Wohltäter und Reizfigur: TV-Doku erzählt die Wahrheit über George Soros

Angeblich plant er die Destabilisierung der Welt, um eine neue globale Ordnung zu installieren. In diese Richtung zielen einige Verschwörungstheoretiker. Ihnen gilt George Soros als "meistgehasster Milliardär". Ein Dokumentarfilm versucht nun eine Annäherung an die weltbekannte Reizfigur.

Als Philanthrop wird er gerne bezeichnet. Das heißt, er würde sein Denken und Verhalten vor allem der Wohltat widmen. Umso erstaunlicher ist, dass sehr viele - und das weltweit - von dem angeblichen "Menschenfreund" George Soros ein gänzlich anderes Bild zeichnen. Nicht ohne Grund wird der US-amerikanische Investor ungarisch-jüdischer Herkunft "der meistgehasste Milliardär" genannt. Angeblich plant er eine neue Weltordnung, lautet einer der vielen Vorwürfe gegen den 90-Jährigen. Der von BBC Current Affairs produzierte Film "Die Soros-Verschwörung" von Mike Rudin versucht sich an einer Aufklärung. Am Mittwoch, 22. April. 20.15 Uhr, ist er bei ZDFinfo zu sehen.

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Soros sei angeblich dabei, wahlweise die USA, Ungarn oder die ganze Welt zu destabilisieren, mit Migranten zu überfluten und Trump zu beseitigen, heißt es immer wieder. Diese weithin verbreiteten Meinungen stammen gerne von Medien des rechten politischen Lagers. In den USA ist etwa der Blog "The Gateway Pundit" ein Begriff. Dessen Betreiber Jim Hoft erläutert: "Bei den Rechten ist sein Name inzwischen so bekannt, dass der Hinweis auf eine Finanzierung durch Soros oder eine Verbindung zu ihm sofort ein Warnsignal ist.

Finanzierte Karawanen?

Als eine dieser angeblichen Machenschaften Soros' führt die Dokumentation unter anderem auf, der Milliardär habe die Migranten finanziert, die 2018 zu Tausenden von Honduras in Richtung USA gezogen waren. Ein "Faktencheck" widerlegt Bilder, die angeblich belegen sollten, an die Emigrationswilligen in Honduras wäre durch NGOs gleich reihenweise Bargeld verteilt worden. Sie sollten zu ihrem Aufbruch aus der Heimat bewegt werden. Tatsächlich stammte das Video, das damals auch von Donald Trump in den sozialen Netzwerken geteilt wurde, von einer staatlichen Hilfsaktion aus Guatemala.

Eindeutig schwächer dagegen wirken "Zeugen" wie Cindy Jerezano. Sie hat es von Honduras aus bis nach San Diego in die USA geschafft. Sie sagt: "Mir hat nie jemand Geld angeboten. Es war meine eigene Entscheidung, hierher zu kommen. Niemand hat mich aufgefordert. Ich möchte ein besseres Leben für meine Kinder."

Indes aber ist bekannt, dass sich die von Soros 1993 gegründeten Open Society Foundations gezielt für Dissidenten, Migranten und Geflüchtete einsetzen. Die Stiftungen sind heute weltweit in mehr als 120 Ländern aktiv. Laura Silber, Leiterin der Kommunikationsabteilung der Open Society Foundations, erklärt im Film: "Wir finanzieren keine Karawanen. Sondern wir unterstützen Wandel in der Politik. Wir suchen nach Wegen, um die Migrationskrise zu lösen. Aber nicht, indem wir solche Marschkolonnen bezahlen. Das sind absurde Anschuldigungen von Politikern und anderen, die Hass und Angst schüren wollen."

"Staatsfeind Nummer eins"

Es sind jedoch längst nicht nur die "rechten" Medien, die Soros im Visier haben. Auch einigen Präsidenten gilt er als "Staatsfeind Nummer eins". Donald Trump etwa grinste bei einer Rede zustimmend, als er die Bezeichnung "Globalist" in den Mund nahm und einer seiner Anhänger daraufhin den Namen "Soros" rief. Einmal mehr unverholen drastisch wurde Recep Tayyip Erdoğan. Der türkische Staatspräsident sagte: "Es war der berühmte Jude Soros. Dieser Mann setzt Leute darauf an, Nationen zu spalten und zu zerstören. Er hat so viel Geld und verwendet es für diese Zwecke." Originalaufnahmen von Erdogans Auftritt belegen diese Aussage.

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Kritiken gegen Soros tragen oft auch deutlich antisemitische Züge. Sein Engagement wird ihm hingegen kaum gedankt. Vor allem nicht in Ungarn, dem Geburtsland Soros'. Hunderte Millionen Euro soll er in seine frühere Heimat investiert haben für kostenlose Schulspeisungen, Menschenrechtsprojekte und eine Universität, heißt es im Film.

Diffamierung gerade im Heimatland

Es war der ungarische rechts-nationale Ministerpräsident, der Soros im Vorfeld der letzten Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 mit einer durchaus diffamierenden Plakatkampagne überzog. Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán unterstellte dem Milliardär, eine große Zahl muslimischer Einwanderer nach Europa zu bringen. Die Motive zeigten ihn als dämonischen Einflüsterer des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.

Und Orbán ging sogar noch weiter. Bei einer Ansprache bemühte er diese diffamierenden Sätze: "Wir kämpfen gegen einen Feind, der anders ist als wir. Er ist nicht offen, sondern agiert im Verborgenen. Nicht aufrichtig, sondern gerissen. Er ist nicht ehrlich, sondern prinzipienlos. Nicht national, sondern international. Er glaubt nicht an Arbeit, er spekuliert mit Geld. Er hat keine Heimat, sondern meint, ihm gehöre die ganze Welt."

Damit spielte der Staatschef offensichtlich auf eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung an. Auch für viele Ungarn ein Skandal. "In diesem Land sind 500.000 Juden binnen acht Wochen ausgelöscht worden. Mit aktiver ungarischer Beteiligung. Hier fand die schnellste Vernichtung einer jüdischen Bevölkerungsgruppe in Europa statt", bemerkt Michael Ignatieff. Der Präsident der Zentraleuropäischen Universität noch mit Campus in Budapest ist beinahe außer sich. Er sagt auch im Hinblick auf Soros: "Mit diesem Thema spaßt man nicht. Das ist eine originalgetreue Wiederaufnahme des antisemitischen Hasses der 1930er-Jahre. Mit all ihren Facetten. Das ist gefährlich."

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