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Wie weiter mit der Gaspreisbremse?

Berlin (dpa) - Die Gaspreisbremse soll ein zentrales Rettungsinstrument der Bundesregierung in der Energiekrise sein - Millionen von Verbrauchern und Unternehmen warten händeringend auf Einzelheiten.

Am Montag dürfte es konkret werden. Dann rechnet Kanzler Olaf Scholz mit Ergebnissen einer Expertenkommission. Die Regierung werde sich «sofort und intensiv» damit beschäftigen, kündigte ein Regierungssprecher an. Wie und wann die Öffentlichkeit informiert werden soll, war am Freitag noch unklar.

Die Vorsitzenden der Kommission - in der Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften und Energieexperten sitzen - hatten erklärt, am Wochenende einen «belastbaren Vorschlag» über eine Gaspreisbremse zu erarbeiten und dann der Politik vorzulegen. Danach müsse die Regierung zügig handeln, sagte die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Menschen erwarten, dass die Preisbremse wirksam und unbürokratisch ist.» Profitieren müssten vor allem jene, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stünden.

Welche Kriterien gelten für die Bremse?

Die Experten müssen ein paar widerstrebende Prinzipien unter einen Hut bringen. Einerseits soll es schnell gehen, andererseits gerecht zugehen und praktikabel sein - und Anreize zum Gassparen dürfen angesichts hoher Preise und drohender Knappheit auch nicht verloren gehen. Der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, mahnt zudem: «Die Politik wird 18 oder 24 Monate an Subventionen für Gaspreise und Energie leisten können. Danach müssen Unternehmen und Menschen wieder auf eigenen Füßen stehen können.»

Welche Hürden gibt es für die Umsetzung?

Energiebranche und Stadtwerke warnen vor allzu komplexen Regelungen. Es handle sich um einen Massenmarkt mit automatisierten Verfahren, mahnt die Chefin des Energiebranchenverbandes BDEW, Kerstin Andreae. Es gehe um 20 Millionen Haushalte und eine sehr große Zahl an Verträgen mit Unternehmen und Industrie. Änderungen machten die Versorger «nicht per Knopfdruck». Eine Sprecherin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), betont aus Sicht der Stadtwerke: «Lieber einfach, schnell und wirksam - hypergerecht ist kompliziert und dauert zu lange.» Sie warnt: «Ein Bonus, den niemand versteht, der nicht rechtzeitig funktioniert oder gar in der Umsetzung scheitert, wäre ein Desaster.»

Welche Modelle sind denkbar?

Einmalzahlung: Die Vorsitzende der Gaspreiskommission, die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, plädiert für eine einmalige Zahlung, weil damit der Anreiz zum Gassparen erhalten bliebe. «Einen viel geringeren Sparanreiz hätte man, würde man den Gaspreis um einen bestimmten Prozentsatz senken», sagte die Professorin der Funke-Mediengruppe. Wenn man den Menschen eine Einmalzahlung zukommen lasse, hätten sie hingegen noch viel davon, weniger Gas zu verbrauchen.

Rabatt: Der VKU plädiert für einen festen Rabatt je Kilowattstunde. Dabei dürfe das hohe Preisniveau aber nicht komplett ausgeglichen werden, damit Anreize zum Energiesparen blieben, erklärt eine Sprecherin. Der Energieexperte Felix Matthes vom Berliner Öko-Institut hat dem «Spiegel» zufolge solch einen staatlich subventionierten Nachlass vorgeschlagen - als Übergangslösung, bis im Sommer ein komplexeres Modell steht. Bis dahin sollten alle 20 Millionen Haushalte, die mit Gas heizen, einige Cent Rabatt auf den Preis bekommen, den sie pro Kilowattstunde zahlen. Bis zu vier Cent könnten es demnach sein. Diese «Energiekostenpauschale» würde Haushalten mit niedrigem Preis allerdings keinen Sparanreiz bieten und Kunden mit sehr hohen Preisen nur wenig helfen.

Preisdeckel: Beim Deckelmodell würde für einen Grundverbrauch für einen Haushalt eine Preisobergrenze pro Kilowattstunde gelten. Für alles darüber würden marktübliche Preise gelten, also stärkere Sparanreize greifen. Der Ökonom Andreas Fischer vom Institut der deutschen Wirtschaft hält das für einen gangbaren Weg. Der Deckel müsse aber auf über dem Preisniveau der vergangenen Jahre greifen. «Wichtig ist dabei, dass der erwartete Verbrauch nicht zu 100 Prozent mit dem Preisdeckel versehen wird, sondern bereits eine vorgegebene Einsparquote berücksichtigt. So werden die Verbraucher davor geschützt, dass sie sich ihren Grundverbrauch schlicht nicht mehr leisten können. Allerdings bestehen weiterhin deutliche Anreize, diesen relativ gering zu halten.»

Die Umsetzung wäre nicht einfach. So kennen die Energieversorger die Zahl der Personen im jeweiligen Haushalt nicht. Und wenn der Vorjahresverbrauch zum Vergleich herbeigezogen wird, würden bisher schon sparsame Haushalte im Vergleich zu solchen mit hohem Verbrauch in der Vergangenheit benachteiligt. Der VKU warnt auch: «Der exakte Vorjahresverbrauch je Kalenderjahr liegt nicht gesichert für alle Kunden vor, wenn beispielsweise Personen unterjährig umziehen oder ihre Lieferanten wechseln.»

Wie sieht es derzeit mit der Gasversorgung in Deutschland aus?

Die deutschen Gasspeicher sind zu über 90 Prozent gefüllt. Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller warnte dennoch erst am Donnerstag: «Der Gasverbrauch ist auch letzte Woche zu stark angestiegen.» Nach den Zahlen der Aufsichtsbehörde lag der Gasverbrauch der privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden in der vergangenen Woche fast 10 Prozent über dem durchschnittlichen Verbrauchsniveau der Jahre 2018 bis 2021. Das dürfte auch daran liegen, dass der September vergleichsweise kühl ausfiel. Deutschland werde eine Gasnotlage im Winter ohne mindestens 20 Prozent Einsparungen im privaten, gewerblichen und industriellen Bereich kaum vermeiden können, betont Müller.

Woher soll das Geld für die Gaspreisbremse kommen?

Aus dem von der Bundesregierung angekündigten 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds («Abwehrschirm») zur Entlastung von Bürgern und Unternehmen. Die Bundesregierung berät zurzeit über einen Entwurf des Bundesfinanzministeriums für entsprechende Kredite. Für diese Ausgaben stehen im Zweifelsfall also auch deutsche Steuerzahler gerade.

Wie geht es weiter, wenn die Kommission sich auf ein Konzept geeinigt hat?

Eine Einigung in letzter Minute ist wahrscheinlich, vielleicht in der Nacht zum Montag. Wenn die Kommission ihr Konzept vorgestellt hat, muss die Bundesregierung entscheiden, welchen Weg sie auf der Grundlage des Expertenrats geht, und zwar insbesondere das Wirtschafts- und Finanzministerium und das Kanzleramt. Auch hier drängt die Zeit, denn mit der kalten Jahreszeit steigt der Gasverbrauch und damit auch die Kosten für Verbraucher und Unternehmen.