Wirtschaftsmediatorin Stephanie Huber - So simpel ist es, eine Konfliktspirale zu durchbrechen
Konflikte sind ein Zeichen dafür, dass etwas ist in Unordnung geraten ist. Doch meist haben sie gar nicht viel mit der Sache, sondern mit dem eigenen Ego zu tun. Mediatoren Stephanie Huber gibt Tipps, wie Sie aus der Konfliktspirale herausfinden.
Die meisten Konflikte haben in der Regel einen ähnlichen Verlauf. Die Gesprächsparteien tauschen zunächst Daten, Fakten und Argumente aus. Aber dann werden sie emotional und setzen eine Konfliktspirale in Gang. Auf einen vermeintlichen Angriff erfolgt Kampf oder Flucht, und daraus wächst Wut, Ärger, Schuldzuweisungen, Anklagen, das Ego und der Stolz werden verletzt. Es wird um Macht, Kontrolle, Rechthaben, Gier und Gewinn gekämpft.
Wer erkennt, dass der Auslöser für den Konflikt die Emotionen sind, die sich hinter der Sache elegant verbergen, der kann die Konfliktspirale anhalten. Wer hingegen erkennt, dass er seinen Kontrahenten verletzt und trotzdem um Rechthaben, Kontrolle und Stolz kämpft, der hat ein Problem, nämlich mit seinem Ego.
Jeder vernünftige Mensch erkennt irgendwann, dass er selbst dazu beiträgt, den Konflikt aufrechtzuerhalten. In diesem Moment liegt es in seiner Macht, die Spirale zu stoppen und nachzudenken.
Wenn Sie sich streiten, egal um was oder mit wem, sehen Sie sich die Konfliktspirale an und fragen Sie sich, worum geht es mir wirklich? Vielleicht können Sie sich auch in Ihren Gegenüber hineinversetzen und erkennen, worum es ihm geht?
Praxisbeispiel: die vereinfachte Konfliktspirale
Sie treten mir auf die Zehen, also trete ich Ihnen als Antwort auch auf die Zehen. Dann sind Sie wieder dran, treten mir gegen das Schienbein, ich mache es Ihnen nach und dann sind Sie wieder dran und so weiter und so fort. Es beginnt wie bei einem Ping-Pong-Spiel mit einem Aufschlag, und dann erfolgt ein Hin und ein Her, und keiner möchte der Verlierer sein und den Ball fallenlassen. Auf eine Aktion wird mit einer Reaktion geantwortet, dabei wäre eine Reflektion die weitaus konstruktivere Antwort.
Der Konflikt sowie die Konfliktspirale drehen sich nie um die Sache, sondern immer nur um den Menschen, der sich hinter dem Streit verbirgt. Das sachliche Streitthema rückt allmählich in den Hintergrund und gibt das Kernthema frei, um das es wirklich geht. Wichtig ist dann:
Emotionen nicht mit Handlungen zu verknüpfen, sondern Emotionen Emotionen sein zu lassen
Emotionen als das zu erkennen, was sie sind, nämlich Erwartungshaltungen/Muster
das Bewusstseins, dass sich die Konfliktspirale dreht und es einer bewussten Entscheidung bedarf
Jeder kann die Konfliktspirale anhalten, wenn er selbst drinsteckt
Sehen Sie sich die Konfliktspirale an und fragen Sie sich, worum geht es wirklich? Welche Emotion steckt im jeweiligen Streit? Um was kämpfen Sie, um Rechthaben, Kontrolle, Macht, Stolz, Verletzung oder gar Schuldzuweisungen? Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und sehen Sie sich immer und immer wieder die Konfliktspirale an. Sie werden darin finden, worum es geht.
Die Konfliktspirale
Reflektieren Sie ihren eigenen Anteil an der Konfliktspirale und ermöglichen Sie damit den Abbruch der Eskalation und das Ermitteln der Konfliktursache.
Wenn Ihnen die Reflexion über Sie selbst noch schwerfallen sollte, dann tun Sie sich vielleicht leichter, erst einmal das Thema Ihres Konfliktgegners zu erkennen. Das wird eng mit Ihrem Thema verbunden sein, sonst würden Sie nicht darauf reagieren. Wir reagieren nur auf Dinge, die uns auch betreffen, die etwas mit uns zu tun haben. Bei allen weiteren Dingen können wir wesentlich souveräner reagieren. Vielleicht müssen Sie es öfters und bei unterschiedlichen Konflikten versuchen, um Ihr Konfliktthema zu erkennen.
Wenn Sie erkennen, dass es um Verletzungen geht, die hin und her fliegen, dann können Sie das Spiel, das in Wirklichkeit gar keins ist, beenden. Oder Sie lassen es weiterlaufen, das sollte jedoch eine bewusste Entscheidung sein. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass sie sich sehr verletzt fühlen.
Folgende Sichtweise könnten Sie verändern. Wenn Sie denken: Ich habe recht! Dann könnten Sie vielleicht in Zukunft denken: Ich habe recht – mein Recht. Und der Gegenüber hat sein Recht. Ein Streit um Rechthaben ist in den allermeisten Fällen vollkommener Nonsens. Jeder der Streitenden wird mit Argumenten, Daten und Fakten aufwarten. Es werden Studien und wissenschaftliche Belege vorgelegt, die beweisen sollen, dass der recht hat, der sie aufführt.
Dazu fällt mir ein Satz ein, den ich einmal von einem Universitätsprofessor gehört habe: Traue nur der Studie, die du selbst gefälscht hast. Ich mag damit niemandem und keiner Studie zu nahe treten. Ich möchte damit nur ausdrücken, dass Studien in den meisten Fällen subjektiv sind, weil sie zum Beispiel zweckgebunden erstellt wurden. Werden sie dann in einem anderen Kontext verwendet, stellen sie zwar gute Argumente dar. Jedoch wird jeder der Streitenden sich „nur“ die Studien heraussuchen, die sein Recht unterstreichen. Außer er oder sie hat die Größe zuzugeben, dass Recht meist subjektiv ist - und eng mit der jeweiligen Erwartungshaltung verbunden ist.
Tragen Sie Konflikte konstruktiv aus
Konflikte lassen sich bewusst und entschlossen kontrollieren, um eine ungebremste Eskalation zu vermeiden. Dazu dienen die Vereinbarung und das Einhalten von Gesprächsregeln, aufmerksames Zuhören und das Sich-Hineinfühlen in seinen Kontrahenten. Auch die Beachtung von Körpersprache und der äußeren Bedingungen der Konfliktsituation können bei der Konfliktklärung eine wesentliche Rolle spielen. Mit gezielten, analytischen Fragen können Sie schließlich eine Klärung des Konflikts herbeiführen.
Entscheiden Sie sich bewusst für eine Klärung des Konflikts
Die Bereitschaft zur Konfliktklärung beruht in der Regel ebenso wie Vertrauen auf einer bewussten Entscheidung. Treffen Sie sie nicht, sind Sie in der Opferrolle – auch eine Entscheidung. Nur sagen Sie bitte nie wieder, die anderen sind schuld. Denn jeder Konflikt ist klärbar. Nicht immer von allen Parteien gemeinsam und nicht immer zur allseitigen Zufriedenheit, aber klärbar, wenn Sie Vertrauen in sich und Ihre Fähigkeiten haben.
Es erwartet niemand von Ihnen, dass Sie wie ein Überflieger von jetzt auf gleich alle Gewohnheiten und Muster verändern, nur um möglichst friedlich Ihre Konflikte und Probleme zu klären. Es geht viel eher darum, dass Sie erkennen, dass Sie bei jedem Konflikt die Macht haben, ihn zu verändern und auch zu beenden. Sie treffen die Entscheidung.
Konflikte sind ein Zeichen dafür, dass etwas ist in Unordnung geraten ist. Entscheiden Sie sich dafür, sie zu strukturieren und zu ordnen, zu klären, also Licht ins Dunkle zu bringen. Tun Sie nichts, verändern Sie wahrscheinlich nichts – aber erreichen auch keinen Fortschritt. Fortschritt beginnt im Hier und Jetzt, in der Gegenwart – nicht gestern und nicht morgen.
Erwarten Sie den Fortschritt nicht im Sprint, sondern erkennen Sie ihn mit jedem einzelnen Schritt.