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WM-Tops und -Flops: Panamas Tränen, DFB-Bruchlandung und die Stinkefinger Gottes

Vier Wochen Weltmeisterschaft in Russland haben für besondere Momente gesorgt – positiv wie negativ. Die Yahoo-Sportredaktion hat die Tops und Flops der WM-Endrunde 2018 zusammengefasst.

<span>Spasibo, Rossiya</span> (Bild: gettyimages)
Spasibo, Rossiya (Bild: gettyimages)

TOPS

Gastgeber Russland: Das war eine gelungene WM. Muss man schon sagen. Hat Uli Hoeneß Recht. Was bleibt also hängen: Die Russen haben das Mega-Event organisatorisch astrein gestemmt. Die gefürchteten Hooligan-Exzesse sind ausgeblieben, das Moskauer Verkehrschaos hielt sich in Grenzen und die Stimmung in den Stadien kam zumindest im TV auch gut rüber. Und dann war ja da noch die Performance der russischen Nationalmannschaft selber. Angeführt von ihrem russischen Bären Stanislaw Tschertschessow marschierte die Sbornaja sensationell bis in Viertelfinale – und schlug sogar Spanien. Gut, der Stil war nicht außergewöhnlich einfallsreich, aber es ist ja so: Wenn der Gastgeber als Underdog in solchen Turnieren weit kommt, dann schwebt ein ganzes Land für ein paar Wochen auf einer Wolke. Gönnen wir es den Russen. Der Bevölkerung. Den Fans. Putin und seinen Apparatschiks eher nicht.

England – Mutterland des Fußballs: Sind wir doch mal ehrlich, im Grunde steckt in jedem von uns ein verkappter England-Fan. Seit Ewigkeiten wissen wir: Die Jungs von der Insel spielen schon immer mit mehr Leidenschaft und Herz Fußball. Die Fans singen die schöneren, weil einfallsreicheren Lieder und die Fußballkultur rund um George Best und Paul Gascoigne fasziniert uns eh. Und jetzt kommt hinzu, dass die englische Mannschaft auch noch Elfmeterschießen gewinnt, mit Gareth Southgate den smarteren Löw auf der Bank als Trainer hat und sie Typen wie Keeper Jordan Pickford hinten in der Kiste stehen haben. Und wen haben wir? Wir sind jetzt mal laut und gar nicht mehr verkappt: We love England! Auch wenn im Halbfinale gegen Kroatien Schluss war, diese Three Lions bei der WM musste man einfach lieben.

Standards: Der Gegner steht mit zehn Mann in der eigenen Hälfte, die Räume sind zugestellt und der Ball will einfach nicht in die Gefahrenzone gelangen? Die Lösung: Standards. Rund 60 Prozent (!) aller Tore der WM in der K.o-Runde sind nach ruhenden Bällen gefallen. Das beweist: In einer von Taktik geprägten Fußball-Welt, in der auch die vermeintlich kleinen Teams gut defensiv gestaffelt sind, werden Standardsituationen immer wichtiger. Und was waren das bitte für herrliche Tore: Ronaldos Zirkelschuss gegen Spanien, oder auch Trippiers reingestreicheltes Ding für England gegen Kroatien. Und jetzt kommt’s: Selbst wir Flaschen aus Deutschland haben am lautesten gejubelt, als Toni Kroos in der Nachspielzeit zum 2:1-Siegtreffer gegen Schweden traf. Wie? Natürlich nach einem Freistoß.

Die WM-Neulinge: Die zwei WM-Rookies Island und Panama waren eine Bereicherung für die WM und haben richtig Spaß gemacht, obwohl für beide Mannschaften in der Vorrunde bereits Schluss war. Beide Länder spielten das erste Mal in ihrer Historie eine WM-Endrunde , vor allem für Panama war es eine hochemotionale Angelegenheit. Spieler und Fans aus dem kleinen Land aus Mittelamerika (knapp vier Millionen Einwohner) genossen jede Sekunde des Turniers. Vor allem der emotionale Ausbruch der beiden Kommentatoren im panamaischen Fernsehen während der Hymne vor dem ersten Gruppenspiel gegen Belgien blieb hängen. Schluchzend lagen sich beide in den Armen und genossen den größten Fußball-Moment Panamas. Das sind echte Emotionen! Wie man es bereits von der Europameisterschaft von vor zwei Jahren kannte, feierten die isländischen Fans wieder eine große Familien-Party auf den Rängen – eigentlich fehlten nur noch Grill und Biertisch-Garnituren. Das obligatorische “Huh” schallte wieder durch die Stadien und faszinierte die Fans weltweit.

VAR: Der Einsatz des Video-Assistant-Referee wurde vor Beginn der WM heftig diskutiert. Viele deutsche Fans befürchteten unfaire Entscheidungen und Fehler, vor allem nach den schlechten Erfahrungen aus der zurückliegenden Bundesliga-Saison. Rückblickend muss man aber festhalten, dass der Videoschiedsrichter das Turnier fairer gemacht hat. Strittige Situationen wurden meist nach dem Blick auf die Prüf-Monitore richtig entschieden, grobe Fehlentscheidungen blieben aus und falsche Pfiffe der Schiedsrichter wurden wieder zurückgenommen. So macht der Video-Schiedsrichter Sinn – Bundesliga, bitte nachmachen!

Diego Maradona gab ein peinliches Bild ab (Bild: gettyimages)
Diego Maradona gab ein peinliches Bild ab (Bild: gettyimages)

FLOPS

Die (vermeintlichen) Superstars: Cristiano Ronaldo, der seine Portugiesen wie schon bei der EM als Ein-Mann-Armee zum Titel führen sollte; Lionel Messi, der endlich seine Karriere mit einem großen Nationalmannschaftstitel vergolden hätte können; Neymar, der für Brasilien das Trauma der WM im eigenen Land ausbügeln wollte: Die großen Stars des Fußballs waren mit genauso großen Aufgaben in das Turnier in Russland gestartet – und allesamt krachend gescheitert. Eine der großen Lehren des Turniers in Russland war, dass ein einziger Hochbegabter eben nicht mehr reicht. Ronaldo und Messi verabschiedeten sich sang- und klanglos im Achtelfinale, Neymar hielt eine Runde länger durch, wird aber ausschließlich durch seine peinlichen Schau- und Zeitspieleinlagen in Erinnerungen bleiben.

Deutschland, als ganzes: Es hätte wohl niemand damit gerechnet, was für eine brutale Bruchlandung der deutsche Fußball in Russland hinlegen würde. Das peinliche Aus des amtierenden Weltmeisters als Gruppenletzter in der Vorrunde, die nüchterne Stimmung im Land, das elende Schmierentheater der DFB-Führung rund um die Erdogan-Affäre – der deutsche Fußball ist nach der WM 2018 am fußballerischen und imagetechnischen Tiefpunkt angekommen. Dazu mit Dr. Felix Brych der einzige deutsche Referee, der als einer der besten seines Fachs gilt – und nach einem Vorrundenspiel nach Hause geschickt wurde.


Maradonas Tribünenschauspiel: Mehr als 11.000 Euro pro Spiel und Event, täglich dazu fast 2.000 Euro Taschengeld bekam Diego Maradona von der FIFA, um als glorifiziertes Maskottchen an der WM in Russland teilzunehmen. FIFA-Legende nennt sich dieser Beruf. Dass man sich dabei einiges erlauben kann, das zeigte der Argentinier im Spiel gegen Nigeria, als er – wohl vollgedröhnt, mindestens volltrunken – eine bizarre Show auf der Ehrentribüne abzog, schrie, pöbelte, schlief, beinahe von der Tribüne fiel und die Afrikaner mit ausgestreckten Mittelfingern beleidigte. Ein bisschen lustig, am Ende aber eher traurig. Und unwürdig.

Rassistische Sprechchöre und Nazi-Rock: Die WM musste mal wieder für einige Hohlbirnen dafür herhalten, unter dem Deckmantel des Patriotismus und des Fußballs in ganz üble nationalistische Gefilde abzudriften. Serbische Fans skandierten während des Spiels gegen die Schweiz “Töte den Albaner” und benutzten dabei die rassistische Beleidigung “Siptara”, der türkischstämmige Schwede Jimmy Durmaz bekam nach einem spielentscheidenden Foul Morddrohungen und Kroatiens Spieler feierten den Sieg gegen Argentinien in der Kabine mit Songs der Rechtsrockband Thompson. Die Liste ließe sich – leider Gottes – fortführen. Auch hierzulande brach eine unsägliche Debatte um (verdiente) Spieler mit Migrationshintergrund aus, die vor allem aus Richtung von AfD und Co. angeheizt wurde.

Fehlende Gästefans: Laut FIFA-Präsident Gianni Infantino lag die Stadion-Auslastung während der WM in Russland bei beeindruckenden 98 Prozent. Doch Quantität ist nicht gleich Qualität. Viele Fans blieben der WM in Russland fern, vor allem die aus Europa. Stimmungstiefpunkt war das Halbfinale zwischen Frankreich und Belgien. Auf beiden Seiten sollen nur etwa 1.500 Fans ihre Mannschaften angefeuert haben. Auch viele deutsche Supporter reisten erst gar nicht nach Russland. Neben den hohen Ticketpreisen und der undurchsichtigen Sicherheitslage in Russland vor dem Turnier sorgte das kompliziere Ticketsystem dafür, dass viele Deutsche lieber die Spiele von der Couch aus verfolgten. Tickets konnte man nur als Mitglied des “Fanclub Nationalmannschaft” bestellen. Personalisierte Eintrittskarten und Visa-Verfahren schreckten zusätzlich ab. Die Weltmeisterschaft entfernt sich immer weiter von den Fans und wird immer mehr zu einem Firmen-Event. Sponsorenkarten spülen der FIFA Geld in die Kassen und lassen den FIFA-Boss schwärmen. Aber ohne echte Fußball-Fans geht dem Fußball die Emotion verloren.