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Die zwei Gesichter des Boris Becker

Boris Becker bei einem Gerichtstermoin im September 202 in London.
Boris Becker bei einem Gerichtstermoin im September 202 in London.

Tennis-Star, Fernsehexperte, Sorgenkind: Boris Becker fasziniert die Menschen in Deutschland seit 35 Jahren, auch mit Schlagzeilen aus seinem Privatleben. In London steht ihm nun ein schwerer Gang bevor.

London/Hamburg (dpa) - Keine 48 Stunden liegen zwischen zwei Auftritten, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Beim Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum sitzt Boris Becker Ende September mit Jeans, Sonnenbrille und aufgeknöpftem Freizeithemd auf der Tribüne.

Bei der eigens für ihn anberaumten Pressekonferenz plaudert der 52-Jährige bestens gelaunt über seine Liebe zur Hansestadt und über den besten deutschen Tennisspieler Alexander Zverev.

Zwei Tage später werden ganz andere Bilder transportiert. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck - soweit unter dem Mund-Nasen-Schutz mit Sponsoren-Logo und dem Schriftzug «Stronger together» erkennbar - ist Becker in seiner Wahlheimat London auf dem Weg ins Gericht. Er trägt Nadelstreifen-Anzug und Krawatte, die schwarze Schirmmütze ist tief ins Gesicht gezogen.

Den Ärger um sein privates Insolvenzverfahren hatte Becker eigentlich längst hinter sich lassen wollen. Doch es kam anders.

Am Donnerstag (22. Oktober) hat Becker einen weiteren unangenehmen Termin: Sein Fall wurde an den Southwark Crown Court in London verwiesen. Der dreimalige Wimbledonsieger und sechsfache Grand-Slam-Champion will sich dort zu Beginn seines Verfahrens gegen Vorwürfe der britischen Insolvenzbehörde wehren. Die Behörde wirft ihm - wieder einmal - vor, in seinem Verfahren nicht genügend kooperiert zu haben. Becker streitet das vehement ab.

In diesen Tagen sind die beiden Gesichter des Boris Becker präsent wie selten. Während die einen auch nach Jahrzehnten noch den einst weltbesten Tennisspieler feiern, sehen andere in ihm den abgerutschten Pleite-Promi. Als 17-Jähriger hatte sich der Rotschopf aus Leimen mit seinem Wimbledonsieg in die Tennis-Geschichtsbücher katapultiert - und auch in die Öffentlichkeit. Seit jenem 7. Juli 1985 steht Boris Becker im Rampenlicht - und jeder seiner sportlichen und privaten Schritte wird beobachtet und kommentiert.

Heute ist Becker anerkannter TV-Experte für Eurosport oder die britische BBC. Er ist Chef der Herren-Abteilung im Deutschen Tennis Bund und wurde jüngst von Alexander Zverev & Co. zum Teamchef für einen neuen Wettbewerb auserkoren. Für seine Analysen während der zweiwöchigen French Open wurde er zuletzt wieder mit Lob überhäuft. Eurosport verlängerte die Zusammenarbeit bis 2023. Als Becker am vergangenen Mittwoch bei einem Besuch im Golf-Park Dessau zwei Stunden lang über sein Leben plauderte, zog er auch dort das zahlende Publikum mit Anekdoten, Witz und Selbstironie in seinen Bann.

Aber da sind eben auch die privaten Fehltritte und die leidige Finanzmisere. «Das Thema Geld war für mich nie vordergründig. Manchmal hat man mehr, manchmal hat man weniger. Ich habe deswegen nie Dinge gemacht. Es war nie ein Grund, dass ich Tennis gespielt habe oder heute arbeite», sagte Becker in Dessau und versicherte: «Ich verdiene immer noch zwei Mark fünfzig.»

Ganz so entspannt verliefen die vergangenen Jahre für Becker in dieser Hinsicht jedoch nicht: Im Jahr 2017 erklärte ein britisches Gericht den Wahl-Londoner für zahlungsunfähig. Im Sommer 2019 zwangsversteigerte man einen Teil seiner Trophäen - insgesamt 82 Erinnerungsstücke wie Pokale, Medaillen oder Uhren wechselten in einer Online-Auktion den Besitzer.

Eigentlich können Insolvenzverfahren in England bereits nach einem Jahr abgeschlossen werden. Eigentlich.

In Beckers Fall wurden die Insolvenzauflagen jedoch um zwölf Jahre verlängert - demnach muss sich der Ex-Profi bis zum 16. Oktober 2031 bestimmten Einschränkungen für zahlungsunfähige Personen in Großbritannien unterwerfen. Grund ist, dass Becker Transaktionen aus der Zeit vor und nach dem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß gemeldet haben soll. Um ähnliche Vorwürfe geht es jetzt erneut. Die zuständige Insolvenzbehörde führt nun strafrechtliche Ermittlungen gegen den 52-Jährigen.

Der Boulevard, der den damals 17-Jährigen zum Nationalheiligen ausrief, stürzt sich nun genüsslich auf den gefallenen Helden. Es werde seit 30 Jahren allerhand über ihn geschrieben, das meiste davon stimme zum Glück nicht, sagte Becker in Dessau.

Wird der Prozess zum Wendepunkt in der Causa Becker? Abwarten. Jedenfalls kann er die Misere der Insolvenz deutlich in die Länge ziehen. «Ich bestreite die Anschuldigungen gegen mich und werde mich mit allen rechtlichen Mitteln verteidigen», ließ Becker kürzlich in seinem Lieblingsmedium Twitter verlauten und kündigte an, dass sein Team seine Unschuld «zu gegebener Zeit beweisen werde». Drei Ausrufezeichen setzte er.