Woran erkenne ich gute Autoreifen?

Wer viel und weiträumig unterwegs ist, sollte stets wert auf Sommerreifen im Sommer und Winterreifen im Winter legen.
Wer viel und weiträumig unterwegs ist, sollte stets wert auf Sommerreifen im Sommer und Winterreifen im Winter legen.

Wechseln die Jahreszeiten, wechseln viele Autobesitzer auch ihre Reifen. Worauf sollte beim Kauf von Sommerreifen geachtet werden? Und was taugen Ganzjahresreifen?

Essen (dpa/tmn) - Im Herbst die Sommerreifen runter und die Winterreifen rauf - im Frühjahr das Ganze umgekehrt: Und jetzt brauchen Sie auch noch neue Sommerreifen? Wie soll man bei der großen Auswahl beim Händler und in Online-Shops einen guten von einem schlechten Reifen unterscheiden? Ein Überblick.

Das grundsätzliche Problem beim Reifenkauf ist, dass Reifen für den Laien alle gleich aussehen. «Selbst wenn man an einem Reifen lecken würde, könnte man keinen Unterschied feststellen, die würden alle gleich schmecken», sagt Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE). Der Experte hat in der Vergangenheit auch die Reifentests des Clubs verantwortet. Er rät vor allem zur Lektüre ausführlicher Tests - wie etwa von Autoclubs und Auto-Zeitschriften.

Und was ist mit dem Reifenlabel? «Die Typengenehmigung für Reifen nach ECE R 117 beruht auf drei Säulen und legt Rollgeräuschemission, Haftung auf nassen Oberflächen und Rollwiderstand fest», sagt Peter Wagener vom Tüv Nord. Für diese drei Kriterien gebe es ein ähnliches Bewertungssystem wie bei Elektrogeräten und deren Energieeffizienzklassen.

Demnach wäre ein Reifen mit der Klasse A besonders gut, einer mit C nur mittelmäßig und F wäre eine ziemlich schlechte Wahl: «Da sich zwischen Reifen der Klassen A und F ein Bremswegunterschied auf Nässe von bis zu 30 Prozent ergeben kann», sagt der Experte.

Was bedeuten die Angaben auf dem Label?

Was das Nassbremsverhalten angeht, zeigt sich ACE-Experte Hack überzeugt, die grundsätzliche Vorgehensweise des Labelings stellt er allerdings in Frage. «Die einzig wichtige Information für den Autofahrer ist in der Tat der Bremsweg auf Nässe.» Über das Bremsverhalten zum Beispiel auf trockener Straße erfahre er nichts, dafür aber über Rollgeräuschemission und Rollwiderstand.

«Bloß sind das zwei Kategorien, die für den Autofahrer kaum Bedeutung haben», sagt Hack. So gebe es beim Rollwiderstand zwischen zwei Klassen gerade mal zwei Prozent Unterschied, was auf hundert Kilometer einen Mehrverbrauch von nicht einmal 100 Milliliter zwischen den Klassen B und C ausmache.

In diesem Zusammenhang verweist Hack auf das ab 1. Mai geltende Update: Dann lassen sich unter anderem individuelle Reifendaten über einen QR-Code herunterladen. Dennoch sieht er eine vertane Chance, das Label im Sinne der Verbraucher anzupassen. «Eine umfassende Kaufentscheidung anhand des Labels ist so schlicht nicht möglich», urteilt er.

Kautschuk als Basismaterial

Ohnehin sollten Käufer nicht nur das Label, sondern unter anderem auch die Zusammensetzung eines Reifen im Auge haben. «Stellt man sich einen Reifen als Atom-Modell vor, sind die Kautschukmoleküle die Atome», sagt Wagner. «Das verbindende Element zwischen den Molekülen war lange Zeit Ruß.» Ruß aber sei unflexibel, und der Kautschuk müsse alle Arbeit übernehmen. Die Folge: «Der Reifen wird relativ schnell heiß und verschleißt schneller.»

Seit etwa zehn Jahren setzt sich in der Reifenentwicklung zunehmend die Verwendung von Silica statt Ruß durch. «Silica ist Kieselsäure und sorgt für eine flexible Verbindung zwischen den Kautschukmolekülen, die jetzt langsamer erhitzen und länger halten», sagt Wagener. Ob Reifen Silica enthalten, sei leicht zu erkennen - die Hersteller würden entsprechende Produkte intensiv bewerben. Doch Silica allein macht auch keinen guten Reifen.

Alleskönner und Nichts-Richtig-Könner?

Für viele scheinen außerdem Ganzjahresreifen eine Option zu Sommer- und Winterreifen zu sein. Aber ist das wirklich eine gute Wahl? Wagener bezeichnet diesen Reifentyp als «Versuch der Quadratur des Kreises». Denn: «Zum einen soll ein Reifen einen möglichst geringen Rollwiderstand und damit einen günstigen Verbrauch aufweisen, zum anderen aber soll er im Winter einen kurzen Bremsweg ermöglichen.» Dieser Spagat könne nicht zufriedenstellend gelingen.

Auch einen vermuteten Kostenvorteil hält Wagener für das Produkt einer Milchmädchenrechnung: «Ob man mit einem Reifensatz das ganze Jahr über fährt oder mit zwei Sätzen jeweils nur ein halbes Jahr, das kommt in Sachen Verschleiß respektive Kosten etwa auf dasselbe hinaus.» Ein zweiter Reifensatz amortisiere sich deshalb relativ schnell.

Hack bringt jedoch ein aktives Reifendrucksystem mit Sensoren an jedem Ventil in diese Rechnung ein. «Die Kosten pro Reifen liegen hier zwischen 20 und 50 Euro, bei zwei Reifensätzen kann das also schon richtig ins Geld gehen, zumal die Sensoren bei jedem Radwechsel neu angelernt werden müssen.» Auch Kosten für den Räderwechsel und das Einlagern sind zusätzlich einzukalkulieren, wenn man das nicht selber machen kann oder keinen Platz für den zweiten Satz Räder hat.

Gibt es Autobesitzer, für die sich Ganzjahresreifen lohnen? Wagener rät dazu «wenn überhaupt» nur Leuten, die wenig Auto fahren und das Fahrzeug bei Glätte stehen lassen. Hack hält Ganzjahresreifen für Wenigfahrer hingegen für «uneingeschränkt» passend.

«Vielfahrer und Fahrer von leistungsstarken Fahrzeugen dagegen sollten die Anschaffung von Sommer- und Winterreifen unbedingt einkalkulieren», so Hacks Plädoyer für den saisonalen Wechsel.