung haben zudem die 47 Accounts, denen er folgt. Das sind Familienmitglieder, Mitarbeiter von „Fox News“, Berühmtheiten und Mitarbeiter seines Stabs. Trumps Sohn Donald Trump Jr. habe beispielsweise zuerst Verschwörungstheorien von QAnon geteilt und dadurch vermutlich seinen Vater darauf aufmerksam gemacht. Donald Trump Jr. teilte auch mindestens einen Tweet des russischen Geheimdienstes, sein Vater tat es ihm daraufhin im September 2017 gleich.

Dass soziale Netzwerke nicht nur den Diskurs verschieben können, sondern auch Wahlen beeinflussen, ist seit dem Brexit-Votum und den vergangenen US-Präsidentschaftswahlen bekannt. Weil soziale Netzwerke ihre Nutzer sehr detailliert kennen, etwa Vorlieben, Hobbies, Freunde, Beziehungen, das Alter, die Sexualität oder politische Orientierung, kann Werbung spezifisch ausgespielt werden. Etwa Wahlwerbung: Kritisch dabei ist, dass Facebook vor kurzem veröffentlichte, diese nicht auf Wahrheit und Faktentreue hin zu überprüfen. Denn alle Aussagen von Politikern und Politikerinnen hätten einen Nachrichtenwert und die Öffentlichkeit somit ein Recht darauf, die Inhalte im Original zu lesen. Nur haben zahlreiche Politiker und Politikerinnen, allen voran Trump, wiederholt gezeigt, dass sie bereit sind, die Öffentlichkeit zum eigenen Vorteil anzulügen.

Twitter verbietet bezahlte Wahlwerbung gänzlich

Twitter geht mit diesem „Dilemma“ anders um: Es verbietet bezahlte Wahlwerbung komplett, wie der Gründer Jack Dorsey jüngst erklärte. Das ändert aber nichts daran, dass Nutzer mit hoher Reichweite, wie Trump, weiterhin Millionen Menschen mit ihren Beiträgen erreichen und beeinflussen. Im Guten wie im Schlechten.