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Warum WWE diesen Undertaker-Schocker totschweigt

Es war das vielleicht brisanteste Thema, an die sich WWE in den vergangenen 20 Jahren heranwagte - und es endete in einem Fiasko.

Heute vor 15 Jahren feuerte die weltgrößte Wrestling-Liga Mark Copani, den Mann, der Muhammad Hassan war.

Mit dem kontroversen Charakter eines arabischstämmigen Amerikaners, der sich durch die Reaktion der USA auf den Terroranschlag am 11. September von seinem Land abgewandt hat, wollte die Promotion die angespannte politische Lage damals zu einer Aufsehen erregenden Story flechten. Sie hatte große Pläne mit Hassan, stellte ihn mit Superstars wie Hulk Hogan, John Cena, Batista und Shawn Michaels in den Ring - wollte ihn mit nur 24 Jahren sogar zum World Champion krönen.

Doch ein ebenso grenzwertiges wie folgenschweres TV-Segment, in dem Hassan auf den legendären Undertaker traf, setzte dieser Idee ein unfreiwilliges Ende.

WWE startete kontroverse Story 2004

Hassan debütierte Ende 2004 sein Debüt bei WWE und definierte dabei sofort seine Rolle: Er und sein Gefährte Khosrow Daivari stellten sich als "Arab Americans" dar, die in ihrem Land kein normales Leben mehr führen könnten.

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Vorurteile und Diskriminierungen seien seit 9/11 an der Tagesordnung, Amerika sei ein verlogenes Land geworden. Nun hätten sie genug davon und würden sich bei WWE den Respekt holen, den sie verdienten - mit Gewalt, wenn es sein müsste.

Hassans Auftritte, in denen er später auch kritische Anspielungen auf die Kriege in Afghanistan und Irak einstreute, verfehlten ihre Wirkung nicht: Er wurde von den Fans als die Hassfigur angenommen, die er darstellen sollte. Berichten zufolge plante WWE deshalb, ihn beim SummerSlam 2005 mit einem Sieg über Batista zum World Champion zu krönen.

Verstörende Attacke auf den Undertaker

Kritik begleitete die Hassan-Story dabei von Anfang an: Anfängliche Erwähnungen des Wortes Allah in seinen Redebeiträgen führten zu Beschwerden von Muslimen, für Irritation sorgte auch, dass Copani in Wahrheit keinen arabischen Hintergrund hat - er ist Italo-Amerikaner.

Der Hassan-Charakter wurde dessen ungeachtet als jordanisch-palästinisch dargestellt, eher wahllos war auch die Verbindung mit dem iranischstämmigen Daivari, der Hassans Promos simultan ins Persische übersetzte. Dass Persisch und Arabisch zwei verschiedene Sprachen und Kulturen sind: War den WWE-Bossen nicht wichtig.

Völlig vom Gleis geriet die Story, als Hassan im Sommer 2005 in eine Fehde mit dem Undertaker gesteckt wurde - und diesen dabei von fünf schwarz gekleideten Männern mit Skimasken attackieren ließ, die Hassan mit einer Art Gebet zu "beschwören" schien. Der Taker wurde dabei unter anderem auch mit einem Stahldraht gewürgt.

Das voraufgezeichnete Segment wurde am 7. Juli 2005 bei der Show SmackDown ausgestrahlt - dem Tag, an dem die Selbstmordattentate von London mit 56 Toten die Welt erschütterten.

Entlassung statt Championtitel

WWE stand danach wegen der Darstellung des Hassan-Charakters umso mehr am Pranger. Die eindeutige Suggestion, dass ihr arabisch-amerikanischer Schurkencharakter nicht nur ein Heuchler, sondern selbst eine Art Terrorpate war, führte zu diversen kritischen Berichten in größeren Medien - die nicht ohne Konsequenzen blieben.

UPN, der damalige Haussender von SmackDown in den USA, forderte WWE auf, den Hassan-Charakter aus den dort ausgestrahlten Shows zu entfernen.

Die Liga versuchte zunächst noch, die Wogen zu glätten und um das Verdikt herumzuplanen: So wurde Hassans Abwesenheit in den Shows zunächst als Boykott-Aktion dargestellt. Ein angeblicher Anwalt Hassans (der junge Tommaso Ciampa) verlas ein Statement, dass Hassan von den Medien ungerecht behandelt und den WWE-Shows deshalb fernbleiben würde.

Darsteller von Muhammad Hassan ist heute Schuldirektor

Letztlich musste WWE sich aber fügen und den Charakter komplett fallen lassen: In seinem letzten Match bei der Pay-Per-View-Veranstaltung Great American Bash wurde er vom Taker vernichtend besiegt und anschließend aus den Shows geschrieben.

Dass Copani kurz darauf dann komplett entlassen wurde, war dann die eigene Entscheidung von WWE. Angeblich hatte Copani sich geweigert, sich für einen Neustart und weiteres Training in die damalige Farmliga OVW zurückversetzen zu lassen.

Inzwischen scheint auch die WWE-Führung die Hassan-Story als nicht mehr vermittelbar zu empfinden. In dem sonst prall gefüllten YouTube-Archiv der Liga findet sich nur ein Match von Hassan und Daivari - der Tag-Team-Kampf gegen Hulk Hogan und Shawn Michaels, an dessen Ende sich Michaels gegen den Hulkster wandte. Ansonsten wird Hassan faktisch totgeschwiegen.

Copani kehrte der Branche danach den Rücken und versuchte eine Karriere als Schauspieler. Nachdem das nicht klappte, sattelte er nochmal um, ging zurück aufs College und wurde Lehrer. Heute ist der nun 39-Jährige Direktor einer Junior High School in der Stadt Fulton bei New York.