Ein italienisches Fußballmärchen

Es ist das Fußballmärchen der bisherigen Saison in Italien: Der wundersame Höhenflug von Cagliari Calcio.

Vor der Saison dürften höchstens Experten die Mannschaft aus Sardinien auf dem Zettel für eine Top-Platzierung gehabt haben. Nach fast der Hälfte der Saison dürfte dieses Team jedoch niemand mehr unterschätzen. Denn Cagliari mischt die Serie A zurzeit ordentlich auf.

Statt in der unteren Tabellenhälfte gegen den Abstieg zu kämpfen, wie es in vergangenen Jahren der Fall war, sorgt Cagliari diese Saison für ein Highlight nach dem anderen. Der Verein steht nach dem 14. Spieltag mit 28 Punkten auf Platz vier – direkt hinter den Top-Klubs Inter Mailand, Juventus Turin und Lazio Rom. Ein Underdog unter der Fußball-Elite.

Nach einem Fehlstart in die Saison mit zwei Niederlagen fingen sich die Sarden und räumten das Feld von hinten auf. Denn seitdem hat Cagliari nicht mehr verloren. Höhepunkt der Entwicklung war der vergangene Spieltag, als die Mannschaft innerhalb von 20 Minuten gegen Sampdoria Genua aus einem 1:3 ein 4:3 machte - mit dem umjubelten Siegtreffer in der sechsten Minute der Nachspielzeit.

Der 1920 gegründete Fußballklub gehörte nie wirklich zu den großen Namen im internationalen Fußball. Über die Jahre hat sich Cagliari Calcio bis in die Serie A hochgearbeitet, stieg ab und wieder auf, feierte kleinere Erfolge - und einen großen. In der Saison 1969/70 gelang mit der italienischen Meisterschaft der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Die Leistungen der aktuellen Saison dürften die älteren Fans der Sarden an die glorreiche Meistersaison erinnern.

Das Team von Trainer Rolando Maran ist seit zwölf Spielen ohne Niederlage, gewann acht davon. Bezwungen wurden auch namhafte Teams wie die SSC Neapel oder Atalanta Bergamo.

Maran sieht Erfolg "nicht als Zufall"

"Zwölf nützliche Ergebnisse in Folge sind kein Zufall – lass uns jetzt nicht damit aufhören", erklärte Cagliari-Stürmer João Pedro bei Sky Sport Italia. An Selbstvertrauen fehlt es dem 27-Jährigen nicht: "Die Ambitionen sind da, aber es gibt auch viel Arbeit."

Mit neun Toren in 14 Ligaspielen ist er einer der Hauptgründe des Höhenflugs von Cagliari Calcio. Und erinnert zugleich an einen ehemaligen Top-Spieler von Cagliari: Luigi Riva. Eine Ikone, ein Held im italienischen Fußball. Mit 21 Treffern hatte Riva maßgeblichen Anteil an der bislang einzigen Meisterschaft. Kein Wunder, dass italienische Medien Parallelen ziehen. "Der zweiterfolgreichste Spieler in der Geschichte von Cagliari", schreibt Sky Sport Italia.

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Der Höhenflug ist aber keine Einzelleistung. Auch ein weiterer Spieler hat einen wichtigen Anteil am derzeitigen Erfolg. Radja Nainggolan, der seit dieser Saison wieder für die Sarden aufläuft, hat seinem Spitznamen "Ninja" bereits alle Ehre und sich für den Klub schon fast unentbehrlich gemacht. Ein Überraschungswechsel, der sich bereits ausgezahlt hat. Vier Tore, vier Torvorlagen. Radja Nainggolan kann nicht nur abräumen, er ist auch torgefährlich.

"Ich habe solch einen Enthusiasmus in Cagliari in den vergangenen Jahren selten gesehen. Die Zeitungen sollten ein paar Seiten mehr über uns schreiben", erklärte der 31-Jährige bei Sky Sport Italia. Und er verrät die Erfolgsformel: "Es gibt stärkere Teams als uns, aber sie sind vielleicht nicht so hungrig."

Pedro und Nainggolan auf den Spuren von Klublegende Gigi Riva

Den Wert von Nainggolan erkennt auch Klubpräsident Tommaso Giulini: "Er hat eine Führung und einen Einfluss auf das Team, wie Gigi Riva es bei seinem Cagliari hatte", erklärte er gegenüber der Gazzetta dello Sport. Dennoch sei Riva natürlich "unnachahmlich".

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Und Cagliari hat noch eine weitere Stärke.

Die Sarden sind in dieser Saison zu einer Anlaufstelle für Fußballer geworden, die in ihren ehemaligen Top-Klubs mehr oder weniger auf dem Abstellgleis standen: Marko Rog bekam zu wenig Einsatzzeit bei Neapel und beim FC Sevilla, Giovanni Simeone beim AC Florenz und Torhüter Robin Olsen beim AS Rom.

Gescheiterte blühen in Cagliari auf

Auch Nainggolan konnte bei Inter Mailand die Erwartungen nicht erfüllen. Die Rückkehr nach Cagliari, wo der Belgier schon von 2010 bis 2014 spielte, geschah unter ganz besonderen Umständen. Nainggolans Frau, die aus Sardinien stammt, erkrankte an Krebs. Um mit seiner Frau in deren Heimat leben zu können, entschied er sich für den Wechsel.

In Cagliari blühen die Gescheiterten wieder auf, werden zu unverzichtbaren Stützen im System von Maran. Diese Mischung ist ein Schlüssel zum derzeitigen Erfolg.

Der Erfolg soll keine Momentaufnahme sein. Maran hat eine klare Vorstellung von der Zukunft seines Teams. "Wir dürfen nicht zufrieden sein und müssen immer versuchen, etwas mehr zu tun", sagte der Trainer bei Sky Sport Italia. Ausruhen? Fehlanzeige. "Die Tabelle begeistert uns und bestätigt, was wir bisher geleistet haben. Aber wir müssen von Spiel zu Spiel denken. Die anderen Mannschaften bemerken uns."

Gegen kommende Gegner wie Lazio, Juventus, Milan oder Inter kann Cagliari dann einmal mehr unter Beweis stellen, dass das sardische Team ein ernstzunehmender Gegner in der Serie A ist. Wobei es das eigentlich nicht mehr braucht.