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YouTube in der Kritik: Kapitol-Stürmer werden auf Videodienst gesponsert

YouTube steht nach der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger in der Kritik. Der Grund: Einige der Akteure haben auf dem Videodienst nicht nur eine Ausdrucksplattform. Sie verdienen mit ihren antidemokratischen Inhalten auch noch Geld.

WASHINGTON DC, DISTRICT OF COLUMBIA, UNITED STATES - 2021/01/06: Pro-Trump supporters and far-right forces flooded Washington DC to protest Trump's election loss. Hundreds breached the U.S. Capitol Building, aproximately13 were arrested and one protester was killed. (Photo by Michael Nigro/Pacific Press/LightRocket via Getty Images)
Hunderte Trump-Anhänger stürmten am Mittwoch das Kapitol in Washington, D.C.(Bild: Michael Nigro/Pacific Press/LightRocket via Getty Images)

Nach der Erstürmung des Kapitols in Washington, D.C. durch Anhänger des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump am Mittwoch ist die Lage wieder unter Kontrolle. Den bürgerkriegsähnlichen Szenen folgt ihre Aufarbeitung. Dabei ist auch YouTube ins Visier der Kritiker geraten. Der Vorwurf: Auf dem Videodienst tummeln sich etliche Nutzer, die mit ihren ethisch problematischen und antidemokratischen Beiträgen auch noch Geld verdienen. Ins Bewusstsein ist das Phänomen noch einmal mit den gestrigen Ereignissen gerückt. Beim Sturm auf das Kapitol waren auch Personen dabei, die auf YouTube über gesponserte Kanäle verfügen.

"Revolutionär" in Nancy Pelosis Büro

Auf das Problem macht die Twitter-Nutzerin Nandini Jammi aufmerksam. Sie hat auf dem Kurznachrichtendienst den mittlerweile gelöschten Tweet eines Mannes geteilt, der der rechten Szene in den USA angehört. Auch er war gestern ins Kapitol eingedrungen. Sein Eintrag auf dem Kurznachrichtendienst bestand aus einem Bild, das er im Büro der demokratischen Politikerin und Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, aufgenommen hat. Im Kommentar zum Foto schrieb er: "Nachdem tausende Revolutionäre das Gebäude gestürmt haben, bin ich in Nancy Pelosis Büro".

Mit seinem Eintrag wollte er die Situation "aus der richtigen Perspektive" zeigen. Und diese "Perspektive" ist offenbar, wie er andeutet: Die Politiker wurden so schnell "evakuiert", dass sie nicht einmal die Zeit hatten, ihre Computer auszuschalten. Das Bild hat der Mann anscheinend auf dem Bürostuhl Pelosis sitzend gemacht. Es ist zu sehen, dass der Laptop der Politikerin eingeschaltet und das E-Mail-Programm noch aktiviert sind.

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Der selbsternannte "Revolutionär" arbeitet nach Informationen von Mashable für den konservativen Streaming-Dienst BlazeTV – eine Plattform, die eigenen Angaben zufolge "Nachrichten und Unterhaltung für Menschen" produziert, "die Amerika lieben". Seine Inhalte verbreitet der Sender auch auf YouTube, wo er genauso über einen Kanal verfügt wie der "Revolutionär". Während BlazeTV mit seinem Channel 1,3 Millionen Nutzer erreicht, zählt jener immerhin insgesamt 350.000 Abonnenten. Hier wie dort werden neben rechtskonservativen Inhalten auch allerhand Verschwörungstheorien verbreitet - darunter die nicht belegte Behauptung, dass die letzte Präsidentschaftswahl manipuliert wurde.

Wie Extremisten auf YouTube Geld verdienen

An diesem Problem setzt die Kritik an YouTube an. Dem Videodient wird vorgeworfen, dass die Nutzer für ihre antidemokratische Botschaften und offenkundigen Falschaussagen dank des Monetarisierungssystems des Anbieters auch noch bezahlt werden. Twitterin Jammi führt vor dem Hintergrund der Kapitol-Erstürmung den Fall des "Revolutionärs" als Beispiel an: "Der YouTube-Kanal des Mannes ist von YouTube vollständig monetarisiert", schreibt sie. "Er verdient damit Geld".

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Jammi leitet laut Mashable eine Agentur, die gegen genau dieses Phänomen vorgeht: Die Firma unterstützt Unternehmen, damit diese auf Twitter nicht fragwürdige Inhalte sponsern. Das Problem wurde gestern besonders deutlich. Denn in einer Reihe von Tweets hat Jammi so manches Unternehmen an den Pranger gestellt, die die Inhalte des "Revolutionärs" finanzieren – darunter die US-Investmentfirma Acorns: "Sie haben den Einbruch in Nancy Pelosis Büro ermöglicht", schreibt sie in einem ihrer Tweets.

Zu den Sponsoren "des Typs, der ins Büro von Nancy Pelosi eingebrochen ist", so Jammi, gehört auch Calm. An die Adresse des Unternehmens hinter der gleichnamigen Meditationsapp gerichtet, schreibt sie: Das sei "absolut wahnsinnig, Ihr müsst eure Werbung kontrollieren."

Bei Calm kam die Kritik an. Das Unternehmen hat in einem Twitter-Eintrag nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es das besagte Konto nicht sponsere. Die Werbung sei von YouTube platziert worden, man arbeite mit dem Videodienst zusammen, um die Anzeigen zu entfernen. Darüber dass Jammi das Problem gemeldet habe, freue man sich, heißt es abschließend. Die Frau bedankte sich in einem Antwort-Tweet und fügte hinzu: "Ein bisschen spät."

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