Wunderkind Europas: Wie die Griechen Corona meistern

Griechenland meistert die Corona-Krise besser als die meisten anderen europäischen Länder. Das ist ein kleines Wunder und doch ist darüber kaum etwas zu lesen oder zu hören.

Vorsichtige Rückkehr zur Normalität: Junge Griechen auf dem Aeropagus Hügel mit Blick auf die Akropolis in Athen. (Bild: Panayotis Tzamaros/NurPhoto via Getty Images)
Vorsichtige Rückkehr zur Normalität: Junge Griechen auf dem Aeropagus Hügel mit Blick auf die Akropolis in Athen. (Bild: Panayotis Tzamaros/NurPhoto via Getty Images)

Viel wird über den schwedischen Sonderweg in der Corona-Zeit gesprochen, auch über die 180 Grad Wende der Briten oder die niedrigen Todeszahlen in Deutschland. Doch eigentlich müsste ein anderes Land im Zentrum der europäischen Corona-Geschichte stehen. Griechenland hat als Sorgenkind Europas schon ziemlich viele Krisen durchstehen müssen in den vergangenen Jahren. Doch ausgerechnet die Corona-Pandemie hat das gebeutelte Land erstaunlich unbehelligt überstanden.

Die Zahlen allein sind erstaunlich. Nicht einmal 3000 nachgewiesene Infektionen wies Griechenland auf, insgesamt hat es seit dem Ausbruch der Pandemie zu Beginn des Jahres nur 151 Todesopfer dort gegeben. Und das bei einer überalterten Gesellschaft und einem mehr als maroden Gesundheitssystem.

Corona hätte eigentlich zu einer Katastrophe und zu Zuständen wie in Italien und Spanien führen können, vielleicht müssen. Im ganzen Land gibt es nur 560 Intensivbetten für eine Bevölkerung von elf Millionen Menschen, Deutschland hat etwa das Sechsfache zur Verfügung. Wie also haben die Griechen es geschafft, von Covid-19 weitgehend verschont zu bleiben?

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Schnelle Maßnahmen und Vertrauen in die Regierung

Die zweitälteste Gesellschaft in Europa nach Italien hat seit der Finanzkrise 2008 eta 40 Prozent der Wirtschaft eingebüßt, darunter litten vor allem auch soziale Absicherung und das Gesundheitssystem. Auch das Vertrauen in die eigenen Politiker war stark demoliert. Doch ausgerechnet in dieser weltweiten Krise vertrauten die Griechen ihrer Regierung. Und die reagierte schnell, schneller als andere europäische Länder und hörte vor allem auf ihre Wissenschaftler und deren eindringliche Ratschläge.

Zum Beispiel wurde schon Ende Februar der Karneval komplett abgesagt, noch bevor es auch nur einen Corona-Toten in Griechenland gegeben hatte. Schulen und Universitäten wurden bereits am 10. März geschlossen, da gab es gerade einmal 89 bestätigte Fälle im Land. Drei Tage später folgten bereits Cafés, Restaurants und Touristenattraktionen. Die Angst vor einem schnell kollabierenden Gesundheitssystem trieb die Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis vor sich her. Aber auch der Blick nach Italien, wo die Corona-Pandemie täglich neue Schreckensbilder produzierte, sorgte für die strikten Einschränkungen.

“In Italien stirbt leider alle zwei Minuten eine Person,” sagte Mitsotakis in seiner Rede am 22. März, in der er den Lockdown verkündete. “Wir müssen das Gemeinwohl schützen, unsere Gesundheit.” Damit traf der Ministerpräsident auch einen kulturell wichtigen Kern der griechischen Gesellschaft, in der hohes Alter und gute Gesundheit wertgeschätzt wird. Die Diskussion, ob man wirtschaftliche Interessen über die Gesundheit stellen solle, die es in anderen Ländern gab und gibt, kam gar nicht erst auf. Parallel nutzte die Regierung die gewonnene Zeit, die Intensivbetreuungskapazitäten fast zu verdoppeln.

Leere Straßen und leere Strände wie hier auf Kreta sind der Preis. Doch die schnelle Reaktion Griechenlands hat sich ausgezahlt. (Bild: Getty)
Leere Straßen und leere Strände wie hier auf Kreta sind der Preis. Doch die schnelle Reaktion Griechenlands hat sich ausgezahlt. (Bild: Getty)

Feste Information täglich um 18 Uhr

Gleichzeitig begann die Regierung mit einer groß angelegten Informationskampagne, jeden Tag wurden die Griechen in Fernsehübertragungen über die Situation informiert. Der TV-Termin um 18 Uhr wurde fester Bestandteil des griechischen Alltags. Und die Griechen hielten sich an die Vorgaben. Vielleicht auch in dem Bewusstsein, dass das eigene Gesundheitssystem einen heftigen Ausbruch nicht würde verkraften können.

Selbst die orthodoxen Osterfeierlichkeiten, das wichtigste Fest im griechischen Jahr konnten die erfolgreiche Strategie nicht ausbremsen. Die Griechisch-Orthodoxe Kirche hatte zunächst noch verbreitet, das Covid-19 Virus könne durch die Kommunion nicht übertragen werden. Doch Gesundheitsexperten widersprachen und erreichten offenbar die Bevölkerung. Allerdings wurden besonders um die Ostertage herum auch strenge Kontrollen durchgeführt, von denen auch die Kirchen nicht ausgenommen waren. Sogar Drohnen kreisten über den Städten, um die Bewegung der Bewohner zu kontrollieren.

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Griechenlands Problem ist der Tourismus

Noch gilt natürlich auch für Griechenland, dass die Pandemie nicht endgültig besiegt ist, solange es keine wirksamen Medikamente oder einen Impfstoff gibt. Ein zweiter Ausbruch ist auch dort jederzeit möglich. Dennoch können viele Länder sich etwas von der schnellen Reaktion und den griechischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus abschauen.

Denn bisher hat sich die Strategie der Griechen ausgezahlt und eine weit schlimmere Situation verhindert. Auch in Griechenland werden deshalb langsam die Beschränkungen aufgehoben, Schulen wieder in Betrieb genommen und Geschäfte geöffnet.

Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen werden sich vor allem in den kommenden Sommermonaten zeigen, denn der Tourismus ist mit fast 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein enorm wichtiger Wirtschaftszweig in Griechenland, der durch die Pandemie stark betroffen sein wird. Fast ein Drittel der Griechen verdienen ihr Einkommen direkt oder indirekt in der Tourismusbranche.

VIDEO: Covid-19 trifft Griechenlands Tourismus schwer