Yahoo Person des Jahres: Lothar Wieler

Ungewollt rutschte er 2020 ins Rampenlicht. Wegen Corona ist der Präsident des Robert-Koch-Instituts quasi Deutschlands oberster Seuchenberater. Seine Zurückhaltung dabei macht ihn zur Yahoo Person des Jahres.

Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, bei einer seiner wöchentlichen Pressekonferenzen (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)
Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, bei einer seiner wöchentlichen Pressekonferenzen (Bild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das Wort zum Sonntag im Fernsehen verfolgen nicht gerade viele. Die Zeiten haben sich geändert. Und es gibt andere Leute, denen man eher zuhört: Wenn der Wendler etwa ein Türchen im Adventskalender öffnen lässt oder Jogi Löw seine nicht enden wollende Motivation für die Fußballherrennationalmannschaft erklärt. Und dann gibt es noch jene, denen man gebannt zuhört, ohne es selbst zu wissen, die zu unbewussten Begleitern durch den Alltag geworden sind. Einer von ihnen ist Lothar Wieler.

Der 59-Jährige hatte zu Jahresanfang noch einen unauffälligen Job. Er sitzt dem Robert-Koch-Institut vor, das ist ein Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und tauchte im Fernsehen mit seinen Bulletins und Saisonberichten kaum auf. Viren lockten keinen hinterm Ofen hervor. Doch dann kam Corona.

Ungewollte Prominenz

Seit März 2020 gibt es Wieler in der Dauerschleife. Zuerst tägliche Pressekonferenzen, dann zweimal in der Woche, dann weniger und nun wieder quasi jeden Tag: Wieler berät als Chef dieser Bundesbehörde nicht nur die Bundesregierung im Umgang mit dem Corona-Virus, er erklärt diesen auch der ganzen Nation. Er tut dies auf eine unaufgeregte Art, die angesichts der Tragik, die Covid-19 mit sich bringt, guttut. Weil es beruhigt.

Wieler kennt die Gefahren des Virus. Er streut nicht Sand in die Augen, Zucker verteilt er auch nicht. Man glaubt ihm instinktiv, dass er sagt, was er in diesem Moment weiß; da ist keine Agenda, keine Strategie, keine Arroganz oder Selbstverliebtheit, die zumindest nach außen dringt.

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Wieler ist anzusehen, dass er diese prominente Rolle nicht gesucht hat, dass er sie ausfüllt, weil jemand diesen Job halt machen muss. Er hätte wohl nichts dagegen, zu seinen Bulletins und Saisonberichten zurückzukehren.

Sein unauffälliges Auftreten führt übrigens dazu, dass es ein großes Interesse daran gibt, was er sagt und weniger daran, wer er ist. Wieler macht sich, so gut es geht, unsichtbar.

Sein Kollege, der Virologe Christian Drosten, steht hingegen in einem grelleren Rampenlicht. Beide sagen nichts Unterschiedliches. Aber an Drosten scheiden sich die Geister, zu dem wollen alle eine Meinung haben. Er hat Fans und Gegner. Letzteres ist unverständlich und ungerecht, Drosten fordert all dies nicht hinaus – auch er muss diesem riesigen Bedürfnis aus der Bevölkerung nachkommen, die Sehnsucht nach Antworten und Halt in Zeiten der Pandemie zu bedienen. Drosten und Wieler halten die Laternen, denen wir folgen. Und als kompetente und unaufgeregte Wissenschaftler sind sie auch dafür geeignet. Jedenfalls gibt es weitaus schlechtere Scouts.

Das Sachliche steht im Vordergrund

Dass Wieler bereits jetzt wie ein Inventar wirkt, dass kaum hinterfragt wird und aus dessen Privatleben wenig nach außen dringt, liegt auch daran, dass sich die halbe Nation an Drosten abarbeitet. Gut möglich, dass Wieler ihm zu Weihnachten aus Dank dafür eine Pralinenschachtel schenkt.

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Wieler, der Tierarzt, ist eigentlich ein Mann des Labors. Forschung ist sein Metier. Die Übertragung von Krankheiten bei Tieren ist die Fachrichtung, der er sich widmet. Solange Corona die Gesellschaften in Kurzatmung hält, wird er indes einen weißen Arbeitskittel nicht sehen, da muss er raus und diese Zahlen erklären. Und erklären. Und ruhig dabei klingen. Andere würden in seiner Rolle vor Stolz platzen oder schnell abdanken. Sie würden sich als Superhelden inszenieren oder nur so wenig wie möglich öffentlich reden. Wieler dagegen findet das richtige Maß. Das macht ihn zur Yahoo Person des Jahres 2020.

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