Zuschüsse für Sparer - Kaum ein Effekt: Lindners neuer Rentenplan hinterlässt mehr Fragen als Lösungen

Will mehr Menschen zum Aktiensparen motivieren: Finanzminister Christian Lindner (FDP).<span class="copyright">IMAGO/NurPhoto</span>
Will mehr Menschen zum Aktiensparen motivieren: Finanzminister Christian Lindner (FDP).IMAGO/NurPhoto

Wer für seine Altersvorsorge mit ETFs oder Anleihen spart, soll nach Plänen der FDP künftig staatliche Boni von bis zu 600 Euro pro Jahr bekommen. Was nach viel klingt, macht aber nur in wenigen Fällen am Ende auch mehr aus. Vieles bleibt rätselhaft.

Was plant die FDP?

Die Ampel-Koalition diskutiert weiter eine grundlegende Rentenreform. Die Einführung der Generationenkapital genannten Aktienrente ist bereits beschlossen. Ein nächster Schritt soll nach Wunsch der FDP eine Förderung der privaten Altersvorsorge sein. Das bisherige Modell der Riester-Rente hat sich dafür als zu teuer und kompliziert erwiesen. Die Alternative soll das Altersvorsorge-Depot sein. In dieses können Sie direkt Geld aus Ihrem Bruttoeinkommen steuerfrei umleiten und in bestimmte Geldanlagen, hauptsächlich weniger riskante ETFs und Anleihen, investieren. Die neue Regelung soll ab 2026 kommen, Arbeitnehmer könnten sich dann zwischen Riester und dem Altersvorsorge-Depot entscheiden.

Auf einer Rede in Berlin am Wochenende hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) diesen Plan konkretisiert. So würde der Staat Investitionen auf dem Altersvorsorge-Depot generell mit 20 Prozent bezuschussen, wobei dies erst ab Einzahlungen von 120 Euro im Jahr und bis zu maximal 3000 Euro gilt. Der maximale Zuschuss läge also bei 600 Euro pro Jahr. Für jedes Kind soll es zudem 25 Prozent extra für jeden eingezahlten Euro bis maximal 300 Euro Zuschuss pro Kind und Jahr geben. Zudem bekommen Menschen mit einem Einkommen von maximal 26.250 Euro brutto pro Jahr einen jährlichen Zuschuss von 175 Euro und Berufsanfänger unter 25 Jahren für die ersten drei Berufsjahre je 200 Euro extra.

Was nutzt Ihnen das?

Grundsätzlich bringen Ihnen die staatlichen Zuschüsse prozentual mehr, je weniger Geld Sie generell ansparen. Ein Mindestlohn-Empfänger, der in Vollzeit ein Jahreseinkommen von 24.616 Euro besitzt, und den Mindestsatz von 10 Euro pro Monat in sein Altersvorsorge-Depot steckt, würde mit Zuschüssen bei 27 Euro Sparrate pro Monat landen. Die Zuschüsse würden die Sparrate also um 166 Prozent erhöhen, also nahezu verdreifachen. Berufseinsteiger mit einem typischen Gehalt von 38.000 Euro im Jahr, die ähnlich wie bei einem Riester-Vertrag davon 4 Prozent, also 127 Euro pro Monat, ansparen, kämen mit Boni auf eine Sparrate von 169 Euro im Monat, also ein Plus von 28 Prozent.

Für alle anderen Arbeitnehmer machen die Zuschüsse immer weniger aus. Als eine grundsätzlich gute Sparrate gelten 20 Prozent des Nettoeinkommens. Da beim Altersvorsorge-Depot das Geld vom Bruttoeinkommen abgezogen wird und Sie somit keine Steuern darauf bezahlen, können Sie vom Brutto absolut etwas mehr anlegen. Die genaue Summe schwankt mit dem Einkommen, liegt aber bei einem Durchschnittseinkommen ebenfalls bei rund 20 Prozent des Brutto, weswegen wir im Folgenden der Einfachheit halber damit rechnen.

Ein Arbeitnehmer mit dem deutschen Median-Bruttogehalt von 43.750 Euro im Jahr würde dann 711 Euro pro Monat in sein Altersvorsorge-Depot stecken. Da dies mehr als 3000 Euro im Jahr sind, gäbe es darauf schon den maximalen Zuschuss von 50 Euro pro Monat. Die Sparrate würde sich also nur noch um rund 7 Prozent erhöhen. Mit höheren Einkommen schwindet der Bonus vom Staat immer mehr, bei einem Spitzenverdiener mit 100.000 Euro Jahresbrutto wären es nur noch 4 Prozent. Der Bonus, den Sie durch die staatlichen Zuschüsse bekommen, schwindet dabei noch weiter, wenn Sie nicht mit 0 Euro Vermögen anfangen, sondern jetzt bereits Geld angespart haben. Bei 25.000 Startvermögen sind es nur noch 3 bis 4 Prozent extra durch den FDP-Plan, bei 50.000 Euro 2 bis 3 Prozent und bei 100.000 Euro nur noch 1 bis 2 Prozent.

Was macht das nach Jahrzehnten des Sparens aus?

Das Gute ist, dass sich höhere monatliche Sparraten entsprechend auch auf Ihr Vermögen auswirken. Es wird – egal nach welcher Laufzeit des Altersvorsorge-Depots – immer um den entsprechenden Prozentsatz höher liegen, um den auch Ihre Sparrate höher lag. Ein Median-Verdiener hat also am Ende 7 Prozent mehr Vermögen als ohne staatliche Unterstützung, ein Mindestlohn-Verdiener sogar 166 Prozent mehr.

In absoluten Zahlen ist das gerade für Geringverdiener eine Hilfe. Wir gehen dabei davon aus, dass ein normales Depot aus ETFs auf große Aktienindizes wie den Dax##chartIcon oder den MSCI World abzüglich Steuern pro Jahr locker 6 Prozent Rendite einfahren kann. Ein Mindestlohn-Arbeiter hätte nach einer Karriere von 40 Jahren ein angespartes Vermögen von rund 49.000 Euro. Ohne staatliche Zuschüsse wären es bei derselben Sparrate nur 18.500 Euro gewesen. Ein Berufsanfänger, der heute mit einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von 38.000 Euro pro Jahr startet, welches sich in seiner Karriere um zuletzt typische, inflationsbereinigte 0,5 Prozent pro Jahr steigert, hätte nach 40 Arbeitsjahren 651.000 Euro im Depot. Ohne staatliche Zuschüsse wären es 564.000 Euro gewesen, der Gewinn läge also bei rund 87.000 Euro.

Bei jedem, der mindestens 250 Euro im Monat anlegt und somit die staatlichen Zuschüsse voll ausreizt, liegt der absolute Gewinn nach 40 Jahren bei rund 93.000 Euro. Wenn Sie bereits im Berufsleben stehen und beispielsweise nur noch 20 Jahre bis zum Ruhestand vor sich haben, wären es nur noch 22.000 Euro extra durch das Altersvorsorge-Depot.

Was gilt für Paare und Familien?

Familien bekommen durch den Kinderbonus mehr Zuschüsse. Allerdings ist noch nicht klar, wie das Altersvorsorge-Depot für Paare und Familien genau funktionieren soll. Zu klären ist noch, ob die Zuschüsse von 20 Prozent und für die eventuell vorhandenen Kinder jedem Partner zugerechnet werden oder zwischen beiden aufgeteilt werden müssen, wenn sie ein gemeinsames Altersvorsorge-Depot besitzen. Unklar ist auch, ob solche Gemeinschafts-Depots überhaupt möglich sind oder jeder Partner/Elternteil ein eigenes Depot eröffnen müsste. Gehen wir von einem gemeinsamen Depot aus, für das die staatlichen Zuschüsse nur einmal gelten, lägen die prozentualen Extra-Gewinne durch den FDP-Plan bei zwei Mindestverdienern bei 80 Prozent oder 30.000 Euro nach 40 Arbeitsjahren. Das wäre weniger als bei einem Mindestlohn-Single, weil der Einkommensbonus dann wegfällt. Für alle anderen Familien mit jeweils zwei Kindern läge das Vermögen am Ende nach 40 Arbeitsjahren um 3 bis 7 Prozent höher als ohne Altersvorsorge-Depot. In absoluten Zahlen wären das 189.000 Euro extra.

Reicht das, um die Rentenlücken in Deutschland zu schließen?

Als Rentenlücke wird die Differenz zwischen der gesetzlichen Rente und den Ausgaben, die ein Mensch vor dem Ruhestand für seinen Lebensstandard hatte, bezeichnet. In der Regel wäre das die Differenz zwischen letztem Nettogehalt und gesetzlicher Rente. Wie hoch diese Lücke im Einzelfall ist, lässt sich berechnen. Im Internet finden Sie dazu viele Online-Rechner. Bei einem Mindestlohn-Arbeiter, der ab heute noch 40 Jahre bis zum Ruhestand hat, liegt diese Lücke bei etwa 607 Euro pro Monat. Auf 25 Jahre Ruhestand gerechnet wären das 182.100 Euro. Die 49.000 Euro, die er mit dem Altersvorsorge-Depot aufbauen könnte, würden also bei weitem nicht reichen. Ein Mindestlohn-Empfänger würde auch mit diesem Plan noch immer in der Grundsicherung landen und vom Existenzminimum leben müssen.

Je höher das Einkommen, desto leichter lässt sich die Lücke schließen. Schon ein Angestellter mit nur 30.000 Euro Jahreseinkommen, der vier Prozent davon pro Jahr anlegt, hätte mit dem Altersvorsorge-Depot nach 40 Jahren Arbeit 223.000 Euro auf dem Konto. Da seine Rentenlücke nur 207.000 Euro beträgt, würde genau der FDP-Plan dazu verhelfen, diese zu schließen. Das ist aber ein seltener Fall, denn schon ein Angestellter mit Median-Einkommen braucht die Hilfe vom Staat nicht mehr. Es kann seine Rentenlücke von rund 300.000 Euro auch bequem ohne staatliche Zuschüsse schließen.

Wann kann ich mir das Geld aus dem Altersvorsorge-Depot auszahlen?

Da das Depot eben für den Ruhestand gedacht ist, können Sie vorher nicht an Ihr Erspartes heran. Erst ab dem 64. Geburtstag sollen Auszahlungen möglich sein. Ob die dann monatlich gestaffelt werden müssen, oder Sie auch alles auf einmal kassieren dürfen, ist noch ungewiss. Das Problem dabei: Ein normaler Sparplan ohne staatliche Unterstützung ist zwar auch primär für die Altersvorsorge gedacht, soll aber auch große Investitionen wie einen Hauskauf oder notwendige Ausgaben etwa für medizinische Notfälle erlauben. Ob das mit dem Altersvorsorge-Depot möglich wäre, ist ungewiss. Andere Länder erlauben in ähnlichen Konstellationen Ausnahmen für bestimmte Ausgaben wie eben Immobilienkäufe oder medizinische Notfälle.

Was ist, wenn ich mit meinem Depot Verluste mache?

Theoretisch kann es passieren, dass Ihr Altersvorsorge-Depot keine Gewinne abwirft, sondern Verluste einfährt – im schlimmsten Fall wäre ein Totalverlust möglich. Die Bundesregierung will dieses Risiko minimieren, in dem sie eine Positivliste von Anlagen erstellt, in die Sie mit dem Altersvorsorge-Depot investieren dürfen. Diese würde wohl die meisten ETFs und Anleihen, aber auch viele Einzelaktien enthalten, deren Verlustrisiko gering ist.

Trotz allem: Eine Garantie, dass Sie mindestens Ihre Einzahlungen auch wieder ausgezahlt bekommen, wie es bei der Riester-Rente geregelt ist, ist bisher nicht vorgesehen.

Warum brauchen wir überhaupt so ein Altersvorsorge-Depot?

Die FDP versucht mit dem Altersvorsorge-Depot dem Grundproblem der deutschen Rente beizukommen, dass auf immer mehr Rentner immer weniger Beitragszahler kommen. Der Staat muss deswegen also zwangsweise entweder die Beitragssätze erhöhen, die Renten kürzen oder das Renteneintrittsalter erhöhen – oder eine Kombination aus den drei Aspekten finden. Das wird wohl auch geschehen, um die Änderungen aber im Rahmen zu halten, ist es wichtig, dass sich Menschen ihre Rente abseits des gesetzlichen Systems zumindest teilweise mitfinanzieren. Das bereits beschlossene Generationenkapital ist dabei ein Weg, Geld von den Finanzmärkten zu Gunsten der deutschen Rente abzuziehen. Private Depots wären ein zweiter Weg dazu.

Ob sich am Ende die FDP-Idee als bestes Konzept durchsetzt, ist diskutabel, unstrittig ist aber, dass Deutschland ein neues, tragbares Konzept zur Förderung privater Vorsorge besitzt.

Wie gut ist die Idee des Altersvorsorge-Depots also?

Das Altersvorsorge-Depot hilft zwar in erster Linie Menschen mit geringem Einkommen dabei, Geld am Finanzmarkt anzulegen, allerdings haben diese Menschen wegen der geringen Sparrate auch am wenigsten davon. Auf der anderen Seite gibt es keine Einkommensgrenze für die staatlichen Zuschüsse, weswegen der Staat auch gut verdienende Menschen fördern würde, die überhaupt keine Hilfe vom Staat für ihre Altersvorsorge brauchen. Um das Konzept abschließend zu bewerten, fehlen aber schlicht noch zu viele Detailinformationen, etwa dazu, wie Paare und Familien die Depots nutzen können, wann und wie die Gelder daraus ausgezahlt werden, wie Menschen vor Verlusten geschützt werden sollen und wo und wie genau Sie am Ende ein Altersvorsorge-Depot überhaupt eröffnen können.

Vielleicht hat ein Konzept für das Altersvorsorge-Depot am Ende aber auch weniger einen reellen finanziellen, sondern mehr einen psychologischen Nutzen. Möglich wäre, dass allein das Angebot staatlicher Zuschüsse für Geldanlagen dazu führt, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen und anfangen, Geld für ihren Ruhestand zu sparen. Wichtig wäre dann allerdings seitens der Bundesregierung, finanziell wenig gebildeten Bürgern reichlich Fachwissen an die Hand zu geben.

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