Zwei Monate Parlamentsferien - besser nicht zu weit weg?

Berlin (dpa) - Ukraine-Krieg, Gas-Krise, Corona-Pandemie - selten zuvor war ein Sommer so problembeladen wie dieser. Und alle Krisen könnten sich jederzeit zuspitzen und schnelles politisches Eingreifen erfordern. Der Bundestag hat sich zwar gerade in seine zweimonatige Sommerpause verabschiedet. Aber wird es dabei bleiben? Oder droht den 736 Abgeordneten eine Sondersitzung samt Urlaubsunterbrechung?

In den vergangenen Tagen wurde im Regierungsviertel gern an einen Satz des früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert erinnert. Der CDU-Mann entließ am 3. Juli 2015 die Abgeordneten mit der Bemerkung «Schwimmen Sie nicht zu weit raus» in die Sommerpause. Damals boomte die Griechenland-Krise. Sie machte nur zwei Wochen später tatsächlich eine Sondersitzung nötig. Diesmal riet Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Abgeordneten, «regelmäßig in ihre Postfächer zu schauen». Denn: «Es kann sein, dass ich Ihnen eine verpflichtende Dienstreise nach Berlin organisiere. Ich hoffe nicht, dass das so kommt.»

Zeigen könnte sich dies schon um den 21. Juli herum, wenn die nun beginnenden Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 abgeschlossen sein müssten. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. «Es kann zu Situationen kommen, wo wir natürlich eine Sondersitzung brauchen könnten», sagte vor wenigen Tagen die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast. Sie riet ihren Kollegen, «gut erreichbar» zu sein.

Und auch Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, listete auf: Ukraine, Energie, Pandemie - «das ist alles geeignet, Sondersitzungen des Bundestags zu erfordern». Was aber auch nicht weiter schlimm wäre. Niemand könne davon ausgehen, «dass man jetzt zwei Monate nicht mehr nach Berlin kommen braucht».

Tatsächlich müssen die Abgeordneten immer wieder die Sommerpause unterbrechen. Im vergangenen Jahr saßen sie am 25. August außerplanmäßig im Bundestag, um über Milliarden-Staatshilfen für die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zu beraten. Außerdem gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Regierungserklärung zum Bundeswehr-Evakuierungseinsatz in Afghanistan ab. Und die Abgeordneten verlängerten im Kampf gegen das Coronavirus die epidemische Lage von nationaler Tragweite um drei Monate.

Eine Sitzung dauerte nur fünf Minuten

Besonders aufwendig war eine Sitzung im Juli 2019 zur Vereidigung der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Um das nicht zur Fünf-Minuten-Sache werden zu lassen, gab diese noch eine Regierungserklärung ab, an die sich eine Aussprache anschloss. Das Problem damals: Wegen Bauarbeiten im Plenarsaal, die unmittelbar mit Beginn der Sommerpause angefangen hatten, konnten die Abgeordneten nur im Foyer des benachbarten Paul-Löbe-Hauses tagen. Dieses musste aber erst als Ersatzplenarsaal hergerichtet werden.

Dauer der Sitzung damals: 99 Minuten. Es ging aber einmal wirklich in nur fünf Minuten - als 1978 die Abgeordneten aus den Ferien geholt wurden, um die Immunität eines Kollegen aufzuheben. Und es gab auch schon Anlässe, die heute merkwürdig klingen: 1964 war die Erhöhung von Telefongebühren um zwei Pfennig der Grund für eine Sondersitzung.

Ein Regierungsmitglied jedenfalls hat jetzt schon mal seine Urlaubspläne zusammengestrichen: Gesundheitsminister Karl Lauterbach. «Das wird für mich kein Sommer sein, wo ich luxuriös urlauben kann», sagte er am Freitag. Allerdings befürchtet der SPD-Mann nicht etwa eine Sondersitzung des Bundestags. Er verwies auf ein strammes Arbeitsprogramm in den nächsten Wochen, das keinen Aufschub duldet.