WikiLeaks-Gründer Assange festgenommen - USA werfen Verschwörung mit Manning vor

Julian Assange wurde festgenommen. (Bild: REUTERS/Peter Nicholls)
Julian Assange wurde festgenommen. (Bild: REUTERS/Peter Nicholls)

Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nach fast sieben Jahren Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors festgenommen worden. Die US-Justiz hat einen Auslieferungsantrag für den Enthüllungsaktivisten gestellt, wie die britische Polizei am Donnerstag bestätigte.

Die US-Justiz wirft Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange werde beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, hieß es am Donnerstag in einer Mitteilung des Justizministeriums zum US-Auslieferungsantrag an Großbritannien.

Die Gefahr einer Auslieferung an die USA ist genau das, was Assange veranlasste, in die Botschaft zu flüchten und so lange dort auszuharren. Ecuadors Präsident Lenin Moreno sagte zugleich, die britische Regierung habe schriftlich zugesagt, Assange nicht an ein Land auszuliefern, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe drohten.

Ecuador entzog Asyl

Vor der Festnahme am Donnerstag entzog die Regierung Ecuadors Assange das diplomatische Asyl, mit der Begründung, er habe gegen die Auflagen dafür verstoßen. Die britische Polizei teilte mit, der Botschafter habe sie in die Botschaft eingeladen. Assange solle so schnell wie möglich einem Richter vorgeführt werden.

Ein Video der von Russland finanzierten Nachrichtenagentur Ruptly zeigte, wie Sicherheitskräfte Assange aus der Tür der Botschaft heraus und in ein bereitstehendes Einsatzfahrzeug zwangen.

Wikileaks trat zunächst in Erscheinung mit der Veröffentlichung geheimer US-Dateien, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen und die Tötung von Zivilisten durch amerikanische Truppen in Afghanistan dokumentierten.

Zuletzt stand Wikileaks aber vor allem im Fokus von US-Ermittlungen, weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gestohlene E-Mails der demokratischen Partei veröffentlichte. US-Behörden gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern heruntergeladen und Wikileaks zugespielt wurden. Diesen Aspekt hat auch FBI-Sonderermittler Robert Mueller in seinem Abschlussbericht über die vermutete russische Einmischung bei der von Donald Trump gewonnenen Präsidentenwahl festgehalten.

Wikileaks warf Ecuador am Donnerstag vor, mit der Entziehung des politischen Asyls für Assange internationales Recht zu brechen.

Russland verurteilt Festnahme

Whistleblower Edward Snowden, der im russischen Exil lebt, schrieb auf Twitter: “Assanges Kritiker mögen jubeln, aber das ist ein dunkler Moment für die Pressefreiheit.” Das russische Außenministerium kritisierte die Festnahme. Der Kreml teilte mit, er hoffe, dass die Rechte Assanges respektiert würden. US-Schauspielerin Pamela Anderson, die den 47-jährigen mehrfach in der Botschaft besucht hatte, schrieb: “Ich bin schockiert.” Sie warf den Briten vor, sie bräuchten eine Ablenkung vom “idiotischen Brexit-Mist”.

Ecuadors Präsident Lenin Moreno dagegen betonte, Asyl zu gewähren oder zu entziehen sei Recht des Staats. Er warf Assange die Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten sowie unhöfliches und aggressives Verhalten vor.

Großbritanniens Regierung begrüßte die Festnahme. “Julian Assange ist kein Held und niemand steht über dem Gesetz”, schrieb Außenminister Jeremy Hunt auf Twitter. “Es hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt.” Die zusätzlichen Polizeiwachen vor der Botschaft hatten die britischen Steuerzahlen über die vergangenen Jahre Millionen gekostet.

Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht. Kritiker werfen ihm vor, er sei ein einen Selbstdarsteller, der Menschenleben gefährdet habe. Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Aufklärer.

Werden Vergewaltigungsvorwürfe neu aufgerollt?

Als Assange in die diplomatische Vertretung flüchtete, lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Er befürchtete, zunächst nach Skandinavien und schließlich an die USA ausgeliefert zu werden. Im Mai 2017 stellte die Staatsanwaltschaft in Schweden jedoch ihre Ermittlungen ein.

Nun fordert die Frau, die damals die Vorwürfe erhoben hatte, dass der Fall nach Assanges Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin teilte am Donnerstag mit, sie werde daran arbeiten, dass die Staatsanwaltschaft die vorläufigen Ermittlungen in Schweden wieder aufnehme. Ziel sei es, dass Assange an Schweden ausgeliefert und wegen Vergewaltigung strafrechtlich verfolgt werden könne, hieß es in einer E-Mail der Anwältin Elisabeth Massi Fritz an die Deutsche Presse-Agentur.

Staatsanwältin Ingrid Isgren teilte mit, die Situation sei auch für sie völlig neu und sie wisse noch nicht, warum Assange festgenommen wurde. Kommentieren könne die Staatsanwaltschaft die Entwicklung nicht. Grundsätzlich könne eine vorläufige Untersuchung wieder aufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. In dem Fall, dem Tatverdacht der Vergewaltigung, laufe die Frist Mitte August 2020 ab.

Assange war vorgeworfen worden, 2010 zwei Frauen in Schweden vergewaltigt und sexuell genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt, weil sie keine Möglichkeiten sah, die Ermittlungen weiterzuführen. Die Schuldfrage sei damit aber nicht geklärt.