Wunsch-"Tatort": Zuschauer wählen Action-Kracher mit Til Schweiger

Der Trend zu leichteren "Tatorten" auf dem Zuschauerwahl-Platz sonntags, um 20.15 Uhr, setzt sich fort: Nach zweimal Münster und Weimar folgt beim "Wunsch-Tatort" nun Til Schweigers erster "Actionkino"-Kracher von 2013. Tatsächlich lässt einen "Willkommen in Hamburg" vergessen, dass man "nur" fernsieht.

Am siebten "Tatort"-Wahl-Sonntag in der ARD gibt es den fünften "Fall", der nicht dem klassischen Krimi-Dramakonzept der Reihe folgt. Keine Gesellschaftsanalysen, keine Psychodramen, keine Experimente - nur sommerliche Unterhaltung. Tatsächlich? "Tatort" goes cinema - so könnte man den lange erwarteten, kritisch beäugten und vielfach angefeindeten Debüteinsatz des von Til Schweiger gespielten Kommissars aus dem Jahr 2013 zusammenfassen, der nun zum "Wunsch-Tatort" gewählt wurde und am Sonntag, 2. August, 20.15 Uhr, im Ersten wiederholt wird.

Der deutsche Kinostar beim "Tatort" - das war damals eine Sensation. 12,6 Millionen Zuschauer wollten das Debüt von Kommissar Nick Tschiller damals sehen. Es war die höchste Zuschauerzahl einer Tatort-Folge seit knapp 20 Jahren. Auch wenn es danach immer wieder Kritik hagelte, lange Pausen und ein grandios gescheiterter "Tatort"-Kinofilm folgte - Dinge, die jüngst zu einem ästhetischen Neustart der Tschiller-Filme führten - "Willkommen in Hamburg", der erste Schweiger-"Tatort", kann sich dennoch sehen lassen.

Til Schweiger spielt den Ex-SEK-Profi Nick Tschiller, der seiner zerbrochenen Familie wegen von Frankfurt nach Hamburg umgezogen ist. Dort bekommt er es in seinem ersten Fall mit einer knallharten Menschenhändler-Mafia zu tun, bei der die Schusswaffen locker im Gürtel sitzen. Während einer Wohnungsüberprüfung in der einst futuristisch gedachten 70er-Jahre-Hölle der Hamburger City-Nord stoßen Nick Tschiller und Kollege Yalcin Gümer (Fahri Yardim) in ein Wespennest. Die Bude entpuppt sich als Versteck für minderjährige Prostituierte. Die Zuhälter-Gang kommt leider zeitgleich mit den beiden Polizisten an, um ein paar Mädchen zum Arbeitsdienst abzuholen. Ein brutaler, über mehrere Minuten andauernder Schusswechsel folgt. Am Ende sind drei Gangster tot und Tschillers lustiger Kiezvogel-Kollege Yalcin (Fahri Yardim) liegt mit Schussverletzung im Krankenhaus. Doch auch eine Begegnung der diffus unheimlichen Art gibt es in den ersten Szenen des Films. Am Tatort sieht Nick für einen Moment seinen alten Frankfurter Partner Max Brenner (Mark Waschke) wieder, zu dem er vor zwei Jahren den Kontakt verlor. Ist Max auf Undercover-Einsatz in Hamburg gelandet? Oder hat er etwa die Seiten gewechselt?

Staubtrockene Bruce-Willis-Gedächtniswitze

Bei Tschillers neuen Kollegen - unter anderem die tolle Britta Hammelstein ("Hannah Mangold und Lucy Palm") - auf dem Revier kommen die Methoden des Ex-SEK-Mannes nicht wirklich an. Chef Holger Petretti (Tim Wilde) sieht den Kiezfrieden gefährdet, den die Polizei wohl mit dem mächtigen Astan-Clan geschlossen hat - diese Gruppierung ist offenbar verantwortlich für die Prostituiertenbude in der City-Nord. Als Nick Tschiller an diesem Tag nach Hause kommt, wartet auf den in Bruce-Willis-Manier im Laufe des Films immer zerschundeneren Helden die vielleicht härteste Prüfung des Films. Seine 15-jährige Tochter Lenny (Schweigers echte Tochter Luna) fordert vom Vater ein Frühstücksei und das - so der Running Gag des Films - will dem Actionvater einfach nicht gelingen ...

Tatsächlich schafft es der Film von Genre-Spezialist Christian Alvart, die hohen Erwartungen an Schweigers "Tatort"-Debüt zu erfüllen. Orientiert an der Ästhetik amerikanischer Cop-Filme der 80-er, "Lethal Weapon" oder "Stirb langsam" beispielsweise, erschuf sein neuer "Tatort" 2013 grandios kurzweilige Unterhaltung in optischer Kino-Qualität. Dass der Humor passt, dafür sorgten neben Schweiger-typischen, staubtrockenen Bruce-Willis-Gedächtniswitzen vor allem die verschwätzt-launigen Einlagen Fahri Yardims, der mit Hamburger Schnodderschnauze und pfiffigen Comuternerd-Tricks vom Krankenbett aus Nick Tschiller unterstützt. "Sie und ihre Alleingänge und diese Gewalt und das ganze Rumgeblute", regt sich der Polizeichef in einer Szene über seinen neuen Mitarbeiter auf.

Ein bisschen könnte man dieses Entsetzen als augenzwinkernde Replik auf die umfangreiche Kritik am Schweiger-"Tatort" werten, dem viele Kritiker vor Ansicht des Endproduktes vorwarfen, die Kult-Krimimarke nur für eigene PR-Zwecke zu missbrauchen. Aber: Der fertige Film ist wohl einer der unterhaltsamsten und ganz sicher in Sachen Action besten "Tatorte" aller Zeiten. Und dass Deutschland seinen - oft sperrigen und chronisch beleidigten - Kinostar immer noch lieb hat, das beweist ja wohl die Wahl von "Willkommen in Hamburg" zum Wiederholungs-"Tatort" der Woche.