Zukunftsforscher Thomas Druyen - Experte erklärt: Warum amerikanische Milliardäre Deutschland abhängen

Milliardäre sind ein Spiegelbild der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Dynamik ihrer Gesellschaften.<span class="copyright">Getty Images/ KENNY HOLSTON/ SHAWN THEW/ Pool</span>
Milliardäre sind ein Spiegelbild der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Dynamik ihrer Gesellschaften.Getty Images/ KENNY HOLSTON/ SHAWN THEW/ Pool

Milliardäre spiegeln die Dynamik ihrer Gesellschaften wider – doch in den USA und Deutschland könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Zukunftsforscher Thomas Druyen beleuchtet die Unterschiede zwischen den Superreichen beider Länder.

Milliardäre sind ein Spiegelbild der politischen, wirtschaftlichen und technologischen Dynamik ihrer Gesellschaften. Daher macht es Sinn, die zehn reichsten Milliardäre in Deutschland und der Vereinigten Staaten holzschnittartig zu vergleichen. Dies mache ich anonymisiert, um Respekt zu wahren und nur allgemeine Muster zu beleuchten. Wie gesagt, es kann nicht mehr sein als eine kleine Annäherung.

 

Die Vereinigten Staaten sind die treibende Kraft in der globalen Innovationsökonomie. Ihre größten Vermögen entstehen in Branchen wie Technologie, Software, E-Commerce und sozialen Medien. Unternehmen wie Apple, Google, Meta oder Amazon belegen das. Auch und vor allem die Künstliche Intelligenz steht im Zentrum dieser Erfolgsgeschichten.

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Amerikanische Milliardäre nutzen maschinelles Lernen, Automatisierung und personalisierte Algorithmen, um bestehende Märkte zu dominieren und neue Märkte zu schaffen. Gegenwärtig kommen neun der zehn reichsten Menschen der Welt aus Amerika. Fast alle verdanken ihren gigantischen und epochalen Erfolg direkt der Integration von KI in ihre Geschäftsmodelle.

Diese Technologien sind für sie nicht nur Werkzeuge, sondern der Kern ihrer wirtschaftlichen und unternehmerischen Strategien. Dieser Ansatz ist nicht durch eine altruistische Kultur geprägt, sondern oft durch aggressives und omnipotentes Verhalten, das auf Vorherrschaft abzielt. Die dominierenden Plattform-Unternehmer nutzen gezielt disruptive Technologien und marktbeherrschende Strategien, um ihren Einfluss gnadenlos zu maximieren.

Deutschland hat eine ganz andere Struktur. Bei den Milliardären dominieren Logistik-, Montagetechnik- und Discounter- Konzerne, aber auch Beteiligungs-, Software- und Investmentunternehmer. Dahinter folgen traditionelle Industrien wie Maschinenbau und Automobilproduktion, Chemie- und Pharmaindustrie etc.

All dies trägt zu den großen Vermögen bei. Gerade Unternehmen in diesen Bereichen haben sich durch Funktionalität und Qualität weltweit einen Namen gemacht. Einige deutsche Milliardäre sind auch Erben von Familienunternehmen, die über Generationen hinweg gewachsen sind.

Obwohl KI in diesen Branchen zunehmend eingesetzt wird, bleibt ihr Fokus zögerlich: Sie wird vor allem zur Optimierung von Prozessen und zur Verbesserung der Effizienz genutzt. Es gibt kaum deutsche Milliardäre, die ihr Vermögen hauptsächlich durch KI erwirtschaftet haben.

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Stattdessen wird sie als unterstützendes Element gesehen, das in bestehende Geschäftsmodelle integriert wird, anstatt diese grundlegend zu verändern. Diese konservative Herangehensweise spiegelt die Stabilität und den Fokus auf eine sicherheitswahrende Tradition wider, die in der deutschen Wirtschaft tief verwurzelt ist.

Bevor wir weiterdenken, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Vermögen der zehn reichsten Milliardäre laut Statista jetzt bei uns zwischen 11 und ca. 37 Milliarden US-Dollar liegen. In den USA benennt die gleiche Quelle eine Spanne zwischen 105 und 200 Milliarden Dollar. Wobei andere Quellen bei Musk schon von 400 Milliarden Dollar sprechen. Auf jeden Fall reden wir von sehr unterschiedlichen Dimensionen, die sich auch sicher markant in der Einflussnahme niederschlagen.

Ein weiterer, entscheidender Unterschied liegt in der Bildungslandschaft. Die Vereinigten Staaten sind bekannt für ihre Spitzenuniversitäten wie Harvard, Stanford und das MIT, die weltweit führend in der Forschung und Entwicklung neuer Technologien, einschließlich KI, sind. Diese Institutionen ziehen nicht nur die besten Köpfe aus der ganzen Welt an, sondern fördern auch Unternehmertum und Risikobereitschaft.

Viele amerikanische Milliardäre haben ihre Karrieren an solchen Universitäten begonnen, die als Inkubatoren für Innovation dienen. Diese Verbindungen zwischen Bildung, Forschung und Top-Unternehmen schaffen ein Ökosystem, das Wachstum, Fortschritt und Visionen vorantreibt.

In Deutschland sind in der Breite die Universitäten stärker auf akademische und branchenspezifische Ausbildungen fokussiert und weniger eng und tief mit der Wirtschaft verflochten. Zwar haben wir auch Exzellenzuniversitäten und technische Hochschulen, doch fehlt oft die gleiche Förderung von Start-ups und Unternehmertum, wie sie in den USA üblich ist. Es kommt hinzu, dass eine internationale Reputation und Feldführerschaft nicht oft vorkommen.

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Die allgemeine Stimulanz und Attraktivität, die durch ein innovatives Unternehmen wie Biontech global hervorgerufen wurde, ist noch zu selten. Ohne Zweifel haben wir aber zum Beispiel mit dem Helmholtz- Forschungsnetzwerk oder den Max-Planck-Instituten absolut konkurrenzfähige Spitzenorganisationen. Aber sie sind in der Öffentlichkeit weit unter ihrer Bedeutung bekannt.

Ein weiterer, wesentlicher Aspekt ist der Einfluss von Milliardären auf die Politik. In den Vereinigten Staaten ist diese Einflussnahme offensichtlich und institutionalisiert. Viele Superreiche investieren enorme Summen in Wahlkampagnen, Lobbyarbeit und politische Stiftungen. Dies gibt ihnen eine erhebliche Mitsprache bei politischen Entscheidungen, von Steuerregelungen bis hin zu Umweltgesetzen.

Organisationen, die von Milliardären finanziert werden, setzen oft nationale oder sogar globale Agenden, die weitreichende Konsequenzen für Gesellschaft und Wirtschaft haben. Diese direkte Verbindung zwischen Reichtum und Macht hat in den USA eine lange Tradition und wird durch ein System unterstützt, das politische Spenden weitgehend uneingeschränkt zulässt. Die jetzige Trump-Regierung wird vielfach schon als Oligarchentum bezeichnet.

In Deutschland ist die politische Einflussnahme von Milliardären weitaus zurückhaltender. Zwar existieren auch hier Lobbyarbeit und politische Netzwerke, doch das System ist stärker reguliert und weniger auf individuelle Großspender angewiesen. Dies führt zu einem geringeren direkten Einfluss der Superreichen auf politische Entscheidungen.

Stattdessen engagieren sich viele deutsche Milliardäre in Form von Stiftungen, der Förderung der Wissenschaft oder gemeinnützigen Projekten, die oft soziale oder kulturelle Ziele verfolgen. Diese Zurückhaltung mag kulturell bedingt sein, spiegelt aber auch die unterschiedlichen politischen Systeme wider, die in den USA viel stärker auf privatwirtschaftliche Finanzierung ausgerichtet ist.

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In unserem Bundestag und in den verantwortlichen politischen Leitungsfunktionen sind Angehörige der Mittelschichten uneingeschränkt häufiger vertreten. Insgesamt sehen wir auch bei den Superreichen enorme Unterschiede in den Mentalitäten, im Selbstverständnis und auch in der Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstreflexion, die in Deutschland seit siebzig Jahren zur kulturellen DNA gehört.

Bei diesem skizzenhaften Vergleich ist es wichtig, die unterschiedlichen Ziele und Visionen der beiden Nationen zu beleuchten. Die Vereinigten Staaten streben danach, die Grenzen des Machbaren zu verschieben. Projekte wie die Mars-Mission, die Kommerzialisierung der Mondfahrt und allem voran der Einsatz von KI in allen Lebensbereichen sind Beweise für diesen Pionier- und Dominanzgeist.

Milliardäre investieren in groß angelegte Visionen, die nicht nur den technologischen Fortschritt vorantreiben, sondern die Menschheit buchstäblich in neue Welten führen. Dieser Drang, „das Unmögliche möglich zu machen“, spiegelt die amerikanische Mentalität wider: Risiken einzugehen und global zu dominieren.

Gleichzeitig zeigt sich ein grundlegender Unterschied in der wirtschaftlichen Struktur: Während die USA in vielen Bereichen autarker agieren können, basiert Deutschlands Wohlstand stark auf seiner Rolle als Exportnation. Industriegüter wie Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte sind die Basis deutscher Exporte und machen das Land hochgradig abhängig von internationalen Märkten.

Diese Abhängigkeit erfordert Stabilität und langfristige Partnerschaften, während die USA aufgrund ihres großen Binnenmarkts mehr Flexibilität und Unabhängigkeit besitzen. Auch die notwendige Führungsrolle in Europa macht es für Deutschland viel komplizierter, die eigenen Interessen unmittelbar umzusetzen.

Aus meiner Betrachtung ist dennoch die umfassende und exponentielle Nutzung der Künstlichen Intelligenz für und in unserer Gesellschaft der entscheidende und ultimative Schritt, um all unsere Talente und Errungenschaft konkurrenzfähig in die Zukunft zu führen. Ich denke, die unterschiedlichen Generationen, die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Jugend unseres Landes können und wollen dies umsetzen. Allerdings muss der bisherige, kulturelle Schalter radikal umgelegt werden. In dieser Hinsicht scheinen die politischen Parteien kein eindeutiges Nutzungskonzept dieser hochvermögenden Fortschrittstreiber zu haben.

Wenn sogar einzelne Parteien ein Verbot von Milliardären in den Raum stellen, kann man ahnen, dass dies international als Offenbarungseid und nicht als Leuchtturmstrategie bewertet wird.