Wiedersprüchliche Wahlerergebnisse in Algerien: Wer wird der nächste Präsident?

Nach seinem Wahlsieg in Algerien hat Präsident Abdelmadjid Tebboune gemeinsam mit seinen beiden Kontrahenten die Wahlbehörde kritisiert. Sie hat die Ergebnisse bekannt gegeben, die im Widerspruch zu früheren Zahlen zur Wahlbeteiligung und zu lokalen Auszählungen stehen.

Diese Aussagen über Unregelmäßigkeiten überschatten die anfangs scheinbar erdrutschartige Wiederwahl des 78-jährigen Präsidenten.

Die Nationale Unabhängige Wahlbehörde Algeriens (ANIE) gab am Sonntag bekannt, dass der 74-jährige Tebboune am Samstag 94,7 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Er lag damit weit vor seinen Herausforderern, Abdelali Hassani Cherif, der 3,2 Prozent der Stimmen erhielt, und dem Sozialisten Youcef Aouchiche, der 2,2 Prozent der Stimmen erhielt.

Stunden später gaben Tebboune und seine Gegner eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie dem obersten Wahlleiter vorwarfen, widersprüchliche Ergebnisse zu verkünden und die Berichterstattung über die Wahlergebnisse infrage zu stellen.

Die Beamten erklärten nicht, warum sie bei Schließung der Wahllokale zunächst eine Wahlbeteiligung von 48 Prozent verkündeten. Bevor alle drei Kandidaten die Diskrepanz anzweifelten, hatten beide Herausforderer von Tebboune bereits Bedenken geäußert und ihre eigenen Ergebnisse angeführt.

Wie es weitergehen wird ist bislang noch unklar, nachdem alle drei Kandidaten die Unregelmäßigkeiten angezweifelt haben und ob dies zu rechtlichen Anfechtungen führen oder die endgültige Bestätigung der Ergebnisse verzögern wird.

Die Wahlbehörden berichteten am Sonntag, dass 5,6 Millionen der rund 24 Millionen Wähler des Landes ihre Stimme abgegeben haben. Diese hohe Wahlenthaltung, die inoffiziell bleibt, würde die Präsidentschaftswahlen von 2019 übertreffen, an denen 39,9 Prozent der Wähler teilnahmen.

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Wahlenthaltung "eine Lektion in Demokratie" gegen Eliten

Tebboune, der als Kandidat des Militärs gilt, gewann seine erste Amtszeit im Jahr 2019 während einer weitgehend boykottierten Wahl. Menschenmengen plünderten Wahllokale und die Polizei löste Demonstrationen auf.

Der Sieg des Staatschefs hat die Skepsis gegenüber den Wahlergebnissen und die Kritik von Demokratieaktivisten geschürt. Sie betrachten Wahlen seit langem als Mittel, mit dem die politischen Eliten des Landes den Anschein von Unterstützung durch das Volk erwecken.

Viele sagten, dass die lauteste Botschaft der Wahl von denjenigen kam, die sich der Stimme enthielten, weil sie befürchteten, dass die Wahl "le pouvoir" - ein Begriff, der die vom Militär unterstützten Eliten, die das Land regieren, beschreibt - nur verfestigen und legitimieren würde.

"Die große Mehrheit des algerischen Volkes hat "le pouvoir" gerade eine Lektion in Sachen Demokratie erteilt", sagte Nassira Amour, eine Lehrerin und führende Persönlichkeit der algerischen Pro-Demokratie-Bewegung. "Die Mehrheit hat nicht gewählt… Diese Wahlmaskerade ist ein Sieg für die Hirak", fügte Amour hinzu und bezog sich dabei auf die pro-demokratische Bewegung, die das Land im Jahr 2019 eroberte.

Im Jahr 2019 überschwemmten Hirak-Demonstranten die Straßen algerischer Städte, nachdem der damalige Präsident Abdelaziz Bouteflika angedeutet hatte, dass er für eine fünfte Amtszeit kandidieren wolle. Das Militär durchkreuzte diese Pläne, woraufhin Bouteflika kurz darauf zurücktrat.

Die Übergangsregierung, die ihn ablöste, folgte dem Aufruf der Militärs, noch im selben Jahr Wahlen abzuhalten. Dies verärgerte die Demonstranten, die in der Beschleunigung der Wahlen eine Möglichkeit sahen, die Unzufriedenheit zu besänftigen und die Forderungen nach einer zivil geführten, nicht-militärischen Regierung zu umgehen.

Amnesty International verurteilte in der vergangenen Woche das "brutale Vorgehen Algeriens gegen die Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen des Landes".