"Ich wollte nicht Mick Schumachers Karriere zerstören"

Für die einen ist er wegen seiner unverblümten Art eine Kultfigur der Formel 1. Andere nehmen ihm genau das übel.

Günther Steiner, Teamchef des Haas-Rennstalls, ist ein Motorsport-Macher, an dem sich die Geister scheiden. In Deutschland umso mehr, nachdem er sich für seinen Umgang mit Ex-Schützling Mick Schumacher viel Kritik eingehandelt hat - unter anderem und besonders häufig von Micks Onkel Ralf Schumacher. (Ralf Schumacher im SPORT1-Interview: „Mick hatte keine faire Chance)

Im SPORT1-Interview vor dem Rennwochenende in Barcelona (Qualifying ab 16 Uhr im LIVETICKER) spricht der 58 Jahre alte Südtiroler darüber, wie er mit einem halben Jahr Abstand auf die Situation blickt. Zudem geht es auch um Schumachers Nachfolger Nico Hülkenberg, das nachlassende Fan-Interesse in Deutschland und ein heißes Gerücht über eine potenzielle Kooperation von Haas mit einer prominenten Automarke.

SPORT1: Herr Steiner, wie fühlt man sich als Bestsellerautor, der mit seinem Buch „Surviving to drive“ schon auf Nummer 1 der Times-Verkaufsliste im Vereinigten Königreich steht?

Günther Steiner (lacht): Ich war mal auf Platz eins. Dann folgte Platz vier, jetzt bin ich auf sieben. Aber man hat mir gesagt, dass das nicht schlecht ist. In der Teamwertung sind wir auch auf Platz sieben. Vielleicht schreibe ich noch ein nächstes Buch: Titel: Keiner fragt, Steiner antwortet!

SPORT1: Kommen wir zu Ihrem Kerngeschäft: Anscheinend ist ja nicht alles schlecht, was Rennautos in der Königsklasse fährt und einen deutschen Pass hat. Während Sie sich mit Ihrer Kritik an Mick Schumacher ja nicht zurückhielten und ihn deshalb auch wieder dem freien Arbeitsmarkt überließen, loben Sie seinen Nachfolger Nico Hülkenberg fast schon über grünen Klee.

Steiner: Ja, fangen wir mit Nico an. In der Tat sind wir sehr zufrieden mit dem, was er macht. Er setzt das um, was wir von ihm erwartet haben und warum wir ihn geholt haben. Er ist nicht nur schnell, sondern setzt die Erfahrung um, die er mitbringt. Und: Er ist extrem hoch motiviert. Ich glaube, die Formel 1 hat ihm gefehlt und umso glücklicher ist er jetzt, wieder zurück zu sein. Es gibt nichts Negatives zu berichten. Im Gegenteil: Die Ingenieure profitieren von seiner Erfahrung. Er weiß genau, was er macht, und kann sehr konkrete Anweisungen geben. Seine Vita zeigt: Nico ist viel in Mittelfeldteams gefahren und die sind immer besser geworden, als er da war. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)

SPORT1: Das heißt: Das alles konnte Mick Schumacher nicht ...

Steiner: ... das muss man nicht immer so negativ auslegen. Mick war ein Neuling bei uns. Er hat bei uns die Formel 1 gelernt. Man konnte von ihm deshalb gar nicht den Input erwarten, den jetzt ein Nico Hülkenberg gibt. Erfahrung braucht Zeit und die hatte Mick nicht. Wir als Team wollten einen anderen Weg gehen: den Weg mit zwei erfahrenen Piloten. Deshalb haben wir uns für Nico entschieden und gegen Mick.

SPORT1: Das ergibt Sinn und hört sich nicht polemisch an. Trotzdem: Haben Sie so ein negatives Medienecho in Ihrer Karriere schon mal erlebt wie in Deutschland, nachdem Sie Mick Schumacher auf die Straße gesetzt haben?

Steiner: In der Form sicher nicht. Sicher waren die Dänen nicht happy, als Kevin Magnussen entlassen wurde, aber viel Wind wurde da nicht gemacht. Aber ich schreibe Leuten nicht vor, was sie sagen dürfen oder nicht. Sie haben eine Meinung, ich habe damit sicher kein Problem. Aber am Ende leite ich das Team und muss deshalb Entscheidungen treffen. Und da ich kein Diktator bin, sondern gemeinsam mit dem Team entscheide, kann ich mit Gewissheit sagen: Ja, wir haben das Richtige gemacht.

SPORT1: Würden Sie im Nachhinein Sachen anders kommunizieren?

Steiner: Nicht grundsätzlich, aber ein paar Sachen vielleicht. Nachher ist man ja immer schlauer. Was aber erstaunlich ist: Die Trennung von Mick Schumacher ist jetzt schon über ein halbes Jahr her und in Deutschland redet man immer noch darüber. Vielleicht wäre es besser, Mick und seinen jetzigen Boss Toto Wolff über seine Zukunft zu fragen und nicht immer über die Vergangenheit zu reden.

SPORT1: Hätten Sie einen Mick Müller entlassen, gäbe es jetzt die Fragen nicht mehr ...

Steiner: Das ist so. Der berühmte Name spielt natürlich eine Rolle. Wäre es bei Rosberg genauso gewesen? Vermutlich nicht. Aber mir war bei Micks Einstellung vor zwei Jahren schon klar, was der Name Schumacher bedeutet: Er kann Fluch und Segen zugleich sein. Fest steht: Ich wollte nicht seine Karriere zerstören. Wir haben nichts gegen ihn, sondern uns für das Team entschieden. Was mich ein wenig ärgert: Unser Verhältnis wurde häufig schlechter dargestellt als es wirklich war. Die Fahrer kennen mich. Sie kennen meine direkte Art, die auch nicht immer gekünstelt nach außen Harmonie zeigen soll. Sie sollten damit umgehen können. Ob es Mick auch konnte? Ich weiß es nicht. Das müsste man ihn fragen.

SPORT1: Was anderes: In den USA, der Heimatlandes Ihres Teams, boomt die Formel 1, in Deutschland ist das Gegenteil der Fall. Können Sie das erklären?

Steiner: Ich verstehe es nicht. Man müsste mal hinterfragen, warum die Einschaltquoten in Deutschland so schlecht sind. Deutschland hat mit Nico Hülkenberg immer noch einen Piloten in der Formel 1. Es ist mir wirklich unerklärlich.

SPORT1: Könnte es daran liegen, dass Deutschland kein Rennen mehr hat?

Steiner: Das fehlt sicher. Denn Deutschland ist eine Automobilnation und sollte deshalb ein Rennen haben. Aber: Motorsport ist im Moment wegen der Nachhaltigkeit nicht gerade das beliebteste Thema in Deutschland. Deshalb sollte die Formel 1 vielleicht noch mehr kommunizieren, dass sie die nachhaltigste Serie im Motorsport ist und immer nachhaltiger werden wird.

SPORT1: Letzte Frage: Alfa Romeo hört bei Sauber auf, weil dort Audi einsteigen wird. Es gibt Gerüchte, dass Alfa nächstes Jahr Namenssponsor von Ihrem Team werden könnte ...

Steiner: ... die Gerüchte habe ich auch gehört. Ich habe in Monte Carlo kurz mit Alfa-Romeo-Entscheidungsträgern geredet. Es war ein nettes Gespräch, mehr nicht. Ich weiß nicht, was sie in Zukunft vorhaben.