ZDF-Talk: Krankenpflege-Azubi stiehlt Markus Lanz die Show

Alexander Jorde mischte die Diskussionrunde bei Markus Lanz auf (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)
Alexander Jorde mischte die Diskussionrunde bei Markus Lanz auf (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)

So unterhaltsam war die Talkshow von Markus Lanz lange nicht. Und das beim mittlerweile ausdiskutierten Dauerthema SPD. Zu verdanken war die spannende Sendung einem Krankenpfleger-Azubi, der schon die Bundeskanzlerin in die Bredouille gebracht hatte und der sich am Donnerstagabend auch nicht von der herablassenden Art des Moderators beeindrucken ließ.

Zunächst war jedoch Thomas Oppermann dran. Lanz befragte den SPD-Politiker und Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages zum aktuellen Zustand seiner Partei. Für Oppermann lag das schlechte Abschneiden in den vergangenen Jahren nicht an der Politik der Sozialdemokraten, sondern am schlechten Marketing: “Wir waren der Motor in der Großen Koalition, wir haben uns nur schlecht verkauft; die Kanzlerin hat unsere Erfolge zu ihren gemacht.” Mittlerweile freuen sich die Sozialdemokraten über Umfrageergebnisse von 18 Prozent.

Lanz zu SPD-Mann Oppermann: “Was zur Hölle haben Sie die letzen zehn Jahre gemacht?”

Dass dieser – nun ja – Aufschwung aus Wahlkampfversprechen, wie der “Respekt-Rente” resultiert, bestritt Oppermann. “Wir haben intensiv daran gearbeitet, wieder die Partei der Arbeitnehmer und ihrer Familien zu werden”, behauptete er. Bleibt die Frage: Wessen Partei war die SPD zuvor?

Hintergrund: Der große Streit: Brauchen wir die “Respekt-Rente”?

Oppermann erklärte, die SPD müsse nicht nur für Gerechtigkeit sorgen, sondern auch empathisch sein, worauf Lanz entgegnete: “Es ist doch verrückt, dass die SPD nach so vielen Jahren die Empathie entdeckt.” Lanz: “Sehen Sie es mir nach, aber wenn ein hochrangiger Vertreter der SPD sagt, es gehe ungerecht zu, dann frage ich mich: Was zu Hölle haben Sie die letzten zehn Jahre gemacht?” Es habe ja maßgeblich mit der SPD zu tun dass die Lage so ist wie sie ist. “Von 21 Jahren, waren sie 17 in der Regierung.” Oppermann: Man habe sich nicht mit CDU/CSU einigen können.

Thomas Oppermann spricht bei Markus Lanz über die “Respekt-Rennte”. (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)
Thomas Oppermann spricht bei Markus Lanz über die “Respekt-Rennte”. (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)

Lanz erinnerte zu Recht daran, dass es nicht die Union, sondern SPD und Grüne waren, die einen Niedriglohnsektor und “Hartz IV” geschaffen haben. Oppermann wählte das Argument, das Sozis immer wählen, wenn sie damit konfrontiert werden: Die Welt habe sich fundamental geändert. Mag sein. Aber dass Beschäftigte nach 40 Jahren Arbeit nur eine Minirente bekommen, das war auch schon 2001 ungerecht.

Claudia Kade, Politikchefin der Zeitung “Die Welt”, kritisierte: “Die SPD sagt nicht, was ihre Wohltaten kosten.” Allein das Rentenpaket verschlinge 5 Milliarden Euro jährlich. Kade: “Ich finde das unseriös.” Die Profilierungsversuche könnten zu einer permanenten Wählerenttäuschung werden. Denn die SPD wisse, dass die Union in wesentlichen Punkten nicht mitmache und am Ende beschäftigten sich die Parteien nur wieder mit sich selbst. Oppermann reagierte schnippisch. “Vielen Dank für die Fürsorge.” Kades Replik: “Meine Sorge gilt nicht Ihnen, sondern den Wählern da draußen.”

Claudia Kade kritisiert die Profilierungsversuche der SPD. (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)
Claudia Kade kritisiert die Profilierungsversuche der SPD. (Foto: Screenshot ZDF/Markus Lanz)

Pflege-Azubi Jorde zu Lanz: “Stellen Sie mich nicht als naiv dar.”

Noch interessanter wurde es, als Alexander Jorde mitdiskutierte. 2017 hatte er in einer Wahlsendung Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Missstände in der Pflege hingewiesen. Merkel, die versuchte den Azubi mit einigen Phrasen abzuspeisen, musste feststellen, dass sie ihn damit nicht sedieren kann. Mittlerweile ist der junge Mann SPD-Mitglied.

Als Lanz beim Thema Gerechtigkeit versuchte, verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen und zu Jorde sagte: “Ihnen ist schon klar, dass Ihre Generation die Renten bezahlen muss, die die SPD gerade erhöhen möchte”, antwortet der Pflegelehrling: “Das ist mir klar – und das ist soziale Gerechtigkeit, dass jemand, der lange gearbeitet hat, nicht am Ende Pfandflaschen sammeln muss.”

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Lanz versuchte einen neuen Anlauf: “Woher soll denn das Geld kommen?” Jorde erwähnte die ungerechte Vermögensverteilung in Deutschland und die Möglichkeit, Reiche stärker zu besteuern. Lanz entsetzt: “Sollen Milliardäre enteignet werden?” Jorde: “Nein, aber ich akzeptiere nicht, dass jemand, der das Dreihundertfache von normalen Beschäftigten verdient, kaum Steuern zahlt.” Weil Lanz dem Argument offenbar wenig entgegenzusetzen hatte, versuchte er Jorde lächerlich zu machen: “Ich nehme es sehr ernst, wenn jemand Revolution ruft”, so der Moderator. Jorde beeindruckte das nicht: “Ich weiß, Sie verniedlichen das und stellen mich als naiv dar, aber wir müssen eben auch mal weiterdenken, als immer nur ein paar Prozente hin und her zu schieben.”

Hoffen wir, dass sich so engagierter Nachwuchs, nicht von saturierten Bedenkenträgern à la Lanz beeindrucken lässt, die hinter jeder Veränderung Gefahr wittern. Auch nicht von Parteien, in denen Posten oft wichtiger sind als Positionen. Denn im Gegensatz zu viele Jungpolitikern, die außer Abi, Politikstudium und Funktionärslaufbahn nicht viel vorzuweisen haben, hat ein Krankenpfleger einen großen Vorteil: Er ist näher dran am Leben der Menschen, das sich nun mal nicht zwischen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg abspielt, sondern in Schulen, Betrieben und Altenheimen.

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