"Im Wirtshaus unter Menschen sitzen und an einem Bier nippen ..."

"Als ich damals gefragt wurde, erschrak ich im ersten Moment": Der fränkische Kabarettist Matthias Egersdörfer hätte niemals damit gerechnet, "Tatort"-Ermittler zu werden. Nun steht er bereits vor seinem siebten Fall als Michael Schatz, Leiter der Spurensicherung. (Bild: 2015 Getty Images/Christian Marquardt)
"Als ich damals gefragt wurde, erschrak ich im ersten Moment": Der fränkische Kabarettist Matthias Egersdörfer hätte niemals damit gerechnet, "Tatort"-Ermittler zu werden. Nun steht er bereits vor seinem siebten Fall als Michael Schatz, Leiter der Spurensicherung. (Bild: 2015 Getty Images/Christian Marquardt)

Fragt man den fränkischen Kabarettisten und "Tatort"-Schauspieler Matthias Egersdörfer, worauf er sich am meisten freut, sobald die Pandemie-Lage wieder einmal so etwas wie Normalität erlaubt, kommt eine geradezu rührende Antwort, die schon viel sagt über den Mann aus Fürth: "Auf a Seidla Bier unter Leuten - irgendwo, es muss nicht mal schön sein."

Nicht selten lässt sich im Interview mit Matthias Egersdörfer das Erstaunen des Befragten fast mit Händen greifen. "Ach so!", sagt er dann, bevor er zur Antwort kommt, und klingt dabei so verblüfft, als wundere er sich schon darüber, dass man ihm überhaupt eine Frage gestellt hat. Der 51-jährige Kabarettist, der so trefflich den fränkischen Choleriker gibt, neigt abseits der Bühne weiß Gott nicht zur Prahlerei. Der in Nürnberg geborene und in Lauf aufgewachsene Wahl-Fürther gibt sich im Gespräch, ganz im Gegensatz zu seinen mürrischen Auftritten, stets freundlich und nachdenklich - und hält es lieber mit der legendären fränkischen Bescheidenheit: Einer, der weiß, wer er ist, was er hat, was er kann - und der keine Notwendigkeit sieht, darüber hinaus viel Wind zu machen. Insofern scheint Egersdörfer von seiner Rolle im Franken-"Tatort", wo er als fränkelnder Leiter der Spurensicherung schon seit sechs Jahren wie ein Fels in der Brandung wirkt, gar nicht mal so weit entfernt. Der neue Fall, "Tatort: Wo ist Mike?", wird am Sonntag, 16. Mai, 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt.

teleschau: Bis zu Ihrem "Tatort"-Engagement vor sechs Jahren konnte man sich ja vieles vorstellen - aber nicht, dass der Kabarettist Matthias Egersdörfer als TV-Spurensicherer eine zweite Karriere starten würde.

Matthias Egersdörfer: In der Tat, ich konnte mir das auch nicht vorstellen. Als ich damals gefragt wurde, erschrak ich im ersten Moment. Frank-Markus Barwasser, der zunächst für die Rolle vorgesehen war, konnte nicht, und da die Produktion anscheinend einen fränkischen Kabarettisten wollte, wurde ich gefragt. Der Job hat mir gefallen: Im weißen Überzieher am Tatort stehen und wichtig daherreden. Hauptkommissar der Spurensicherung - das lass ich mir gern auf die Visitenkarte drucken. Im Grunde ist das vom Kabarettisten gar nicht so weit entfernt.

teleschau: Inwiefern?

Egersdörfer: Eine Journalistin hat mich auf den Gedanken gebracht, und ich finde, der passt eigentlich ganz gut: Als Spurensicherer wie als Kabarettist geht es darum, relevante Beweismittel aufzusammeln, alles zu einem größeren Bild zusammenzufügen, um damit im besten Fall den Tathergang zu erklären. Damit endet aber auch schon die Übereinstimmung. Der Spusi-Mann aus dem "Tatort", Michael Schatz, kennt sich mit den Naturwissenschaften bestens aus, der Egersdörfer hingegen gar nicht. Meine ehemaligen Lehrer können das jederzeit bestätigen und hinlänglich beweisen.

teleschau: Welche Abi-Fächer hatten Sie denn?

Egersörfer: Kunst und Latein. Und als Grundkurs Religion und Mathe, das musste ich nehmen. Meine Abitur-Note möchte ich lieber verschweigen. Das Zeugnis ist auch irgendwo hinverschwunden ...

teleschau: Wie waren Sie in Deutsch?

Egersdörfer: Geschrieben habe ich schon immer gern. Fehlerhafte Rechtschreibung und willkürliche Interpunktion führten aber zu keinen guten Zensuren.

teleschau: Könnten Sie reines Hochdeutsch, wenn Sie denn wollten?

Egersdörfer: Reines Hochdeutsch? Daran haben sich ja schon namhafte konservative Politiker aus Franken sehr verkrampft versucht und sind meistens gescheitert. Ich könnte es schon probieren. Theoretisch ist das vorstellbar. Aber es gibt einige Laute, so ein R zum Bespiel, da würde man immer merken, wo ich herkomme. Der Versuch ist letztendlich zwecklos. Ich habe von Schauspielschülern gehört, dass versucht wurde, ihnen in regelrechten Folterkammern der Sprache den Dialekt abzugewöhnen. Ich habe keine Schauspielschule besucht und bin froh, dass mir die Streckbank für die Zunge erspart geblieben ist. Die Einfärbung krieg ich beim besten Willen nicht raus.

teleschau: Aber Sie wollen auch gar nicht, oder?

Egersdörfer: Richtig. In den 90-ern beim Freien Theater wurde ich für mehrere Rollen zum Hochdeutschen genötigt - ich bin grandios daran gescheitert. Hochdeutsch haut nicht hin, ich spreche jetzt im Dialekt.

Auch in "Tatort: Wo ist Mike?" (Sonntag, 16. Mai, 20.15 Uhr) gibt Matthias Egersdörfer (rechts, Szene mit Fabian Hinrichs) den Stoiker vom Dienst: Michael Schatz untersucht einen Schrank im Labor nach Fingerabdrücken. (Bild: BR/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH/Hendrik Heiden)
Auch in "Tatort: Wo ist Mike?" (Sonntag, 16. Mai, 20.15 Uhr) gibt Matthias Egersdörfer (rechts, Szene mit Fabian Hinrichs) den Stoiker vom Dienst: Michael Schatz untersucht einen Schrank im Labor nach Fingerabdrücken. (Bild: BR/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH/Hendrik Heiden)

"In meinem Leben gab es einige Irrwege und Sackgassen"

teleschau: Sie standen schon am Gymnasium in Lauf auf der Bühne. Dachten Sie damals schon ans Kabarett?

Egersdörfer: Nein, gar nicht. Das war zwar unglaublich schön am Schultheater, aber in meinem Leben gab es einige Irrwege und Sackgassen, ich habe mich ein paarmal verlaufen, bis ich - eher aus der Not heraus - irgendwann gesagt habe, dass ich das jetzt zum Beruf mache ...

teleschau: Aus der Not heraus?

Egersdörfer: Ja, ich musste halt meinen Lebensunterhalt bestreiten - und ich hatte mich lange nicht getraut, mir zuzugestehen, dass ich das mit Bühnenauftritten schaffen könnte.

teleschau: Sie arbeiteten erst bei einer Online-Agentur ...

Egersdörfer: Ich dachte eben, dass Geldverdienen nichts mit der Bühne zu tun hat. Also habe ich, nachdem ich jahrelang Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie studiert hatte, mit fast 30 Jahren eine Lehre zum Mediengestalter gemacht. Nur um zu sehen, dass das nichts für mich ist. Danach habe ich Kunst studiert - dann kam ich der Sache schon näher. Nebenbei habe ich an meinen ersten Kabarettnummern gearbeitet.

teleschau: Sie verbrachten Ihren Zivildienst in Hamburg. Wie haben Sie das überlebt?

Egersdörfer: Das war wirklich nicht die angenehmste Zeit. Es gab einige heikle Situationen: Leute, die unbedingt meinen Dialekt nachäffen mussten ... - Da ist man schon mal schnell im Bereich der Handgreiflichkeit, also fast. Wenn du in einer Hamburger Bäckerei "Grüß Gott" sagst, schauen die dich an, als würdest du den Teufel aus der tiefsten Hölle heraufbeschwören. Ich war froh, als die Zeit vorbei war. Kurios ist: Wenn ich als Kabarettist in Hamburg oder in anderen nordischen Gefilden auftrete, ist es so, dass mich alle sehr freundlich empfangen. Ich habe auch das Gefühl, dass ich weitgehend verstanden werde. Man hat mich in Hamburg - trotz oder wegen meiner Sprache - schon mit einem Preis ausgezeichnet, da hat man mich in Franken noch gar nicht richtig gekannt.

Das Ermittler-Team des Franken-"Tatorts" wurde perfekt zusammengestellt (von links): Matthias Egersdörfer (Rolle: Michael Schatz), Dagmar Manzel (Rolle: Paula Ringelhahn), Andreas Leopold Schadt (Rolle: Sebastian Fleischer), Fabian Hinrichs (Rolle: Felix Voss) und Eli Wasserscheid (Rolle: Wanda Goldwasser). (Bild: BR / Fabian Stoffers)
Das Ermittler-Team des Franken-"Tatorts" wurde perfekt zusammengestellt (von links): Matthias Egersdörfer (Rolle: Michael Schatz), Dagmar Manzel (Rolle: Paula Ringelhahn), Andreas Leopold Schadt (Rolle: Sebastian Fleischer), Fabian Hinrichs (Rolle: Felix Voss) und Eli Wasserscheid (Rolle: Wanda Goldwasser). (Bild: BR / Fabian Stoffers)

"Bier war mein Initiationsgetränk"

teleschau: Hat sich Ihr Leben mit dem Franken-"Tatort" verändert?

Egersdörfer: Ein bisschen. Obwohl ich vorher auch schon vereinzelt erkannt wurde. Die Leute sagen oft: "Tatort! Tatort?" Ich antworte dann gern: "Tatort! Genau!". Die meisten denken, ich bin Schauspieler, weil sie mich halt nur als Michael Schatz kennen. Ein paar kennen mich jetzt vielleicht auch aus den "Eberhoferkrimis" in der Rolle des Rockers Beischl. Viele sind auf jeden Fall ganz überrascht, wenn ich ihnen sage, dass ich hauptberuflich Kabarettist bin. Aber das macht ja nichts.

teleschau: Ist der Franke an sich eher bescheiden?

Egersdörfer: Im Vergleich zu den Oberbayern unbedingt. Wann immer ich mal in München war und dort auf die Einheimischen gestoßen bin, habe ich gestaunt über das selbstbewusste Auftreten und den Wirbel, den manche da veranstalten. Im Grunde war ich immer froh, wenn ich wieder daheim war. Es ist schon ein ziemlicher Kontrast zu Franken. Bei uns steckt halt das Evangelische tief drin - wir haben wahrscheinlich eine Urangst in uns, dass es nicht guttut, wenn man voll des Lobes über sich selbst spricht. Oberbayern ist sicherlich barocker und sinnlicher geprägt. Wir Franken halten uns eher zurück.

teleschau: Wobei die Franken ja auch nicht wirklich homogen sind ...

Egersdörfer: Da gibt's regional erhebliche Unterschiede. Wer es nicht glaubt, muss im Sommer - wenn das irgendwann wieder möglich sein sollte - mal auf ein unterfränkisches Weinfest gehen und dann ein paar Tage später auf ein Bierfest in Mittel- oder Oberfranken. Dazwischen liegen Welten - nicht nur, was das gefeierte Getränk angeht.

teleschau: Also dann die Gewissensfrage: Wein oder Bier?

Egersdörfer: Ich mag im Grunde beides, habe mich aber schon in jungen Jahren entschieden, das Bier zu bevorzugen. Es war mein Initiationsgetränk, und größtenteils habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.

teleschau: Auf Ihrer Facebookseite haben Sie Ihre Follower im Winter mit täglichen Bierverköstigungen beglückt ...

Egersdörfer: Was man als Kabarettist aus Mittelfranken alles so macht im Lockdown. Ich war im November in der Rhön zum Kurzurlaub, und als Mitbringsel habe ich mir einen Adventskalender mit fränkischen Bieren gekauft. Aus der Not der spielfreien Zeit heraus kam ich auf die Idee, jeden Tag eine oder zwei Flaschen zu trinken und das Geschmackserlebnis auf Facebook darzustellen. Die Resonanz hat mich beglückt. Ich bin sogar in Kontakt gekommen mit Braumeistern aus der Rhön.

teleschau: Ist das fränkische Bier das beste der Welt?

Egersdörfer: Ich würde mir in meiner fränkischen Bescheidenheit nicht erlauben, das so direkt zu behaupten. Aber wenn Sie es so sagen wollen, will ich nicht widersprechen ... Würde ich woanders leben, müsste ich mir das Bier auf jeden Fall schicken lassen - ein triftiger Grund, lieber daheim zu bleiben. Aber grundsätzlich tönt der Franke nicht herum, dass er in irgendwas am besten ist.

A Draum: Der Kabarettist Matthias Egersdörfer (51) spielt den Mann von der Spusi, Michael Schatz, der im "Franken-Tatort" für den typisch fränkischen trockenen Humor zuständig ist. Das Wort "Bierruhe" wurde für solche Männer erfunden. Lässiger geht es nicht! (Bild: BR / Olaf Tiedje)
A Draum: Der Kabarettist Matthias Egersdörfer (51) spielt den Mann von der Spusi, Michael Schatz, der im "Franken-Tatort" für den typisch fränkischen trockenen Humor zuständig ist. Das Wort "Bierruhe" wurde für solche Männer erfunden. Lässiger geht es nicht! (Bild: BR / Olaf Tiedje)

"Bin überzeugt, dass das Licht schnell wieder angeht"

teleschau: Man kann den Franken aber nicht nachsagen, dass Sie nicht weltoffen sind.

Egersdörder: Keinesfalls. Albrecht Dürer war ja damals schon in Italien und auch sonst viel unterwegs. Der Nürnberger Martin Behaim hat im 15. Jahrhundert den ersten Globus der Welt gebastelt. Es handelt sich durchaus um eine aufgeschlossene Bevölkerungsgruppe.

teleschau: Fast wäre ein Franke Bundeskanzlerkandidat geworden ...

Egersdörfer: Oh mei! Was für ein Geeiere. Ein bayerischer Wunschtraum von einem Mittelfranken geträumt. So schöne Fotos hat er mit der Frau Merkel am Chiemsee gemacht. Alles für die Katz. Ich war froh, als das endlich ausgekartelt war - denn das war schon sehr zäh.

teleschau: Bundeskanzler Söder - hätte Ihnen das gefallen?

Egersdörfer: Ach, damit habe ich mich noch gar nicht so auseinandergesetzt - und jetzt ist es ja eh vom Tisch. Jetzt werden wir halt weiterhin vom Ministerpräsidenten direkt in der bezaubernden Heimat mit schönstem Glück überschüttet.

teleschau: Sind Sie Club-Fan?

Egersdörfer: Ich bin Club-Fan und Greuther-Fürth-Fan - woran man schon sieht, dass ich von der Materie Fußball eigentlich überhaupt keine Ahnung habe.

teleschau: Dann reden wir lieber noch etwas über die Politik. Sie sind als Kabarettist von den Corona-Maßnahmen unmittelbar betroffen - Ihre Tourtermine mussten Sie zuletzt reihenweise absagen...

Egersdörfer: Ja, im Januar hätte eigentlich die Premiere meines neuen Programmes "Nachrichten aus dem Hinterhaus" stattfinden sollen. Aber bisher hatten wir nicht einen Auftritt. Stattdessen habe ich mit meiner Regisseurin Claudia Schulz geprobt und geprobt - mehr als je zuvor. Ich vermisse es sehr: das Publikum und auf der Bühne zu stehen. Aber es hilft alles nichts.

teleschau: Denken Sie, dass Ihre Tour im Sommer endlich anlaufen kann?

Egersdörfer: Ich habe keine Ahnung ... Ich würde es mir wünschen, aber mein Gefühl sagt mir, dass das alles noch a weng dauert. Zuversichtlich bin ich aber insofern, als dass das Publikum sofort wieder da wäre, wenn, sobald es möglich ist. Das merke ich ja schon bei mir: Die Sehnsucht nach einem Konzert, nach Theater oder nach einem Ausstellungsbesuch ist riesengroß. Man guckt derzeit zwar viel in die Glotze und streamt alles Mögliche, aber das ersetzt das Live-Erlebnis niemals. Ich bin überzeugt, dass das Licht schnell wieder angeht. Die Frage ist nur, wann es soweit ist. Als damals die Prohibition in den USA aufgehoben wurde, haben die dort auch tagelang durchgesoffen.

teleschau: Also: Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn das Licht wieder angeht?

Egersdörfer: In meiner fränkischen Bescheidenheit ist die Antwort eindeutig: Auf a Seidla Bier unter Leuten - irgendwo, es muss nicht mal schön sein, und wenn das Bier lauwarm ist und zu wenig Kohlensäure hat, oder wenn die Bedienung unfreundlich ist ... Alles egal. Hauptsache, im Wirtshaus unter Menschen sitzen und an einem Bier nippen. Schon beim Gedanken daran krieg ich Gänsehaut. Und dann freue ich mich natürlich auf das erste Konzert: Im selben Raum mit einem Gitarristen, der sein Instrument bearbeitet, zu stehen, das kommt mir momentan vor wie das Paradies. Wahrscheinlich werde ich einfach nur durchheulen, wenn es zum ersten Mal soweit ist.

Das neue Franken-"Tatort"-Team kam von Anfang an gut bei Kritikern und Zuschauern an. Nun lösen (von links) Matthias Egersdörfer, Fabian Hinrichs, Dagmar Manzel, Eli Wasserscheid und Andreas Leopold Schadt ihren siebten Fall. (Bild: Christian Marquardt/Getty Images)
Das neue Franken-"Tatort"-Team kam von Anfang an gut bei Kritikern und Zuschauern an. Nun lösen (von links) Matthias Egersdörfer, Fabian Hinrichs, Dagmar Manzel, Eli Wasserscheid und Andreas Leopold Schadt ihren siebten Fall. (Bild: Christian Marquardt/Getty Images)