Wochenausblick von Carsten Mumm - Anstieg der Insolvenzen lässt Böses ahnen – wie es mit unserer Wirtschaft weitergeht
Was ist in dieser Woche an den Märkten passiert? Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, blickt zurück auf turbulente Tage und gibt einen Ausblick, was er nun von den Börsen und den Notenbanken erwartet. Auf die deutsche Wirtschaft blickt er skeptisch.
Die für das zweite Halbjahr 2024 erwartete konjunkturelle Belebung in Deutschland lässt weiter auf sich warten. Zwar stiegen die Auftragseingänge und die Industrieproduktion im Juni um 3,9 bzw. 1,5 Prozent gegenüber dem Vormonat, die Werte liegen aber weiterhin deutlich unter den Vorjahresniveaus . Der Rückgang der Exporte um 3,4 Prozent verdeutlicht zudem, dass die weltweite Nachfrage nach Industriegütern weiterhin schwach ist. In der energieintensiven Industrie war dagegen eine leichte Erholung zu verzeichnen. Das Produktionsniveau dürfte jedoch dauerhaft unter dem Niveau von Anfang 2022, dem Beginn des Krieges in der Ukraine, bleiben.
Perspektiven haben sich eingetrübt
Auch die weiteren Aussichten haben sich zuletzt eingetrübt. So sank der ifo-Geschäftsklimaindex deutlich , nachdem viele Unternehmen ihre aktuelle Lage schlechter bewerteten. Die Aussichten für die kommenden Monate fielen zwar etwas besser aus, blieben aber überwiegend im pessimistischen Bereich. Die Dienstleister bewerteten ihre Geschäftsaussichten etwas besser als das Verarbeitende Gewerbe, der Handel und das Baugewerbe.
Deutlicher Anstieg der Insolvenzen
Die Kombination aus steigenden Zinsen und anhaltender Konjunkturschwäche hat zuletzt zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen geführt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im April auf knapp 2000 und lag damit um rund ein Drittel über dem Vorjahresniveau . Daten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle deuten darauf hin, dass auch in den Sommermonaten mit deutlich höheren Insolvenzzahlen, insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe, zu rechnen ist. Solange die sehr schwache Wachstumsdynamik anhält und die Zinsen nicht deutlich sinken, dürften die Insolvenzen weiter zunehmen. Die Werte dürften aber weiterhin unter den langjährigen Durchschnitten bleiben.
Rezession in Deutschland setzt sich fort
Damit besteht die Möglichkeit, dass die deutsche Wirtschaft auch im laufenden dritten Quartal nur ein Null- oder sogar ein Minuswachstum verzeichnet. Es bleibt aber die Annahme, dass ab dem vierten Quartal und im Jahr 2025 eine konjunkturelle Belebung einsetzt , die vor allem vom privaten Konsum und im Zuge steigender Realeinkommen - hohe Lohnsteigerungen bei gleichzeitig sinkender Inflation - getragen wird.
Wachstum in den USA verlangsamt sich, aber weiche Landung in Sicht
In den USA zeichnet sich zunehmend eine konjunkturelle Abkühlung ab . Dies ist einer der Gründe, warum die deutschen Exporte in die USA im Juni mit einem Minus von 7,7 Prozent besonders stark eingebrochen sind. Der überraschend starke Anstieg der Arbeitslosenquote im Juni auf 4,3 Prozent ist aber auch auf eine Ausweitung des Arbeitskräfteangebots zurückzuführen. Es suchen also wieder mehr Menschen aktiv nach Arbeit. Das Basisszenario für die US-Wirtschaft bleibt daher eine etwas schwächere Wachstumsdynamik (soft landing) in den kommenden Monaten. Im Zuge dessen könnte die Inflation bereits im Juli unter die Marke von 3 Prozent gefallen sein - die Daten dazu werden in der kommenden Woche veröffentlicht - und der US-Notenbank die Tür für eine erste Leitzinssenkung im September öffnen. Insgesamt sind bis zu drei Zinssenkungen in diesem Jahr wahrscheinlich, wenngleich Fed-Chef Powell weiterhin betonen dürfte, den weiteren geldpolitischen Kurs von den Daten abhängig zu machen.
In Japan werden die Leitzinsen vorerst nicht weiter angehoben
Der Gouverneur der Bank of Japan (BoJ), Shinichi Uchida, sah sich nach den Kursturbulenzen dieser Woche gezwungen, weitere Leitzinserhöhungen erst nach einer Beruhigung der Märkte anzukündigen. Es zeigt sich, dass der Übergang der BoJ zu einer weniger expansiven Geldpolitik trotz des offensichtlichen Endes des Deflationsregimes der letzten Jahrzehnte ein komplexes Unterfangen ist, nicht zuletzt weil erratische Währungsbewegungen zu erheblicher Verunsicherung führen können. Angesichts der inzwischen deutlich gestiegenen Löhne und Absatzpreise dürften aber weitere Zinserhöhungen notwendig sein. Da gleichzeitig die Zinsen in den USA, der Eurozone und anderen Währungsräumen sinken, ist mit einer weiteren Aufwertungstendenz des Yen zu rechnen.
Märkte
Obwohl die Kursverluste der letzten Woche zu einem deutlichen Anstieg der Nervosität und Volatilität geführt haben, handelt es sich aus technischer Sicht bislang nur um eine gesunde Marktkorrektur . Auch wenn die Unsicherheit anhalten und die kommenden Wochen volatil bleiben dürften, bleiben die mittelfristigen Aussichten für Aktien positiv . Dies gilt insbesondere angesichts der absehbaren Zinssenkungen in vielen Volkswirtschaften.